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Inklusive Digitalisierung
Am 16. und 17. September 2021 fand die jährliche Konferenz des Österreichischen Behindertenrates im Catamaran des ÖGB statt. Expert*innen in eigener Sache, Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen von Mitgliedsorganisationen stellten sich dem Thema Digitalisierung in Bezug auf das Leben mit Behinderungen. Ziel der Konferenz war es, Fortschritte aufzuzeigen, Herausforderungen zu diskutieren und Zukunftsvisionen zu erarbeiten. In Panels und Sessions gab es die Möglichkeit, sich auszutauschen und sich auf dem gemeinsamen Weg in Richtung Digitalisierung zu unterstützen.
Start in die Konferenz
Durch die Veranstaltung führte Miriam Labus. Margarete Schramböck (Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), Korinna Schumann (ÖGB-Vizepräsidentin und Gastgeberin) und Michael Svoboda (Präsident des Österreichischen Behindertenrates) eröffneten die Konferenz. Martin Kocher (Bundesminister für Arbeit) und Wolfgang Mückstein (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) sendeten ihre Eröffnungsworte per Videostatement. In der Keynote von Accessibility Experte Shadi Abu-Zahra wurde aufgezeigt, dass sich gerade Menschen mit Behinderungen mit der Digitalisierung auseinandersetzen müssen.
Panel 1 Ethik und Partizipation in der digitalen Welt
Unter der Moderation von Miriam Labus diskutierten Brigitte Heller (Verein Lichterkette), Katrin Langensiepen (Europäisches Parlament), Andreas Zehetner (Österreichischer Behindertenrat), Christine Steger (Unabhängiger Monitoringausschuss) und Klaus Miesenberger (JKU integriert studieren). Ein großes Problem ist die Unsichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen, es ist in Europa leicht als Mensch mit Behinderungen „undercover“ zu leben. Deshalb sind Grundbedürfnisse und Grundrechte von Menschen mit Behinderungen noch immer keine Selbstverständlichkeit, die allen nützen. Sie werden als Extra-Maßnahme, als Luxusproblem, wahrgenommen. Diese Unsichtbarkeit hat immer noch zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen in den meisten Entwicklungen von technischen Produkten und digitalen Angeboten (sowie in der analogen Welt) nicht einbezogen werden. Wenn Menschen mit Behinderungen doch in Prozesse inkludiert sind, dann handelt es sich meistens nicht um diverse Expert*innen Vom Team des Österreichischen Behindertenrates in eigener Sache, sondern ein „Behinderter“ soll ehrenamtlich und unbezahlt für die gesamte Gruppe in ihrer Heterogenität sprechen. So werden z.B.: Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen in Institutionen oder Menschen, die keinen Zugang zu Medienbildung erhalten haben, oft überhaupt nicht als Zielgruppe mitgedacht.
Das Panel fordert für die Zukunft:
- mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen
- Sensibilisierung für die Vielfältigkeit der Gruppe von Menschen mit Behinderungen
- gesetzliche Normen, die diese Vielfältigkeit wahrnehmen und unterstützen
- Umsetzung gesetzlich festgelegter Selbstbestimmungsrechte
- inklusive Entwicklungsprozesse, in denen Expert*innen in eigener Sache bezahlt werden
- Recht auf digitale Bildung schon in der Schule und geförderte, niederschwellige Aus- und Weiterbildungsangebote zur Nutzung von digitalen Medien für Menschen mit Behinderungen, aber auch für Assistent* innen, Begleiter*innen und Familienangehörige
- finanzielle Förderung bei der Anschaffung von Endgeräten
- verpflichtende Ausbildungsinhalte zu Medienbildung, Digitalisierung, Barrierefreiheit und assistiven Technologien in Ausbildungen (z.B.: Lehrer*innen, Informatiker*innen)
Panel 2 Arbeit in der digitalen Welt
Markus Neuherz (Lebenshilfe) moderierte das 2. Panel und diskutierte mit Julia Moser (myAbility), Martin Morandell (Smart in Life) und Korinna Schuhmann (ÖGB). Mit einem Videoinput von Jasna Puskaric (WAG-Assistenzgenossenschaft) startete die Diskussion. Wenn man über Inklusion in der Arbeitswelt spricht, stellen sich heute noch Probleme, die sich vor 20 Jahren gestellt haben. Alle Panelist*innen sehen die Ursache dafür darin, dass unser Bildungssystem weiterhin noch nicht inklusiv gestaltet ist. Viele Arbeitgeber*innen waren noch nie mit Menschen mit Behinderungen in Kontakt und deshalb werden weiterhin Vorurteile bedient. Man ist sich einig, dass neue Bilder von Menschen mit Behinderungen geprägt werden müssen. Digitalisierung verschiebt die Grenzen von Privatleben und Arbeitswelt und es wird zur Gratwanderung. Die Inklusion vor Ort muss vorangetrieben werden und die Digitalisierung im Home-Office muss inklusiv gestaltet werden. Jede*r Nutzer*in soll die Chancen bekommen, selbst zu entscheiden, in welchem Ausmaß technische Errungenschaften ins Leben geholt werden. Individuelle Grenzen müssen respektiert werden. Die Angebote müssen aber für alle so gestaltet sein, dass jede*r diese Wahl auch selbstbestimmt treffen kann.
