Sehr geehrte Frau Abgeordnete zum Nationalrat,
sehr geehrter Herr Abgeordneter zum Nationalrat,
sehr geehrte Damen und Herren!
Der Österreichische Behindertenrat, die Dachorganisation der österreichischen Behindertenverbände und Interessenvertretung von mehr als 400 000 Menschen mit Behinderungen in Österreich, erhält besorgt Informationen, wonach das Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes verzögert werden soll.
Das Erwachsenenschutzgesetz 2016 wurde in einem vorbildlichen – international anerkannten – Beteiligungsprozess erarbeitet. Das Ergebnis kann als Meilenstein und als Leuchtturmprojekt der vergangenen Gesetzgebungsperiode bezeichnet werden.
Auch haben u.a. viele Personen aus den Reihen der Behindertenorganisationen intensiv mitgearbeitet – sowohl beim Gesetz selbst – aber auch in den Folgeprozessen zur Erarbeitung der Konsenspapiere.
Eine Verzögerung der Umsetzung der neuen Regelungen bewirkt, dass sehr viele Menschen mit Behinderungen weiterhin wichtige Aspekte ihres Lebens nicht selbst regeln können. Sie sind weiterhin von der Entscheidungsmacht anderer Menschen abhängig.
Die irrige Meinung, dass Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung oder mit einer dieser gleichzusetzenden Behinderung nicht fähig sind, ihr Leben selbstbestimmt zu leben, ist leider weit verbreitet.
Es ist dringend an der Zeit, die Sicht auf Menschen mit Behinderungen zu überdenken und ihren Wert mitten in der Gesellschaft anzuerkennen.
Finanzielle Aspekte dürfen bei der Sicherstellung von fundamentalen Menschenrechten sicherlich nicht führend ins Kalkül gezogen werden, dazumal die Finanzierung der Maßnahmen bereits bei Entstehung des Gesetzes zugesichert waren.
Natürlich brauchen Umstellungsprozesse auf ein neues – letztlich kostengünstigeres – System auch Anfangsinvestitionen. Diesem Umstand wird die aktuelle Regierung in vielfältigen Vereinfachungs- und Reformprozessen immer wieder begegnen.
Anlässlich der ersten Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) hat das UN-Behindertenrechtskomitee in Genf der Österreichischen Regierung empfohlen, dass Artikel 12 der UN-BRK umgesetzt und die stellvertretende Entscheidungsfindung durch unterstützte Entscheidungsfindung für Personen mit Behinderungen ersetzt werden soll. Es muss sichergestellt werden, dass sie Zugang zu unterstützter Entscheidungsfindung erhalten und nicht unter Sachwalterschaft gestellt werden.
In Anbetracht der neuerlichen Staatenprüfung im Jahr 2019 ersucht der Österreichische Behindertenrat, die Empfehlungen anlässlich der letzten Staatenprüfung umzusetzen und das Erwachsenenschutzgesetz 2016 wie geplant in Kraft treten zu lassen. Damit verbunden muss auch die Finanzierung der benötigten Unterstützungs- und Beratungsleistungen sein, damit Menschen mit Behinderungen notwendige Entscheidungen für ihr Leben selbstbestimmt finden können.
Mit besten Grüßen
Herbert Pichler (Präsident)
Dr.in Gabriele Sprengseis(Geschäftsführerin)
Diese Nachricht erging an:
BehindertensprecherInnen aller Parteien
Bundeskanzler Sebastian Kurz
Vizekanzler Heinz-Christian Strache
Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Beate Hartinger
Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger
Bundesminister für Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Josef Moser