25.11. Veranstaltung der EU-Kommission anlässlich des internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen: „Towards a Gender Equal World“
Zusammengefasst und übersetzt von Gudrun Eigelsreiter
Mehr Informationen unter: https://ec.europa.eu/international-partnerships/events/high-level-event-towards-gender-equal-world_de
Die gesamte EU-Kommission hat sich unter der Präsidentschaft von Ursula von der Leyen zum Kampf gegen Gewalt an Frauen verpflichtet. Dazu gehört auch Bewusstseinsbildung und Präventionsarbeit, also daran zu arbeiten, dass es erst gar nicht zu geschlechtsspezifischer Gewalt kommt. Dafür ist es wichtig die Gleichstellung von Frauen und Männern aktiv voranzubringen.
Die neue EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025, die „Gender Equality Strategy“ möchte dies durch einen zweigleisigen Ansatz in den nächsten 5 Jahren entscheidend vorantreiben: (1) zentrale Maßnahmen zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter und (2) stärkere Einbeziehung der Geschlechterperspektive in alle Politikbereiche und wichtigen Initiativen der EU folgen.
Durch die spezifischen politischen Maßnahmen handelt es sich bei den Inhalten dieser Strategie nicht nur um Visionen, sondern auch um konkrete Handlungsaufforderungen. „Mit der Strategie kommt die EU zudem ihren Verpflichtungen aus dem VN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach. (…) Frauen mit gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen erfahren häufiger verschiedene Formen von Gewalt.“[1] Auch die intersektionale Diskriminierung und Gewalt, von der Frauen mit Behinderungen sehr oft betroffen sind, werden in dieser Strategie aktiv angesprochen: „Die Überschneidungen zwischen Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und aus anderen Gründen werden in allen Politikbereichen der EU behandelt. Frauen sind eine heterogene Gruppe und können aufgrund verschiedener persönlicher Merkmale intersektioneller Diskriminierung ausgesetzt sein. So kann beispielsweise eine Migrantin mit einer Behinderung aus drei oder mehr Gründen diskriminiert werden.“[2]
Frauen ohne und mit Behinderungen müssen vermehrt in verantwortungsvolle Positionen, um „change-makers“ zu sein, um also Veränderungen herbei führen zu können. Denn die Ungleichbehandlung von Frauen und Männer hat viel damit zu tun, dass unter den Entscheidungsträgern – sei es auf wirtschaftlicher oder politischer Ebene – kaum Frauen vorzufinden sind. Hierbei müssen die Institutionen der EU mit gutem Beispiel vorangehen. Die Strategie sieht verpflichtend vor, dass die Kommission die Gleichheitsperspektiven in alle Politikbereiche der EU einbezieht. (Mehr Infos zur Gender Equality Strategy gibt es hier: https://ec.europa.eu/info/policies/justice-and-fundamental-rights/gender-equality/gender-equality-strategy_de )
Panel: „Youth as drivers of change“ – Junge Menschen als Antriebskräfte von Veränderung
In dieser Sitzung diskutierten 5 junge Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt darüber, wie man die Geschlechtergleichstellung vorantreiben kann. Einig sind sich alle darin, dass es männliche Verbündete braucht, da die Gleichstellung alle angeht, Frauen und Männer: „gender equality is everybodies agenda“. Außerdem muss diese Entwicklung inklusiv für alle Menschen sein, natürlich auch für Menschen mit Behinderungen.
Dazu muss man auch bei den gesellschaftlichen Strukturen ansetzen, es braucht eine Veränderung unserer „Geschlechterkultur““ – wie wird mit Frauen umgegangen, wie mit Männern? Was wird ihnen zugetraut und was eben nicht und woran liegt das? Außerdem ist es von großer Bedeutung, um Frauen und Mädchen mit und ohne Behinderungen vor Gewalt zu schützen, auch intensiv mit Männern und Burschen zu arbeiten und ihnen ein positives Frauenbild zu vermitteln, da über 95% der Gewalttäter männlich sind.
Auch das Thema digitale Gewalt wurde aufgeworfen. Alle Diskussionsteilnehmer*innen berichteten davon, dass die Gewalt Frauen und Mädchen gegenüber in sozialen Medien und im digitalen Bereich zunimmt und diese führt teilweise auch zu tatsächlicher Gewalt. Alle waren sich einig, dass die Medien (TV, Streaming-Anbieter) und die sozialen Medien ihre Verantwortung besser übernehmen müssten und Gewalt (gewaltvolle, herabwürdigende Kommentare, Bezeichnungen, Drohungen gegen Frauen und Mädchen) keine Plattform bieten dürfen.