Algorithmen und Bias
Allgemein werden Algorithmen sehr negativ dargestellt. Im Grunde handelt es sich aber nur um Programme, die gelernt haben, etwas zu tun, was der Mensch ihnen beigebracht hat. Hier muss man sich wiederholt bewusst machen, dass jeder Programmiervorgang durch einen Bias – also Meinungen und Vorurteilen – beeinflusst wird. Menschen mit Behinderungen, Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund müssen in Zukunft vor solchen Vorurteilen geschützt werden. Die Kriterien für Programme müssen bei Ausschreibungen so gestaltet werden, dass sie nicht diskriminieren. Die Diskutant*innen formulierten Forderungen: • Inklusive Bildung – beginnend vom Kindergarten bis ins Erwachsenenalter In Panel 2 erläuterten die Expert*innen Chancen aber auch Probleme der Digitalisierung Petra Plicka fasst die Inhalte in Leichter Sprache zusammen.
Foglende Forderungen wurden gestellt:
- Aufbrechen von Stereotypen – nicht jede Diagnose ist eine Prognose
- Barrierefreiheit und inklusive Teams als Kriterium für Förderungen von Angeboten und Programmen
- partizipative Entwicklungsprozesse
- bundeseinheitliche Gestaltung von Persönlicher Assistenz
- keine Unterscheidung mehr zwischen Persönlicher Assistenz im Privaten und am Arbeitsplatz
- kein Entscheiden mehr zwischen technischen Hilfsmitteln und analoger, menschlicher Unterstützung – beides muss gleichberechtigt gefördert werden
- niederschwellige digitale Aus- und Weiterbildungsangebote für Kinder und Erwachsene
Panel 3 Künstliche Intelligenz (KI) und Internet of Things (IoT)
Die inhaltliche Gestaltung dieses Panel übernahm die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen. Klaus Höckner (HG) moderierte die Diskussion. Victor Calise (New York City Mayor’s Office for People with Disabilities), Nina Cummins (Facebook), und James Thurston (G3ict, Smart Cities Initiative) schickten eine Videobotschaft. Persönlich nahmen Nikola Tanjga (Semantic Competence Center, ELGA GmbH) und Bernhard Wally (Rat für Forschung und Technologieentwicklung) an der Diskussion teil. Rolf Feichtenbeiner (Educational Technology Lab, KI-I) wurde von Deutschland aus zugeschalten. Bei KI lernt ein System durch viele Daten Inhalte zu interpretieren und Vorhersagen zu tätigen. Internet of Things bedeutet, dass Dinge wie z.B.: Haushaltsgeräte oder Autos Zugang zum Internet bekommen und die Nutzenden dadurch das System bedienen können. Das ist die Zukunft und für manche schon Realität. Barrierefrei werden diese Systeme jedoch nur, wenn sie von Anfang an barrierefrei konzipiert werden. Es braucht dafür die Expertise von Menschen mit Behinderungen.
