Realisierung des inklusiven Arbeitsmarktes – Schaffung eines Staatssekretariats
Wien (OTS) – Es ist nicht weiter hinzunehmen, dass sich die Situation von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt verschlechtert und dies weitgehend ignoriert wird. Während aufgrund der guten Wirtschaftslage die Arbeitslosigkeit insgesamt erfreulicherweise sinkt, steigt die Arbeitslosigkeit bei Menschen mit Behinderungen seit Monaten kontinuierlich weiter. So ging im September 2019 die Arbeitslosigkeit insgesamt um 2,8 Prozent zurück, in der Gruppe mit Menschen mit Behinderungen gab es hingegen einen Anstieg um 4,0 Prozent. Seit 2007 ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen um fast 140% gestiegen. Der vom AMS-Verwaltungsrat kürzlich beschlossene AMS-Algorithmus, der Menschen mit Behinderungen ohne Begünstigung automatisch in die Gruppe einteilt, für die die wenigsten Unterstützungsleistungen zur Verfügung stehen, wird die Lage wesentlich verschlimmern statt verbessern, befürchten Expert*innen.
Die Behindertenverbände üben massiv Kritik an diesen Entwicklungen. Allen voran Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates: „Der AMS-Algorithmus ist für alle Menschen diskriminierend. Vor allem Menschen mit Behinderungen werden weiterhin benachteiligt. Wir wenden uns gegen die automatische Einstufung von Menschen mit Behinderungen in die Kategorie C“.
Unterstützung seitens der Politik wäre vorhanden. So haben sich fast alle Spitzenkandidat*innen im Interview in der Sonderedition der Zeitschrift „monat“ (September 2019) gegen die automatische Einstufung von Menschen mit Behinderungen ausgesprochen.
Ständige Verzögerung unverständlich
Um den Benachteiligungen nachhaltig entgegenzuwirken, plädieren die großen Behindertenverbände schon lange für die Umsetzung eines Inklusiven Arbeitsmarktes. Forderungen und Vorschläge, die im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes 2021 bis 2030 seinen Niederschlag finden sollen, liegen dazu längst am Tisch und warten darauf umgesetzt zu werden. Markus Neuherz, Geschäftsführer von dabei-austria dazu: „Unverständlich für die Organisationen und für Menschen mit Behinderungen ist, warum der Prozess sich ständig verzögert. Dass berufliche Inklusion funktioniert, zeigen zahlreiche Beispiele aus dem Netzwerk berufliche Assistenz, kurz NEBA. So hat die Arbeitsassistenz allein im Jahr 2018 6.655 Menschen mit Behinderungen erfolgreich unterstützt Beschäftigungen zu finden und abzusichern.“
Rund 90 Mitglieds-Organisationen, die der Dachverband dabei-austria vertritt, stellen zahlreiche Angebote im Bereich beruflicher Integration zur Verfügung. Eine davon ist der ÖZIV, der neben einem Arbeitsassistenz-Projekt in Niederösterreich, auch ein bundesweites Coaching-Angebot für Menschen mit Behinderungen durchführt (ÖZIV Support) und Barrierefrei-Beratungen für Unternehmen anbietet. „Sowohl Menschen mit Behinderungen als auch Unternehmen müssen künftig die Möglichkeit haben, auf ein vielfältiges Förder- und Maßnahmenbündel zugreifen zu können. Speziell im betrieblichen Bereich gibt es hier noch deutlichen Aufholbedarf. Umfassende Barrierefreiheit und ein Inklusives Arbeitsumfeld sind unbedingte Voraussetzung zur Verbesserung der Beschäftigungsquote“, so ÖZIV-Geschäftsführer Gernot Reinthaler.
Eng damit verknüpft sind die Forderungen nach einer Inklusiven Schulpolitik, einem Solidaritätsbeitrag für Unternehmen, die bundesweite Regelung der Persönlichen Assistenz und dass Menschen mit Behinderungen vor allem in Betreuungseinrichtungen anständig bezahlt und versichert werden. „Lohn statt Taschengeld!“, fordert Hanna Kamrat von der Lebenshilfe Österreich in diesem Zusammenhang.
Cornelia Scheuer vom Verein „BIZEPS“ weist zudem auf die Wichtigkeit der Persönlichen Assistenz hin: „Persönliche Assistenz ist für viele Menschen mit Behinderungen die Grundlage mit der Selbstbestimmung und individuelle Lebensgestaltung erst möglich ist. Die Persönliche Assistenz im Privatbereich ist derzeit noch Ländersache und hat 9 verschiedene Regelungen. – dies stellt eine massive Ungleichbehandlung dar. Deshalb braucht es eine bundeseinheitliche Regelung!“
Michael Svoboda, Präsident des KOBV, verweist auf das KOBV-Programm „Fördern statt Strafen“ und fordert den Ersatz der Ausgleichstaxe durch einen Behindertenbeschäftigungsbeitrag (0,3% der Lohnsumme). Im Gegenzug sollen Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, entsprechende Prämien und Förderungen erhalten.
Gemeinsame Herausforderung im Sinne von Menschen mit Behinderungen
„Wir stehen vor großen Herausforderungen, die wir gemeinsam mit Politik und Wirtschaft bewältigen müssen und wir fordern die brennenden Anliegen von Menschen mit Behinderungen endlich ernst zu nehmen!“, so der einhellige Appell der Behindertenverbände an die Politik.
Zur Umsetzung der Vorschläge und die Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplanes 2021 bis 2030 fordern die Vertreter*innen der Behindertenorganisationen die Schaffung eines Staatssekretariates für Inklusionspolitik, Gleichbehandlung und Pflege, auch um in Österreich den Nachholbedarf im Bereich Inklusion voranzutreiben. Auch die zentralen Themenstellungen, in der UN-Behindertenrechtskonvention die Österreich bereits seit 2008 ratifiziert hat, warten noch auf eine Lösung. Es braucht eine anerkannte Persönlichkeit, die die Problemlage versteht, gut vernetzt ist und übergreifend auf die Ressorts einwirkt, um den Weg in eine inklusive Gesellschaft zu ebnen“, ist Herbert Pichler überzeugt und erwartet sich die Berücksichtigung und Vorschläge der Behindertenverbände schon in den Koalitionsverhandlungen.
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