Presseaussendung vom 19.02.2018
Kann arbeiten, will arbeiten, darf nicht arbeiten!
Die Einstufung als „arbeitsunfähig“ und der Weg auf die sogenannte „Gesundheitsstraße“ führt für Menschen mit Behinderungen in der Praxis zu einem lebenslangen „Arbeitsverbot“ am allgemeinen Arbeitsmarkt. Damit gibt es kaum Aussicht auf Gehalt und Pension. Mit einer parlamentarischen Bürgerinitiative macht der gemeinnützige Verein VIANOVA, eine Mitgliedsorganisation von dabei-austria, auf die bestehende und widersprüchliche Gesetzeslage zum Thema „Arbeitsunfähigkeit“ aufmerksam. Heute wurden die Unterschriften zur Bürgerinitiative an die Parlamentsdirektion übergeben. Damit wird eine dringend notwendige Gesetzesänderung gegen diese folgenschweren Feststellungen gefordert.
Attest „arbeitsunfähig“
Menschen mit Behinderungen können und wollen arbeiten, auch Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Wichtig ist vor allem, auch für Jugendliche mit Behinderungen gleichwertige Chancen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Bereits bei jungen Menschen mit Behinderungen erfolgt sehr häufig der Bescheid „arbeitsunfähig“. Mehr als 23.000 Menschen mit Behinderungen sind in Österreich in sogenannter „Beschäftigungstherapie“, ohne Kranken- und Pensionsversicherung und ohne Perspektive auf bezahlte Arbeit am allgemeinen Arbeitsmarkt. „Wir vertreten die Position der UN-Behindertenrechtskonvention: Alle Menschen haben das Recht auf Arbeit. Wird bereits einem jungen Menschen das Attest „arbeitsunfähig“ erteilt, gibt es kaum Chance mehr auf bezahlte Arbeit. Unterstützung bei der Arbeitssuche oder in bestehenden Jobs bieten etwa die Beratungsangebote von NEBA (Netzwerk Berufliche Assistenz) wie das Jugendcoaching, Produktionsschulen, die Berufsausbildungsassisenz oder die Arbeitsassistenz und das Jobcoaching. Solche Förderprogramme zur Arbeitsintegration können aber nur von „arbeitsfähigen“ Menschen in Anspruch genommen werden“ so Markus Neuherz, Geschäftsführer dabei-austria. Der Bescheid „Arbeitsunfähigkeit“ ist genau genommen kein tatsächliches „Arbeitsverbot“. Es darf „gearbeitet“ werden, in einer Beschäftigungstherapie – ohne Anspruch auf Gehalt, Krankenversicherung und Pension. Der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist fast nicht möglich, somit bleibt auch die Chance auf den Ruhestand im Alter verwehrt. Dies bedeutet auch lebenslange Abhängigkeit von Sozialleistungen.
Arbeitsfähigkeit rückwirkend für nichtig erklärt
„Leider ist es gängige Praxis, dass bereits Jugendliche mit Behinderungen als ‚arbeitsunfähig‘ eingestuft werden. Trotz dem Willen und der Fähigkeit zu arbeiten, werden die jungen Leute dadurch gezwungen in Tageswerkstätten tätig zu sein. Der Schritt auf die ‚Gesundheitsstraße‘ und somit ins totale Abseits“ erklärt Katja Rief, die Obfrau des Vereins VIANOVA. Beispiele zeigen auch, dass Menschen mit Behinderungen die bereits jahrelang erfolgreich im Arbeitsleben integriert waren und Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt haben, rückwirkend als „nicht arbeitsfähig“ eingestuft werden. „Kommt es innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren zum Verlust der Arbeitsstelle, können Arbeitslosen- und Pensionsansprüche nicht geltend gemacht werden, obwohl ins System eingezahlt wurde. Es wird so verfahren, als hätte nie eine Arbeitsfähigkeit bestanden“ erläutert Rief. Das heißt: Die Unterstützung durch das AMS (Arbeitsmarktservice) wird eingestellt und es gibt auch keine Möglichkeit in Pension zu gehen. Durch die parlamentarische Bürgerinitiative wurde die Forderung an den Nationalrat gestellt, ein Gesetz gegen diese Diskriminierung zu beschließen. Die Kriterien zur Feststellung von Arbeitsfähigkeit müssen angepasst werden.
Keine Sonderschulen im Bezirk Reutte
VIANOVA ist eine der Pionierorganisationen im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Sie kümmern sich um erfolgreiche Arbeitsvermittlung von Menschen mit Behinderungen, um einer sinnerfüllenden Aufgabe im Arbeitsalltag nachzugehen. Auch weitere Projekte wie „Spagat“ in Vorarlberg, „IFD Jobwärts“ in Wien, „FAB Pro.Work“ in Oberösterreich oder das „ChancenForum“ in Kärnten zeigen, Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf leisten durch ihre Arbeit am allgemeinen Arbeitsmarkt einen wertvollen Beitrag in der Gesellschaft. Inklusion beginnt im Kindesalter, sie muss früh ansetzen. Im Bezirk Reutte in Tirol wurden Sonderschulen bereits vor 20 Jahren abgeschafft. Bis heute besteht ein erfolgreiches, inklusives Schulsystem. Mit individueller Unterstützung und Begleitung durch Projekte wie z.B. „mittendrin“ in Tirol, werden Menschen mit Behinderungen Jobs, keine Werkstättenplätze, vermittelt. Markus Neuherz ist zuversichtlich: „Das Ziel, eine erfolgreiche Inklusion und gesellschaftliche Veränderung, ist erreichbar, nur die Bereitschaft des Gesetzgebers muss gegeben sein, Hürden beseitigt und Chancen ergriffen werden“.
Über dabei-austria:
dabei–austria ist ein gemeinnütziger Verein und eine bundesweite Interessenvertretung im Bereich der beruflichen Integration. Der Dachverband vertritt derzeit knapp 200 Projekte im Bereich der beruflichen Orientierung und in der Integration. Die Angebote richten sich an Menschen mit Behinderung/Erkrankung sowie Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. ausgrenzungsgefährdete Jugendliche und Erwachsene.
Rückfragen & Kontakt:
Mag. (FH) Markus Neuherz, MSc | Geschäftsführer
T: +43 650 647 28 28 | E: m.neuherz@dabei-austria.at
Mag.a Elisabeth Rapp | Kommunikation
T: +43 660 446 91 22 | E: e.rapp@dabei-austria.at
Dachverband berufliche Integration Austria – dabei-austria
Favoritenstraße 111/11, 1100 Wien | www.dabei-austria.at