Das Europäische Behindertenforum (EDF) ist die Dachorganisation der Behindertenverbände auf Europaebene und vertritt die Interessen von etwa 80 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU. Unter dem Dach des EDF kommen regelmäßig die nationalen Dachorganisationen zu einem intensiven Austausch und zur Beschlussfassung zusammen. So auch diesen Herbst. Von 9. bis 10. November fand das Vorstandstreffen des EDF in Helsinki statt. Auch der Behindertenrat war als langjähriges Mitglied wieder durch Christina Wurzinger vertreten.
Den Auftakt bildete ein Seminar zum Thema Barrierefreiheit im Verkehr und in der baulichen Umwelt. Ein umfassender Barrierefreiheits-Plan der Stadt Helsinki wurde vorgestellt, bei dem Menschen mit Behinderungen in allen Phasen der Planung und Umsetzung eingebunden waren. Er umfasst neben den üblichen Aspekten barrierefreier Planung auch Naturpfade, Parkanlagen, Spielplätze, einen Online Barrierefreiheitsplan der ganzen Stadt und vieles mehr. Das Seminar endete mit der Verabschiedung einer EDF-Resolution. Sie fordert die volle Barrierefreiheit von Verkehr und baulicher Umwelt in der EU einfordert und hebt wichtige nächste Schritte in diesem Zusammenhang hervor. (siehe http://edf-feph.org/newsroom/news/edf-resolution-calling-full-accessibility-transport-and-built-environment-eu)
Auch der European Accessibility Act (Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit, EAA) war wieder Thema. Er wurde im April 2019 beschlossen und ist ab Juni 2025 in Österreich direkt anwendbar. Der EAA schreibt die Barrierefreiheit von vor allem digitalen Gütern und Dienstleistungen vor, allerdings umfasst er weder die bauliche Barrierefreiheit von Gebäuden, noch Kleinstunternehmen, die Produkte und/oder Dienstleistungen anbieten. Das EDF stellt in Kürze seinen Mitgliedern ein Monitoring-Toolkit zur Umsetzung des EAA auf nationaler Ebene zur Verfügung.
Auf Ebene der Europäischen Institutionen findet gerade ein Neufindungsprozess statt. Im Europaparlament werden aktuell die weitreichenden Themen der parlamentarischen Untergruppen (intergroups) neu festgelegt. Bisher gab es regelmäßig auch eine sogenannte Disability Intergroup im EU-Parlament. Allerdings müssen die Themen von den Europäischen Parlamentsabgeordneten vorab gewählt werden und werden erst ab einer gewissen Anzahl Fokus einer Untergruppe. Der Österreichische Behindertenrat hat bereits im Vorfeld die österreichischen Vertreter*innen im EU-Parlament dazu aufgefordert, für eine Disability Intergroup zu stimmen.
Auch in der Europäischen Kommission befindet sich vieles im Umbruch. Die EU-Kommission bekommt eine völlig neue Struktur. Unter anderem wird es in Zukunft einen eigenen Kommissär für Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung geben. Dennoch soll das Thema Behinderung weiterhin in der Generaldirektion Arbeit und Soziales verbleiben, was seitens des EDF als kritisch eingestuft wird und auch noch nicht endgültig entschieden ist. Bis Dezember wird die Kommission noch umgestaltet. Bis dahin fließt viel Engagement des EDF dahingehend, einen eigenen Focal Point für Behinderung in allen Generaldirektionen der Europäischen Kommission verpflichtend zu installieren.
Ein weiteres Schwerpunktthema des EDF stellt das Hinwirken auf eine neue EU Strategie zu Behinderung 2020 – 2030 dar (eine Art Nationaler Aktionsplan auf EU-Ebene). Die EU-Kommission ist gerade dabei, die letzte EU Strategie zu Behinderung zu evaluieren. Aktuell ist noch nicht geklärt, ob überhaupt eine neue Strategie beschlossen wird. Daher arbeitet das EDF verdichtet zu diesem Thema. Neben den zahlreichen Treffen mit EU-Repräsentant*innen, in denen diese aufgefordert werden, die Einführung einer neuen Strategie zu Behinderung 2020-2030 zu unterstützen, wird gerade auch an einem entsprechenden Positionspapier des EDF gearbeitet. Ein weiteres Positionspapier, das sich mit den notwendigen Inhalten einer derartigen Strategie auseinandersetzt, soll folgen.