Expertinnenliste: Frauen mit Behinderungen für Vorträge/Podiumsdiskussionen/Interviews
Mehr als 30 Frauen mit Behinderungen präsentieren sich auf der Expertinnenliste und laden dazu ein, Veranstaltungspodien vielfältig zu besetzen. Gabriele Sprengseis (Österreichischer Behindertenrat) veröffentlicht gemeinsam mit Christine Steger (Unabhängiger Monitoringausschuss), Jasna Puskaric (WAG), Isabell Naronnig (ZEITLUPE), Julia Moser (myAbility/Forum für Usher Syndrom und Taubblindheit) und Beate Koch (ÖZIV Steiermark) die Liste von Frauen mit Behinderungen für Vorträge/Podiumsdiskussionen/Interviews zum Weltfrauentag im Rahmen einer Pressekonferenz am 07.03.
Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind in der Öffentlichkeit kaum sichtbar. Dabei sind sie Expertinnen in mehrfacher Hinsicht. Sie haben vielfältiges Fachwissen und können aufgrund ihrer Lebensrealitäten auch zum Thema Behinderung sprechen.
Die Unsichtbarkeit ist „nur“ ein Teil der Diskriminierung, die Lebensrealität ist oft viel bedrohlicher: Frauen mit Behinderungen sind häufiger von physischer, psychischer und sexueller Gewalt betroffen. Sie sind häufiger und länger arbeitslos und tragen damit auch ein höheres Armutsrisiko.
Die vorgestellte Expertinnenliste von Frauen mit Behinderungen für Vorträge, Podiumsdiskussionen und Interviews ist ein erster Schritt, um mehr Sichtbarkeit zu schaffen. „Diese Liste zeigt eindrucksvoll, dass Expertinnen mit Behinderungen viel zu sagen haben“, so Julia Moser (myAbility/Forum Usher-Syndrom und Taubblindheit).
Die Expertinnenliste – behindertenrat.at/expertinnenliste
„Frauen mit Behinderungen wollen sichtbar werden. Wir wollen Ungleichheiten aufzeigen und fordern ihre Beseitigung. Die Expertinnenliste zeigt unsere vielfältigen Kompetenzen, jetzt sind die anderen gefordert, diese zu nutzen.“ erklärt Gabriele Sprengseis vom Österreichischen Behindertenrat. 2018 gründete der Österreichische Behindertenrat das Kompetenzteam Frauen mit Behinderungen. In diesem Kompetenzteam entstand die Idee zur Expertinnenliste von Frauen mit Behinderungen für Podiumsdiskussionen/Vorträge/Interviews. „Ich bin häufig zu Veranstaltungen eingeladen, auf denen die Podien sehr männlich besetzt sind. Es ist Zeit, Frauen mit Behinderungen auf die Bühnen zu holen“, berichtet Jasna Puskaric (WAG) aus der Praxis. Es gibt viele kompetente Frauen mit Behinderungen in Österreich, die als Expertinnen zu verschiedensten Themen oder/und aus ihrem Leben als Frauen mit Behinderungen sprechen können. Für Beate Koch (ÖZIV Steiermark) ist die Expertinnenliste wichtig „weil dadurch die Benachteiligungen von Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen von den Betroffenen selbst aufgezeigt werden.“ Christine Steger vom Unabhängigen Monitoringausschuss nimmt die Veranstalter und Veranstalterinnen in die Pflicht: „Die Liste entkräftet die Ausrede, man hätte keine Frau gefunden, die eingeladen werden kann.“ Die Expertinnen veröffentlichen ihr Profil mit unterschiedlichsten Expertisefeldern und stehen für Anfragen zur Verfügung. Warum es die Expertinnenliste braucht, erklärt Isabell Naronnig (ZEITLUPE): „Teile der Gesellschaft und Politik erkennen immer noch nicht die Stärken und Fähigkeiten von Frauen mit Behinderungen.“
Die Liste wird laufend erweitert und ist online unter behindertenrat.at/expertinnenliste abrufbar.
Am Podium der Pressekonferenz
Dr.in Gabriele Sprengseis (Geschäftsführerin des Österreichischen Behindertenrates)
„Es sind Frauen mit Behinderungen, die aufgrund ihres Geschlechts und auch ihrer Behinderung diskriminiert, marginalisiert und ausgegrenzt werden. Es fehlt an inklusiver Bildung, Erwerbsbeteiligung, Führungspositionen, sowie Teilhabemöglichkeiten am politischen und öffentlichen Leben.“
Mag.a Christine Steger (Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses)
„Auch Frauen mit Behinderungen haben das Recht ihre Sexualität und ihren Kinderwunsch zu leben. Dazu braucht es Aufklärung, sexualpädagogische Konzepte, Peer-Beratung, Sexualbegleitung und vor allem mehr als eine Willenserklärung zu den Inhalten der UN-Konvention.”
Mag.a Isabell Naronnig (ZEITLUPE Peer-Beratung für Frauen mit Behinderung)
„Frauen mit Behinderungen sind um ein Vielfaches öfter von Gewalt, Abhängigkeiten und Armut betroffen. Gezielte Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen und Schutz vor Gewalt können nur auf der Grundlage von Selbstbestimmung und Empowerment im Alltag funktionieren. Daher fordern wir Persönliche Assistenz für Alle!“
Jasna Puskaric (Geschäftsführende Vorständin WAG – Assistenzgenossenschaft)
„Frauen mit Behinderungen und Bedarf an Persönlicher Assistenz sind wieder stärker gefährdet als noch vor einigen Jahren, von ihren Partnern und Ursprungsfamilien abhängig zu sein. Grund dafür sind fehlende Rahmenbedingungen für bedarfsgerechte Persönliche Assistenz.“
Mag.a Julia Moser (DisAbility Management Expertin bei myAbility / Vorsitzende Forum für Usher Syndrom und Taubblindheit)
„In Österreich leben rund 650.000 Frauen mit Behinderungen, sie sind weitgehend unsichtbar. Zu viele dieser Frauen haben nicht die Möglichkeit, ihre Ausbildung abzuschließen, ihren Beruf auszuüben, sich und ihre Familien selbständig zu erhalten und als Konsumentinnen zu investieren. Letztlich werden sie daran gehindert, wirkungsvoll zum Gesellschafts- und Wirtschaftsleben beizutragen.“
Beate Koch (Frauenreferentin des ÖZIV Steiermark)
„Es gibt noch immer keine Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft, genauso wie es noch immer keine Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen gibt. Das trifft Frauen mit Behinderungen doppelt. Wird dieses Ungleichgewicht weiterhin nicht ernst genommen, dann werden auch in Zukunft Frauen mit Behinderungen diskriminiert und immer öfter in der Armutsfalle landen.“
Foto: Lukas Ilgner