Webinar der UN (Vereinte Nationen) und der WHO (Weltgesundheitsorganisation): „COVID-19 and Disability: UN response; people with disabilities cannot be left behind“
Für den Österreichischen Behindertenrat nahm Gudrun Eigelsreiter teil. Das Webinar fand via Zoom statt, weltweit gab es 318 Teilnehmer*innen.
Moderation:
- in Alarcos Cieza: WHO Koordinatorin für die Themen Behinderungen und Rehabilitation
Vertreter*innen der Gastgeber UN und WHO:
- Ana Maria Menendez: Leitende Politikberaterin des UN-Generalsekretärs (momentan ist das Antonio Guterres) und UN-Untergeneralsekretärin
- Ren Minghui: Stellvertretender Generaldirektor für übertragbare Krankheiten der WHO
Experten*innenberichte von:
- Ana Pelaez Narvaez: Vizepräsidentin des EDFs (Europäisches Behindertenforum) und Mitglied des UN-Frauenrechtskomitee CEDAW (als erste Frau mit Behinderungen)
- Vladimir Cuk: Geschäftsführer von IDA (Internationales Behindertenbündnis)
- Catalina Devandas Aguilar: UN Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
- Ana Pelaez Narvaez (Vizepräsidentin EDF) berichtet folgendes:
- Die Empfehlungen der Bioethik-Kommissionen vieler EU-Staaten stimmen nicht mit den Vorgaben der UN-BRK überein.
- In vielen Ländern werden Menschen mit Behinderungen ausgeschlossen bzw. wird ihnen der Zugang zu intensivmedizinischer Versorgung verweigert.
- Menschen mit Behinderungen in Institutionen werden zurückgelassen: keine Desinfektion ihrer Räume, das Unterstützungspersonal bekommt keine Schutzmasken und Handschuhe, etc.
- Frauen und Mädchen mit Behinderungen sind noch mehr als sonst gefährdet, Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt zu werden. Das ist ein direktes Ergebnis der Ausgangssperren und des Mangels an Maßnahmen, um Frauen und Mädchen aus diesen gewaltvollen Wohnsettings zu retten. In vielen Ländern gibt es nach wie vor keine Schutzmechanismen für Frauen und Mädchen mit Behinderungen.
- 12 Jahre nachdem die UN-Generalversammlung die UN-BRK verabschiedet hat, scheint es, dass viele Vertragsstaaten nicht an diese Konvention glauben.
- Vladimir Cuk (IDA): ist der Meinung, dass uns die Krise in der Behindertenrechtsbewegung um Jahre zurückwirft. Er berichtet, dass IDA aus vielen Ländern Rückmeldungen bezüglich der derzeitigen Situation bekommen hat. Aus einigen Ländern kamen Informationen, dass das Risiko für Menschen mit Behinderungen an COVID-19 zu sterben, nicht so hoch ist, wie das an der Aufhebung von sozialen Dienstleistungen und Unterstützung zu sterben. IDA wurde von Fällen in Ländern berichtet, in denen Menschen mit Behinderungen gestorben seien, weil Pflegekräfte aufgrund der Ausgangssperren nicht zu ihnen in die Wohnungen durften.
- Catalina Devandas Aguilar (UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen): Die UN-BRK ist in vielen Ländern leider nicht implementiert. Wie können wir als UN-System die Unterstützung für und Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen auf nationaler und internationalen sicherstellen? Durch Inklusion von Menschen mit Behinderungen in alle Notfallpläne für Krisensituationen, sowie auch schon in die Erstellung dieser Pläne. Dafür müssen das UN-System selbst und seine Institutionen auch inklusiver sein für Menschen mit Behinderungen.
Zentrale Aussagen des Webinars:
- Alle UN-Agenturen und Institutionen müssen engmaschig zusammenarbeiten und Informationen austauschen, um die Pandemie zu überwinden
- Die COVID-19 Krise ist auch eine Krise der Ungleichheit: Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen werden überdeutlich, alle gegenwärtigen Mängel in den Sozialsystemen vieler Länder werden aufgezeigt
- Deshalb ist Lobbying für die Rechte von Menschen mit Behinderungen gerade jetzt wichtig! Die Frage nach der Inklusion von Menschen mit Behinderungen muss immer wieder an nationale, regionale und internationale, politische Gremien gestellt werden. Das ist essenziell, um immer wieder an die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu erinnern.
- Ethische Richtlinien in der medizinischen Versorgung werden nicht überall eingehalten. Auch der Zugang zum Gesundheitssystem ist in vielen Ländern für Menschen mit Behinderungen nicht gegeben, genauso wenig wie der barrierefreie Zugang zu Gesundheitsinformationen. Dies muss schnellstens geändert werden.
- Daten zu Menschen mit Behinderungen in der Krise sollten von den Nationalstaaten erhoben werden und best practice Beispiele untereinander geteilt werden
- Die Nationalstaaten müssen neue oder inklusivere „social-protection-schemes“ also Sozialschutz-Systeme schaffen, so dass auch Menschen mit Behinderungen abgesichert sind
- Ziel ist es eine UN/WHO Notfall Arbeitsgruppe für Menschen mit Behinderungen in der COVID-19 Krise und deren Folgen zu etablieren