Vertiefende Sessions
Im Rahmen der Konferenz wurden acht Sessions in zwei Blöcken abgehalten. Zwei davon wurden online gestreamt. Die Online-Teilnehmer*innen konnten via Zoom in direkten Austausch gehen.
Partizipative Gestaltung von technischen Innovationen
Emil Benesch (Behindertenrat) / Susanne Buchner-Sabathy (Expertin für digitale Barrierefreiheit)
„Dienstleistungen, Produkte, technische Innovationen lassen oft zu wünschen übrig. Sie sind für viele Menschen mit Behinderungen schwer zu bedienen oder einfach nicht verwendbar. Angesichts jeder mangelhaften Entwicklung stellt sich die Frage, ob es nicht möglich gewesen wäre, ein für alle verwendbares Produkt zu schaffen. Ganz einfach durch die Einbindung der Nutzer*innen.“
Eigene Erfahrungen
Nach dieser Einleitung sind die Teilnehmer*innen der Session eingeladen ihre Erfahrungen zu teilen. Die erste Wortmeldung spricht die mangelhafte Barrierefreiheit von Neuentwicklungen während der Corona Pandemie an: Die aktuelle App zu „Alles gurgelt“ – ein PCR Gurgel Test in Wien – ist für blinde Menschen nicht selbständig verwendbar. Eine andere Teilnehmerin berichtet, dass es ihr nicht gelungen ist eine online Fahrplanauskunft zu einer Zugsverbindung in einem Mail weiterzuleiten. Die Person hat Selbstzweifel und fragt: „War das mein Fehler?“ Nein, ist sich Workshopleiterin Susanne Buchner-Sabathy sicher und sieht die Verantwortung bei den Entwicklern und Anbietern. Es benötigt leichte Sprache, einfache Handhabbarkeit und eine Kontrolle bevor etwas online gestellt wird. Auch die Vorstellung mancher Verantwortlicher „Barrierefreiheit nach Maßgabe der Ressourcen“ zu schaffen wird angesprochen. Mit einer solchen Aussage wird der Anschein erweckt Barrierefreiheit wäre teuer, um damit ein Werkzeug zu haben Barrierefreiheit jederzeit mit dem Kostenargument verhindern zu können.
Vom Trägerverein einer Behinderteneinrichtung wird berichtet, dass es in der Pandemie den Wunsch nach Treffen und Austausch gab, aber oft keine Möglichkeit dazu. Erschwerend kommt dazu, dass Menschen in Einrichtungen keine Alternativen haben. Sie haben keine Geräte, keine Smartphones oder Computer, um digital zu kommunizieren. So wurde in der Behinderteneinrichtung der Ankauf von Geräten organisiert und gemeinsam mit den Bewohner*innen der Behinderteneinrichtung die Nutzung erarbeitet. Überraschend große Hürden ergaben sich durch Datenschutzvorgaben: “FB Messenger, Facebook Dienste dürfen wir als Datenschutzgründen nicht nutzen.“ Es war schwer, barrierefreie Angebote für die Gruppe der Menschen mit Lernschwierigkeiten zu finden.
Faktoren für barrierefreie und inklusive Lösungen
In der Session wurden folgende Aspekte angesprochen: Barrierefreiheit muss im Planungsprozess ein Thema sein und bei Planungen früh Beachtung finden. Dazu wäre es notwendig Menschen mit Behinderungen einfach selbstverständlich in die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen einzubinden. Das ist in weiten Bereichen noch nicht der Fall. Als wichtig angesehen wird eine „kontinuierliche Partizipation“. Es gilt sich auf Benutzer*innen zu konzentrieren und Benutzer*innen zu involvieren. Und: Wir „brauchen nicht nur eine Zielgruppe, sondern viele“. Alles in allem braucht es derzeit noch einen sehr „langen Atem“.
Was es braucht, damit sich Menschen mit Behinderungen gut einbringen können
Erstens eine gesetzliche Grundlage, die die barrierefreie Gestaltung und Einbindung sicherstellt. Der Wunsch wäre: Das Bundesministerium gibt die verpflichtende Einbindung der Nutzer*innen vor.
Derzeit sind jedoch bereits die Entwicklungen der Ministerien selbst nicht barrierefrei. So war beispielsweise das oesterreichtestet.at Portal mit Screenreader nicht verwendbar. Und auch die Webseite des Österreichischen Parlaments, wo man Petitionen unterstützen kann, ist nicht barrierefrei. Diskriminierung auf höchster Ebene wird als schlechtes Signal und kontraproduktiv angesehen.
Ein Teilnehmer meinte man „müsste wissen, wo was passiert. Es bräuchte eine Info-Plattform. Damit man sich frühzeitig beteiligen kann und „nicht immer hinterher intervenieren muss.“ In diesem Sinne wird der Wunsch geäußert einer „Meldung von Ministerien an die Community, wenn etwas entwickelt wird.“ Dabei muss die Expertise von Menschen mit Behinderungen etwas wert sein. „Es ist wichtig die Leistung von Menschen mit Behinderungen zu bezahlen.“
Es wird als wichtig erachtet „an Schulen heranzutreten“. Einerseits über den Lehrplan und andererseits über die Schaffung einer inklusiven Schule.“ Auch als wichtig angesehen wird die verstärkte Verankerung der Barrierefreiheit in Unternehmen.
Nicht zuletzt wird eine „Begegnung auf Augenhöhe“ erwartet, bei Beteiligungsprozessen unter Projektpartnern.
Digitales Amt
Barrierefreiheit im Digitalen Amt
Von Stefanie Lagger-Zach
Johannes Rund (Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) und Markus Meyer (Digitalberatung) leiteten die Session „Barrierefreiheit im Digitalen Amt“. Bereits zu Anfang baten die Vortragenden um Anmerkungen und Kritik, da Menschen mit Behinderungen bei der Entwicklung nicht einbezogen wurden und man es bei der Weiterentwicklung besser machen will.
Das Projekt oesterreich.gv.at und die App „Digitales Amt“ wurden vorgestellt. Dort sind alle Informationen, die zuerst auf help.gv.at, ris.gv.at, usp.gv.at und data.gv.at verteilt waren, auffindbar. Mit der Handysignatur oder der neuen ID-Austria-App können Behördenwege, wie die Anmeldung an einer neuen Adresse, online erledigt werden. Bei 800.000 Wohnsitzänderungen pro Jahr ist dies eine große Erleichterung für Kund*innen und Behörden. Auch auf den geplanten Zugriff auf persönliche Ausweisdaten (z.B. „Digitaler Führerschein“) wurde eingegangen. Das Publikum warf ein, dass für die Signatur nicht barrierefreie Authentifizierungsarten notwendig sind. So können etwa Menschen mit Lähmungen die Gesichtserkennung und Rollstuhlnutzer*innen die Touch-ID wegen dem Abrieb an den Händen schwer bis gar nicht nutzen. In der Diskussion wurden auf die Möglichkeit der Identifikation über SMS eingegangen.
Herr Meyer führte die Anwendung der App „Digitales Amt“ von vor. Er demonstrierte mit dem Handy eine Wohnortänderung. Die Bedienbarkeit der App für Menschen mit Behinderung wurde in einer weiteren konstruktiven Diskussionsrunde angesprochen. Herr Rund und Herr Meyer nahmen die konstruktiven Kritikpunkte offen und bereitwillig auf und betonten, dass Kritik und Feedback wesentlich für die Weiterentwicklung und sehr willkommen seien.
ONLINE: Die große Hoffnung der innovativen, digitalen und assistiven Hilfsmittel
David Hofer (LIFEtool) / Christoph Veigl (FH Technikum Wien) Es wurde gezeigt, wie Digitalisierung zum Nutzen von Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden kann. Diese Session wurde auf dem Youtube– und Facebook-Kanal des Österreichischen Behindertenrates veröffentlicht und kann hier nachgesehen werden:
Wie nutzen wir als Organisation von und für Menschen mit Behinderungen die Digitalisierung bestmöglich?
