Von Gudrun Eigelsreiter
Das „Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE)“ hat im Oktober 2021 seinen neuen „Gleichstellungsindex Bericht 2021“ veröffentlicht.
Wieso gibt es das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE)?
Das EIGE wurde 2010 mit dem Auftrag gegründet, die Geschlechtergleichstellung in der gesamten EU zu stärken und zu fördern. Das EIGE ermittelt Unterschiede zwischen Frauen und Männern und erheben und analysieren Daten zu geschlechtsspezifischen Ungleichheiten. Mit faktengestützten, praktischen Informationen unterstützen sie politische Entscheidungs*trägerinnen dabei, die Geschlechtergleichstellung in Europa zu fördern und das Leben von Frauen und Männern zu verbessern.
Welche Informationen gewinnt man durch den Gleichstellungsindex?
Der Gleichstellungsindex ist ein wichtiges Instrument für die Politikgestaltung – er misst die Fortschritte bei der Geschlechtergleichstellung in allen EU-Staaten in verschiedenen Bereichen (Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit) im Verlauf der Zeit. Der Großteil der statistischen Daten sind auch nach dem Merkmal Behinderung aufgeschlüsselt.
Bei diesem Index wird der EU selbst und den EU- Mitgliedstaaten jedes Jahr eine Punktebewertung zwischen 1 und 100 zugewiesen. Eine Bewertung von 100 Punkten würde bedeuten, dass ein Land vollkommene Geschlechtergleichstellung erreicht hätte. Beim derzeitigen Tempo wird es immer noch mindestens 60 Jahre dauern, bis die Gleichheit von Frauen und Männern in vollem Umfang erreicht sein wird. Aus unserem Gleichstellungsindex geht hervor, dass die EU zwar Verbesserungen aufweisen kann, die Fortschritte sich aber nur langsam vollziehen. Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gefährdet jedoch das weitere Vorankommen bei der Geschlechtergleichstellung.
Die EU erzielt im Jahr 2021 im Gleichstellungsindex 68 von 100 Punkten. Dies stellt nur eine geringfügige Steigerung zum letzten Bericht dar. (Mehr Infos findet man unter: https://eige.europa.eu/gender-equality-index/2021 )
Der aktuelle Gleichstellungsindex Bericht konzentriert sich auf das Thema Gesundheit
(Vgl. Bericht des EDFs, abrufbar unter: https://www.edf-feph.org/gender-equality-index-2021-what-does-it-say-on-disability/ )
- 7 % der Frauen und 6 % der Männer mit Behinderungen melden einen ungedeckten Bedarf an medizinischen Dienstleistungen in der EU.
- Das Niveau ist aber beispielsweise viel höher in Estland (29 % der Frauen und 23 % der Männer), Rumänien (25 % der Frauen und 23 % der Männer) und Griechenland (25 % der Frauen und 22 % der Männer).
- In Dänemark, Schweden, Ungarn, Bulgarien, den Niederlanden und Luxemburg geben in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen eher Männer als Frauen einen ungedeckten medizinischen Bedarf an.
- Der am häufigsten genannten Grund für ungedeckten Gesundheitsbedarf sind die hohen finanziellen Kosten.
- Frauen nennen eher die Finanzen als Hindernis für die Inanspruchnahme einer Gesundheitsversorgung, wobei 33 % der Frauen und 29 % der Männer angeben, dass sie sich diese nicht leisten können.
- Frauen und Männer mit Behinderungen und Frauen mit niedrigem Bildungsniveau haben häufiger als andere ein geringes Einkommen, weil sie entweder keiner bezahlten Arbeit nachgehen oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind (EIGE, 2017b).
- Auch die mangelnde Barrierefreiheit wird als Problem angegeben, wenn es um den Zugang zur Gesundheitsversorgung geht.
- Auch ein Wohnort in ländlichen Gebieten steigert die Schwierigkeiten beim Zugang zu geeigneten Verkehrsmitteln, um zu den medizinischen Leistungserbringern zu gelangen (Gibson und O’Connor, 2010).
- Physische oder strukturelle Barrieren erschweren Frauen mit Behinderungen den Zugang zu Gesundheitsdiensten, vor allem wenn sie in ländlichen Gebieten leben. Somit können sie oftmals nicht an wichtigen Screenings für Gebärmutterhals- oder Brustkrebs teilnehmen (Ramjan et al., 2016).
- Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass Menschen mit Behinderungen einen schlechten Zugang zu Gesundheitsförderungs- und Krankheitspräventionsinitiativen
- Dies führt dazu, dass Frauen mit Behinderungen seltener auf Brust- und Gebärmutterhalskrebs untersucht werden als Frauen ohne Behinderungen und Männer mit Behinderungen seltener auf Prostatakrebs untersucht werden (WHO und Weltbank, 2011).
Andere beleuchtete Themenbereiche neben Gesundheit:
- Durchschnittlich sind in der EU weniger Frauen mit Behinderungen Vollzeit erwerbstätig. 20 % der Frauen mit Behinderungen gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, verglichen mit 29 % der Männer mit Behinderungen und verglichen mit 48 % der Frauen ohne Behinderungen und 64 % der Männer ohne Behinderungen.
- Im Vergleich zum Index 2020 ist der Anteil der Frauen mit Behinderungen an der Vollzeitbeschäftigung gesunken (um -0,6 Punkte), während der Anteil der Männer mit Behinderungen gestiegen ist (um +0,5 Punkte).
- Frauen mit Behinderungen haben nach wie vor ein geringeres mittleres Äquivalenznettoeinkommen. Es beträgt 16.822 Euro/Jahr im Vergleich zu 17.746 Euro für Männer mit Behinderungen, und im Vergleich zu 20.100 Euro für Frauen ohne Behinderungen und 20.935 Euro für Männer ohne Behinderungen.
- Frauen mit Behinderungen machen weniger Universitätsabschlüsse. 15 % der Frauen mit Behinderungen haben einen Hochschulabschluss, verglichen mit 17 % der Männer mit Behinderungen, 30 % der Frauen ohne Behinderungen und 28 % der Männer ohne Behinderungen. Im Vergleich mit dem Index 2020 ist dies ein Rückgang von -0,2 Punkten für Frauen mit Behinderungen und -0,5 Punkten für Männer mit Behinderungen.