„If you educate a girl, you educate a country“ (Wenn du ein Mädchen bildest, bildest du ein Land): Alle sehen im Zugang zu Bildung eine der größten Chancen für eine positive Veränderung, denn nach wie vor haben rund 130 Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu Bildung – dh. jede 3.Frau weltweit. Frauen und Mädchen das Recht auf Bildung zu ermöglichen ist eine der wichtigsten Aufgaben für die nächste Zeit. Auch um die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt massiv zu fördern, denn finanzielle Abhängigkeit von Partnern befördert Gewalt.
Auch die COVID-19 Krise wurde thematisiert, da sie weltweit zu Rückschlägen in der Gleichstellung der Geschlechter geführt hat. Es gibt Schätzungen, dass es noch mindestens 60 Jahre dauern wird, bis Frauen mit Männern tatsächlich gleichgestellt sind.
Panel: Empowerment of women through digitalisation – Empowerment von Frauen durch Digitalisierung
Auch die Digitalisierung ist Teil der EU Gender Equality Strategy und das hat einen triftigen Grund, denn es existiert ein „digital divide“ also eine digitale Kluft. Nicht nur zwischen den sogenannten entwickelten Ländern und dem globalen Süden, sondern auch zwischen Männern und Frauen. „Who codes matters“ – es spielt eine Rolle WER programmiert: im IT-Sektor arbeiten kaum Frauen, nur 6% der Software-Entwickler sind Frauen. Aber es spielt eine Rolle, wer Software und Algorithmen programmiert, denn diese Algorithmen enthalten dann auch (meist ungewollt) die Ansichten und Lebensrealitäten von diesen Software-Entwicklern – und das sind zum überwiegenden Teil weiße Männer ohne Behinderungen. In der EU, der USA und in einigen anderen Staaten der Welt beginnt sich diese Männerdomäne langsam, für mehr Frauen, für Menschen mit Behinderungen und anderen Hautfarben als weiß zu öffnen. Diversität wird hier immer mehr als Chance gesehen. In anderen Teilen der Welt haben Frauen mit und ohne Behinderungen hingegen nicht einmal einen Zugang zum Internet, da dies nur Männern vorbehalten ist.
Es müssen schon junge Frauen motiviert werden ihre Berufsausbildung im IT-Bereich zu wählen. Dies passiert nach wie vor, auch in der EU zu wenig und hat viele Gründe. Eine der Teilnehmerinnen aus Finnland merkt dazu an, dass Mädchen sehr viel kritischer mit sich und ihren Fähigkeiten sind als Burschen. Das äußert sich dann auch darin, dass Mädchen sich weniger zutrauen. Hier muss angesetzt werden, wenn es darum geht die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen, auch im IT-Bereich. Dieser Mangel an weiblichen Vorbildern in der IT-Branche sind für Mädchen problematisch: „you can´t be, what you can´t see“ – du kannst nicht sein, was du nicht siehst. Es braucht also dringend Empowerment von Frauen und Mädchen, damit sie Teil der STEM[3]-Wirtschaft werden. Aber auch auf dem generellen Arbeitsmarkt sind immer mehr digitale Fähigkeiten gefragt.
Ein großer thematischer Punkt war auch geschlechtsspezifische „Cyber-Gewalt“ – also verbale Gewalt und Drohungen gegen Frauen im Internet, da diese stark im Zunehmen begriffen ist. Hier müssen Soziale Medien und Plattformbetreiber ihre Verantwortung übernehmen und jedwede Form von verbaler Gewalt unterbinden, denn das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Frauen und Mädchen zu sexualisieren, zu herabwürdigen, ihnen mit Vergewaltigungen usw. zu drohen muss sanktioniert werden.
Dabei hätte die Digitalisierung das Potential zur Förderung der Menschenrechte beizutragen und beispielsweise den Zugang zu Informationen (beispielsweise in den Bereichen Gesundheit und Hilfe bei Gewalt) und zu Bildung zu ermöglichen. Das Ziel der politisch Verantwortlichen muss es sein, an einem für alle sicheren, barrierefrei zugänglichen und inklusiven digitalen Raum zu arbeiten.
[1] Vgl. Gender Equality Strategy: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0152&from=DE S.3ff.
[2] Vgl. ebenda S.19
[3] STEM steht für Science, Technology, Engineering, Mathematics – also für Wissenschaft, Technology, Ingenieurswesen und Mathematik.