Kerstin Huber-Eibl (Multiple Sklerose Gesellschaft Wien, ÖMSG) / Daniela Rammel (ÖZIV Bundesverband): Aufgrund unterschiedlicher Zielgruppen, Organisationsgrößen und Finanzierungskonzepten stehen viele vor der Herausforderung, die „richtigen“ Prioritäten bei der Nutzung von digitalen Medien zu setzen. Der Ruf nach mehr Vernetzung zwischen Organisationen, Wissenschaft und Anwender*innen und einem Kompetenzteam „Digitalisierung“, organisiert vom Österreichischen Behindertenrat, wurde laut.
Präsentation: Digitalisierung_Organisationen.PDF
ONLINE: Online-Aktivismus zum Thema Behinderung. Wie mache ich mich sichtbar und wozu ist das gut?
Bianca Schönhofer (instagram.com/bianca_rosemarie) / Andrea Strohriegl (instagram.com/rea.strawhill) Die zwei Social Media Expert*innen ermöglichten einen Einblick in die Welt von Instagram und Co. Dieser Vortrag steht ebenfalls hier online zur Verfügung:
Präsentation: Online-Aktivismus_Thema Behinderung.PDF
Hate Crime, Mobbing und Ableismus im Internet – was tun?
Von Christina Meierschitz
Frau Mag.a Sophie Haidinger ist Beraterin des Vereins ZARA, eine Beratungsstelle #GegenHassimNetz, sowie für Betroffene und Zeug*innen von Rassismus.
Was ist Hass im Netz? Es handelt sich dabei um hasserfüllte Inhalte, die sich gegen Einzelpersonen oder Gruppen richten. Sie beziehen sich auf Vorurteile gegen eine Behinderung, die ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Religion oder das Alter.
Hate Crime: Das sind Straftaten, die aufgrund von den oben genannten Vorurteilen begangen werden. Menschen mit Behinderungen werden weltweit Opfer und sind häufiger von Hate Crime betroffen.
Häufige Tatbestände und Rechtliche Folgen: Hate Crime äußert sich häufig in Beleidigungen, gefährliche Drohungen, Cybermobbing und -stalking, Verleumdung, üble Nachrede usw. Es gibt strafrechtliche, zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Folgen.
Wie kann man sich wehren? Man kann z.B. auf Facebook einen Beitrag melden. Wichtig ist, einen Screenshot als Beweis anfertigen. Strafrechtlich relevante Postings müssen binnen 24 Std. gelöscht werden. Bei ZARA kann man kostenlose Beratung und Unterstützung erhalten sowie seit 2021 auch Prozessbegleitung.
Präsentation: Hate Crime Mobbing und Ableismus im Internet.PDF
Digital Literacy – Wie lernen wir Menschen mit Behinderungen gut mit der Online-Welt umzugehen?
Kurt Feldhofer (Lebenshilfen Soziale Dienste) / Martina Kalcher (Kirchliche pädagogische Hochschule Graz) Das Menschenrechtsbüro der Lebenshilfe wurde vorgestellt und Mitarbeitende zugeschalten. Die Studie „Die Nutzung digitaler Medien von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Behindertenhilfe“ wurde erläutert. Es entstand eine lebhafte Diskussion darüber, wie man besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten in den Prozess der Digitalisierung einbinden kann. Was fehlt, sind niederschwellige Zugänge sowie Unterstützung sowohl von Betreuungspersonal und Familie als auch von Peers.
e-Health und Digitale Services der Sozialversicherung
Von Emil Benesch
Barbara Krippl (Dachverband der Sozialversicherungen) und Michael Bauer (Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H. – SVC)
Die Vortragenden beginnen die Session mit allgemeinen Infos zur Sozialversicherung. Es wird erläutert, dass bei der SV immer alle Entscheidungen zwischen Bund, Ländern und SV abgestimmt werden. Dieser Abstimmungsbedarf „benötigt oft Zeit“.
