SO NICHT! Grenzen der Kritik
Der Umgangston ist mitunter rau in den Diskussionen zum Thema Behinderung. Oft unverstanden, ignoriert und als Teil einer vielfach diskriminierten Gruppe ist das Kämpfen für viele Menschen mit Behinderungen ein wichtiger Aspekt ihres Lebens geworden. Organisationen im Behindertenbereich müssen mit sehr begrenzten Ressourcen agieren und die organisationale Modernisierung findet in vielen Fällen nicht schnell genug statt, um einem zeitgemäßen Verständnis vieler Menschen mit Behinderungen zu entsprechen. Daraus entsteht ein Spannungsfeld, dessen wir uns als Behindertenrat sehr bewusst sind. Kritik kann und muss es geben, wir schätzen Kritik als wichtigen Antrieb für Veränderungen.
Mit der Entwicklung der sozialen Medien und den vielen neuen Möglichkeiten zur Artikulation von Kritik werden wir als Österreichischer Behindertenrat und andere Organisationen jedoch immer mehr mit herabwürdigender Kritik bis hin zu ‚Hate Speech‘ konfrontiert. Das ist anstrengend, belastend und bindet Ressourcen, die wir für wichtigere Dinge einsetzen sollten. Viele Organisationen und Interessenvertretungen sind aus diesem Grund nicht auf Social Media vertreten.
Wir haben uns entschieden, mit dieser Situation offen umzugehen, diesen Text zu veröffentlichen und klar über die von uns definierten Regeln zur Kritik zu sprechen.
Wir nehmen Kritik an, die:
1. respektvoll ist
2. ohne herabwürdigenden Umgangston auskommt
3. konstruktiv formuliert ist
4. zum diskutierten Thema passend eingebracht wird – insbesondere bei Beiträgen auf Social Media
5. nicht beleidigend ist
6. nicht irreführend ist – keine Halbwahrheiten oder Unwahrheiten beinhaltet.
7. nicht nur rein der Selbstinszenierung dient.
Unser Ziel ist es, uns proaktiv für eine konstruktive Kritikkultur einzusetzen. Sind wir mit herabwürdigender Kritik oder „Hate Speech“ konfrontiert, suchen wir in einem ersten Schritt den persönlichen Kontakt, verweisen auf unsere Regeln der Kritik und bitten um Entschärfung oder Klarstellung. Ist dies nicht erfolgreich, löschen wir Postings oder reagieren nicht mehr auf E-Mails. Werden wir über einen längeren Zeitraum immer wieder mit herabwürdigender Kritik konfrontiert und keine unserer Interventionen (Bitte um anderen Umgangston, Bitte um Unterlassung, Bitte um Gespräch) wird angenommen, leiten wir – wenn auch ungern – die erforderlichen rechtlichen Schritte zum Schutz unserer Rechte ein.
Als Österreichischer Behindertenrat und Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen in Österreich tragen wir eine besonders große Verantwortung. Wir können daher herabwürdigende Kritik bis hin zu „Hate Speech“ nicht einfach ignorieren und werden herabwürdigenden Stimmen keine Bühne geben. Wir setzen uns für konstruktive Kritik und Diskussion als Motor für die gesellschaftliche Entwicklung ein – im Sinne der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen.