Pressegespräch vom 24. Juni 2019
Die Betreuung pflegebedürftige Menschen ist und wird in kommenden Jahrzehnten aufgrund der demografischen Entwicklung der österreichischen Bevölkerung zu einer zunehmenden Herausforderung werden. Derzeit beziehen in Österreich etwa 450.000 Menschen Pflegegeld, was einen Pflegebedarf im Ausmaß von mehr als 65 Stunden monatlich voraussetzt.
Der Großteil der Pflege wird dabei von Angehörigen pflegebedürftiger Menschen erbracht. Im Rahmen einer vom Sozialministerium im Auftrag gegebenen und kürzlich veröffentlichten Studie wird geschätzt, dass in Österreich etwa 950.000 Personen auf irgendeine Weise in die Pflege eines anderen Menschen involviert sind.
Die Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, der Österreichische Behindertenrat und der Behindertenanwalt erheben Forderungen, die der Bereitstellung qualitätsvoller, an den Interessen und Neigungen der pflegebedürftigen Menschen orientierter Betreuung dienen. Damit unmittelbar verbunden sind auch Maßnahmen zur Verbesserung der Situation pflegender Angehöriger.
Verbesserungsbedarf besteht insbesondere bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung pflegender Angehöriger. Förderungen für pflegende Angehörigen sollen ausgebaut und bedarfsgerechter gestaltet werden, etwa durch die Verkürzung der Mindestinanspruchnahme für Zuwendungen zur Unterstützung pflegender Angehöriger, die der Förderung einer Ersatzpflege dienen, um pflegenden Angehörigen die Inanspruchnahme eines Erholungsurlaubs zu ermöglichen.
Mit Hilfe des Pflegegeldes wird der pflegebedingte finanzielle Mehraufwand, der pflegebedürftigen Menschen entsteht, pauschal abgegolten. Das Pflegegeld ist die wohl bedeutendste finanzielle Leistung für pflegebedürftige Menschen in Österreich.
Gefordert wird eine Anpassung des Pflegegeldes an aktuelle Gegebenheiten und Erfordernisse, wobei eine regelmäßige Valorisierung erforderlich ist, um dessen Wertverfall zu verhindern. Seit Einführung vor mehr als 25 Jahren hat das Pflegegeld einen realen Wertverlust von ca. 30 % erlitten.
Bei der Bemessung des Pflegegeldes soll speziell der Pflegebedarf von Kindern, demenziell sowie psychisch erkrankten Menschen, etwa durch die Einführung von diagnosebezogenen Mindesteinstufungen, verstärkt berücksichtigt werden.
Um höchstmöglichen Selbstbestimmung pflegebedürftiger Personen zu gewährleisten sollen Leistungen im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit vorwiegend als Geldleistung gewährt werden. Der Finanzierung der Pflege müssen bedarfsgerechte Angebote gegenüberstehen, zwischen denen sich pflegebedürftige Menschen entscheiden können. Gefordert wird zudem eine Vereinheitlichung von Standards und Kostenbeiträgen für Sachleistungen.
Neben der Gewährleitung der Pflege muss im Sinne der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gesorgt werden. Hierfür wird die Einführung einer eigenen Geldleistung (Beispielsweise für persönliche Assistenz, Gebärdensprachdolmetschung für gehörlose Menschen etc.) gefordert.
Ein geeignetes Instrument zur Verbesserung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen wäre die Einführung eines am Beispiel des Pflegefonds orientierten steuerfinanzierten Inklusionsfonds. „Der Österreichische Behindertenrat setzt sich für die Einrichtung eines Inklusionsfonds ein. Mit einem Inklusionsfonds würde man ein innovatives und effizientes Werkzeug schaffen, um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“, so Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates.
Aufgrund des derzeit herrschenden und sich zukünftig weiter verstärkenden Arbeitskräftemangels im Bereich der Pflege ist eine Erhöhung der Attraktivität der relevanten Berufe verbunden mit einer erhöhten Entlohnung erforderlich. Insbesondere WiedereinsteigerInnen sollen als Zielgruppe für Pflegeausbildungen angesprochen werden.
Die Pflege zu Hause, die von vielen pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen gewünscht und angestrebt wird, setzt häufig die Barrierefreiheit des Wohnumfelds der gepflegten Personen voraus. Derzeit haben EigentümerInnen und MieterInnen von Wohnungen jedoch in vielen Fällen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, Maßnahmen zu Herstellung von Barrierefreiheit im ihrem häuslichen Bereich durchzusetzen. Entsprechende Änderungen des Mietrechtsgesetzes und des Wohnungseigentumsgesetzes würden dazu beitragen, die Grundlage für häusliche Pflege vieler Menschen zu schaffen.
Zudem soll die Förderung der 24-Stunden-Betreuung erhöht und die Qualitätssicherung in diesem Bereich, besonders im Hinblick auf die Qualität der Leistung der Agenturen, die Betreuungskräfte vermitteln, intensiviert werden.
„Die Pflege der Zukunft muss sich an der Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Menschen sowie den Bedürfnissen pflegender Angehöriger orientieren. Individuelle Betreuung ermöglicht es Personen, die Pflege benötigen ihre Fähigkeiten und Ressourcen bestmöglich zu nutzen und zu erhalten. Auch die Pflege durch Angehörige ist und wird in Zukunft in Österreich eine zentrale Säule der Pflege sein. Pflegende Angehörige erbringen eine Leistung, die Anerkennung verdient und dürfen mit der schwierigen Aufgabe, die sie übernommen haben, nicht alleine gelassen werden“, führt Behindertenanwalt Hansjörg Hofer aus.