Teilnehmer*innen melden sich früh zu Wort und beschreiben, was Behandlungen für Menschen mit Behinderungen sehr teuer macht: „Ergo- und Physiotherapie gibt es nicht auf Krankenschein.“ (Dies wurde mit Anfang 2022 bereits angepasst)
Frau Krippl stellt in der Folge das neue Konzept Ärztezentrum vor. Hier wird fächerübergreifend zwischen 3-5 unterschiedlichen Therapeuten, darüber hinaus Assistenzen und Pflegekräften und Ärzten zusammengearbeitet. Im Ärztezentrum wird neu definiert, wie die Zusammenarbeit organisiert wird.
Ärzte verbringen bisher 20 bis 30 % ihrer Zeit mit administrativen Tätigkeiten und Unterstützung bei Organisatorischem. In Ärztezentren werden diese Tätigkeiten nun von anderen übernommen. Für die eigentliche ärztliche Tätigkeit bleibt dadurch mehr Zeit. Die Primärversorgungseinheiten haben alle Kassen. Infos zu Primärversorgungseinheiten finden sich auf der Webseite: sv-primaerversorgung.at Frau Krippl erläutert: „Primärversorgungszentren müssen alle barrierefrei sein.“ Welche Standards für Barrierefreiheit Ärztezentren konkret erfüllen, bleibt in der Session offen.
Wie wichtig die Sicherstellung der Barrierefreiheit wäre, erläutert eine Teilnehmerin, die einen Rollstuhl nutzt: „Ich habe 6 Monate lang einen Hausarzt Arzt gesucht, der barrierefrei ist. Alle der im Laufe der 6 Monate kontaktierten Hausärzte mit barrierefreien Ordinationen hatten keine Kapazitäten mehr.“ Neben einer höheren Anzahl an barrierefreien Arztpraxen wünschen sich Teilnehmer*innen der Session nachvollziehbare Standards der Barrierefreiheit und eine bessere Suchmöglichkeit nach barrierefreien Arztpraxen.
Die elektronische Sozialversicherung
Michael Bauer von der Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H. – SVC stellt sich als „technischer Dienstleister“ vor, tätig in den folgenden 3 Arbeitsfeldern
- E-Card
- Elga
- Online Services
Seit den Anfängen ist der „möglichst barrierefreie Zugang“ im Fokus. Viele Entwicklungsteams arbeiten auf der Plattform. Es besteht eine hohe Notwendigkeit Standards vorzugeben. Darüber hinaus sagt Herr Bauer sind wir „mit unterschiedlichen Interpretationen der Tests konfrontiert“ und auch „die Nutzer*innen selbst haben unterschiedliche Tools zur Verfügung“. Zum Aufgabenbereich zählen 50 Webauftritte, 100 online Services und die mobile App von MeineSV. Die Anwendungen werden von 6 verschiedenen Entwicklerteams der SV und einem mobilen App Team erstellt.
Eine Teilnehmer*in berichtet von der Benutzerunfreundlichkeit von ELGA und der Schwierigkeit zu der Vollmacht zu kommen. Personen aus dem Bereich Erwachsenenschutzvertretung regen an: Es bräuchte ein zentrales Elternvertretungsregister. Herr Bauer erklärt: 100 Entwickler würden nach Vorgaben der SVC und nach einheitlichen Richtlinien, die in einem Entwicklerhandbuch festgehalten sind, vorgehen. 100 Redakteure würden Inhalte der rund 40 000 Content-Seiten pflegen. Checks der Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit erfolgen durch externe Testgruppen, organisiert von der Firma Wienfluß.
Teilnehmer*innen haben nachgefragt: Sind Personen mit psychischen Beeinträchtigungen als Testpersonen dabei? Und Menschen mit Lernschwierigkeiten? Wird Leichte Sprache berücksichtigt? Eine weitere Wortmeldung unterstreicht: „Wichtig für die Sicherstellung von Barrierefreiheit ist zu wissen … Behinderung ist nicht immer sichtbar. Auch Personen mit nicht sichtbaren Behinderungen benötigen Barrierefreiheit.“ Teilnehmer*innen bemängeln: „Barrierefreiheit ist bei der Webseite „Österreich testet“ und beim Projekt Gurgeltest daheim nicht gegeben.“ Zu ELGA wird ausgeführt: „Ich kann Dinge nicht nachtragen. So muss ich einen Test teuer nochmals machen.“ Eine grundsätzliche Kritik an Elga lautet: „Hier wird zu viel Info bereitgestellt und nicht verständlich genug.“ Ein Teilnehmer ersucht: „Bitte die Dinge so einfach wie möglich gestalten. Den Rat „wenn Sie sich nicht auskennen, wenden Sie sich an einen Verwandten, der ihnen helfen kann“ wird „als eine Frechheit“ empfunden.“ Es entsteht der Eindruck „für junge geht’s“ und „wir Alten und Menschen mit Behinderungen“ sind egal.
