Von Gudrun Eigelsreiter
Weltweit werden Menschen mit Behinderungen Opfer von Hasskriminalität. Hassreden und Hassverbrechen gegenüber Menschen mit Behinderungen sind allgegenwärtig, auch in Österreich. Für die Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen wird der Begriff „Ableismus“ verwendet.
Vor kurzem wurden in Potsdam fünf Menschen mit Behinderungen, in einem Wohnheim von einer Pflegekraft angegriffen. Vier Menschen sind gestorben, eine Frau hat schwer verletzt überlebt. Diese Morde haben den Hass auf Menschen mit Behinderungen wieder ganz klar vor Augen geführt. (https://dieneuenorm.de/gesellschaft/vier-menschen-sind-tot-der-ableismus-lebt/)
In einem von der EU geförderten Projekt zu „systematischer Erfassung diskriminierender Motivlagen“ möchte das BMI (Innenministerium), die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, besser erheben. Also ergründen, warum Personen angegriffen wurden, warum sie Opfer von Hasskriminalität wurden. Diese Daten sollen nicht nur nach Merkmalen wie Geschlecht und Alter aufgeschlüsselt werden, sondern auch nach Behinderung.
Diese statistische Erfassung kann nur ein erster Schritt sein, um Hassrede und Hassverbrechen gegenüber Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen. Es herrscht hier starker politischer Handlungsbedarf. Auch das Europäische Behindertenforum (EDF) hat zu diesem Thema ein Positionspapier erstellt und lobbyiert auf europäische Ebene dafür, dass Hass gegenüber einer Person, aufgrund deren Behinderungen, deren Geschlecht, Alter oder sexuellen Orientierung in der EU-Gesetzgebung adäquat abgedeckt wird.
EDF: „Die EU muss Hasskriminalität und Hassrede gegenüber Menschen mit Behinderungen bekämpfen“ (Englisches Original unter: https://www.edf-feph.org/the-eu-must-combat-disability-hate-speech-and-hate-crime/. Übersetzung und Zusammenfassung: Gudrun Eigelsreiter)
Ähnlich wie bei anderen diskriminierten Personen besteht innerhalb der EU für Menschen mit Behinderungen ein höheres Risiko, Opfer von Hassreden und Hassverbrechen zu werden. Im Allgemeinen sind Menschen mit Behinderungen, einschließlich Frauen mit Behinderungen, sowie Menschen mit geistigen und psychosozialen Behinderungen einem höheren Risiko von Belästigung, Gewalt und Kriminalität ausgesetzt, auch innerhalb der digitalen Welt. Jüngste Daten, die von der EU-Agentur für Grundrechte veröffentlicht wurden, haben ergeben, dass 50% der Menschen mit Behinderungen über einen Zeitraum von 5 Jahren belästigt wurden (im Vergleich zu 37% der Menschen ohne Behinderungen).
Behinderungsbedingte Hassreden und Hassverbrechen werden jedoch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten und im EU-Recht als solche anerkannt und sanktioniert. In der derzeitigen EU-Gesetzgebung zu Hassreden und Hassverbrechen werden Gründe wie Hass aufgrund der Behinderung, dem Alter, dem Geschlecht, der sexuellen Orientierung nicht abgedeckt. Die Europäische Kommission führte zwei Konsultationen zu diesem Thema durch, um Hassreden und Hassverbrechen in die Liste der EU-Verbrechen aufzunehmen und neue Gründe aufzunehmen:
- Eine gezielte Konsultation in Form eines Fragebogens, in dem Informationen von EU-Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene eingeholt werden
- Eine allgemeine Konsultation zur Roadmap-Initiative
Das EDF hat ein Positionspapier mit Hintergrundinformationen und Empfehlungen eingereicht. Wir empfehlen der EU:
- Einbeziehung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen:
- in Planung, Entwicklung, Umsetzung und Überwachung von Initiativen zur Bekämpfung von Hassreden und Hassverbrechen
- Bei der Konzeption, Bereitstellung und Überwachung von Unterstützungsdiensten für Opfer
- Erweiterung der Liste der EU-Verbrechen, damit auch Hassreden, Hassverbrechen aufgrund von Behinderung, Alter und Geschlecht abgedeckt werden (gemäß der Liste der Diskriminierungsgründe Artikel 19 TEFU – Treaty of the European Union).
- Sicherstellung von Mindestregeln für die Definition von Straftaten und Sanktionen in den Bereichen Hassreden und Hassverbrechen und Berücksichtigung der Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich des digitalen Bereichs und berücksichtigen.
- Maßnahmen zur Verbesserung der Rechte von Opfern mit Behinderungen ergreifen, einschließlich der Sicherstellung, dass sie die Straftat oder das Verbrechen den nationalen Behörden angemessen melden können (Empfehlungen des EEF zur EU-Strategie für die Rechte der Opfer 2020-2024), dass sie zugänglich sind und inklusive Unterstützung gegeben ist. Eine Ausweitung der Berichterstattungsmechanismen von Dritten könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden.
- Unterstützung der Schaffung von obligatorischen Schulungen zu Behindertenrechten für alle Beamten der Strafverfolgungs- und Strafjustizsysteme durch die Mitgliedstaaten.
- Sammeln von Daten zu Hassreden und Hassverbrechen, auch in Online-Umgebungen, aufgeschlüsselt nach Motivation (einschließlich Behinderungs-BIAS) sowie Behinderung, Geschlecht und Alter der Opfer.