Herrr Bauer sieht im Vergleich zu anderen Webseiten gute Werte bzgl. der „Elektronischen Sozialversicherung-ESV“ und spricht von „Siteimprove 95.8 %“ im Bereich „Accessibility“. Also hohen Werten im Bereich Barrierefreiheit. Eine Teilnehmerin berichtet aus ihrer Praxis: „MeineSV nutze ich. Ich bin als Privatperson aber auch mit meinen Kundinnen im System, weil sie es alleine nicht schaffen.“ Z.B., wenn sie eine Bildbeschreibung brauchen. „Bei 5 von 10 Kästchen funktioniert das nicht.“ Die Erfahrung ist: „Für 1 Wahlarztrechnung eines Kunden braucht es ewig Zeit und schlussendlich ist doch ein Telefonat notwendig.“
Gefordert wird: „Es braucht für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit nicht deutscher Muttersprache und ältere Personen eine einfache Information. Auf einem A4 Blatt, mit der Info, was es braucht, um die Services nutzen zu können. Sonst sitzen die Menschen wieder bei mir in der Beratung.“ Für die Kommunikation mit Nutzer*innen steht das Online Panel gefragt.sozialversicherung.at/ zur Verfügung. Herr Bauer: „Es gibt einen Feedback Button auf den meisten Seiten. Rückmeldungen nehmen wir gerne entgegen.“
Alle einig sind sich darin, dass gerade in Pandemie Zeiten elektronische Barrierefreiheit zusätzliche Relevanz gewonnen hat. Menschen mit Behinderungen sollten aus gesundheitlichen Gründen Distanz halten bzw. zu Hause bleiben. Umso bedeutsamer ist die Möglichkeit der Nutzung für alle.
Die Session hat gezeigt, dass es einerseits große Anstrengungen seitens der SV zur Weiterentwicklung im Bereich Barrierefreiheit gibt. Andererseits besteht aus Sicht der Nutzer*innen noch vielfach Optimierungsbedarf. Ein weiterer verstärkter Austausch zwischen Sozialversicherung und Menschen mit Behinderungen wäre wünschenswert.
Barrierefreiheit
Die Inhalte auf der Bühne und in einzelnen Sessions wurden vom Team rund um Marietta Gravogl in Österreichische Gebärdensprache übersetzt. Schriftdolmetschung wurde von Gudrun Amtmann und ihrem Team angeboten. Nach jedem Panel und in einzelnen Sessions fasste Petra Plicka die Inhalte in Leichter Sprache zusammen und visualisierte sie. Durch die Komplexität des Themas Digitalisierung war dies für alle Konferenzteilnehmer*innen von großem Nutzen. Durch ein Flying Buffet der geschulten Mitarbeiter*innen von „Die Caterei“ war auch die Essensituation für alle so barrierearm wie möglich. Als weitere Barrierefreiheitsfaktoren unterstützten bei der Konferenz zwei Persönliche Assistentinnen, es gab einen ruhigen Rückzugsraum und die Pausengestaltung erfolgte großzügig.
Side Event UNIKATE
Am Abend des ersten Konferenztages fand die UNIKATE Preisverleihung statt. Was dort passiert ist, erfahren Sie in Ausgabe 4 des „monat“, und in diesem Artikel.
Fazit
Das Thema Digitalisierung beschäftigt alle Organisationen unabhängig von ihrer Größe und finanziellem Rahmen. Mit der Konferenz wurden der Wille und die Lust geweckt, an der inklusiven Digitalisierung mitzugestalten.
Fotos: Lukas Ilgner, Gudrun Eigelsreiter