Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter
In der Ukraine sind schätzungsweise 2,7 Millionen Menschen mit Behinderungen registriert.
- Bedenkend, dass die Ukraine seit dem 24. Februar 2022 von Russland militärisch angegriffen wird und dies zu einer enormen und verheerenden Zerstörung und zum Verlust von Menschenleben führt;
- In Anbetracht der Tatsache, dass Menschen und Kinder mit Behinderungen sowie ihre Familien einem ernsthaften Risiko für ihr Leben, ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit ausgesetzt sind, insbesondere diejenigen, die in segregierenden Einrichtungen leben;
- Bedenkend, dass bis heute etwa 150 000 Ukrainer*innen mit Behinderungen allein in Polen auf der Flucht vor dem Krieg angekommen sind, darunter viele Kinder;
- Hervorhebend, dass Menschen mit Behinderungen, die in Nachbarländern Zuflucht suchen, mit Hindernissen konfrontiert sind, nämlich:
- Mangel an barrierefreien Diensten, einschließlich Transport, Notunterkünften, Hilfsprogrammen für Erwachsene und Kinder und Einrichtungen, einschließlich barrierefreier Unterkünfte und sanitäre Anlagen;
- Fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten und grundlegenden Hilfsmitteln (z.B. Rollstühlen) und anderen Diensten wie Gebärdensprachdolmetsch;
- Mangel an barrierefreien Informationen über grundlegende Rechte (einschließlich Menschenrechte und Rechte von Menschen mit Behinderungen) und darüber, wie diese Rechte geltend gemacht werden können.
- Mangel an barrierefreiem Wohnraum, Zugang zu inklusiver Bildung und Existenzgrundlagen.
- In Anbetracht der von der EU und ihren Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur Bereitstellung humanitärer Hilfe innerhalb und außerhalb der Ukraine, darunter auch 120 Millionen Euro Budgethilfe für die Ukraine sowie 1,2 Milliarden Euro an Notdarlehen und 85 Millionen Euro an humanitärer Hilfe
- In Anbetracht des Vorschlags, den Durchführungszeitraum für die Mittel zu verlängern, die den Mitgliedstaaten im Rahmen der Fonds für Inneres 2014–2020 zur Verfügung stehen, wodurch rund 420 Millionen Euro an zusätzlicher Unterstützung freigesetzt würden;
- In Anbetracht der Tatsache, dass die EU einstimmig zugestimmt hat, die Richtlinie über vorübergehenden Schutz zu aktivieren, die ukrainischen Staatsangehörigen und Menschen, die die Ukraine zu ihrer Heimat gemacht haben, sowie ihren durch den Konflikt vertriebenen Familienmitgliedern Schutz bietet, einschließlich Zugang zu Wohnraum, Sozialhilfe und medizinischer Versorgung, Bildung und Arbeit;
- In Anbetracht dessen, dass die EU als regionale Organisation und alle ihre Mitgliedstaaten die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) ratifiziert haben und daher die Institutionen und Politiken der EU und der Mitgliedstaaten an die darin verankerten Verpflichtungen gebunden sind, insbesondere an Artikel 11 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Gefahrensituationen und humanitären Notlagen.
- Unter Berücksichtigung der folgenden rechtlichen und politischen Instrumente und Verpflichtungen:
- die Genfer Konventionen von 1949 und die Zusatzprotokolle von 1977 zum humanitären Völkerrecht, einschließlich der Konvention IV zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten und des Zusatzprotokolls I zum Schutz der Opfer in internationalen bewaffneten Konflikten
- die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die das Recht auf Asyl für Menschen anerkennt, die vor Verfolgung, gewalttätigen Konflikten, schweren Menschenrechtsverletzungen oder schwerem Schaden in ihrem Heimatland fliehen.
- Die anderen Artikel der UN-BRK, also die Artikel 9 (Barrierefreiheit), 10 (Recht auf Leben), 14 (Freiheit und Sicherheit), 15 (Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bzw Bestrafung), 16 (Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch), 18 (Bewegungs- und Staatsangehörigkeitsfreiheit), 19 (Selbstbestimmtes Leben und Einbindung in die Gemeinschaft), 20 (persönliche Mobilität), 21 (Meinungs- und Meinungsfreiheit, und Zugang zu Informationen), 24 (Bildung) und 25 (Gesundheit) und 26 (Habilitation und Rehabilitation).
- Die Leitlinien des Ständigen interinstitutionellen Ausschusses der Vereinten Nationen (IASC) zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen, in denen gefordert wird, dass alle Phasen humanitärer Maßnahmen Behinderungen einbeziehen.
- Der EU-Migrations- und Asylpakt und das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) mit seinen gemeinsamen Standards für ein faires und effizientes Asylverfahren, die Aufnahme von Asylsuchenden sowie zur Anerkennung und Inhalt des Flüchtlingsstatus.
- Die Charta zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen (2016).
- Die Resolution 2475 (2019) des UN-Sicherheitsrates zum Schutz von Menschen mit Behinderungen in Konflikten.
- Die EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030, in der sich die Kommission verpflichtet hat, die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Asylmigrations- und Integrationsfonds (AMIF) und Synergien bei der Umsetzung dieser Strategie mit dem Aktionsplan zur Integration und Inklusion (2021-2027) sicherzustellen und in der angekündigt wurde, dass das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (jetzt die EU-Asylagentur) die Schulung von Schutzbeauftragten und Dolmetscher*innen erleichtern würde, die sich mit Asylanträgen schutzbedürftiger Personen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, befassen.
- Die auf dem Global Disability Summit 2022 eingegangenen Zusagen der EU-Kommission, bei denen sie sich verpflichtete, die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, um ihre uneingeschränkte Teilnahme an humanitären Maßnahmen zu gewährleisten, einschließlich der Unterstützung des Kapazitätsaufbaus ihrer humanitären Partner im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Fordert der EDF-Vorstand die EU und die EU-Mitgliedstaaten zu folgenden Aktivitäten auf:
- Beteiligung an internationalen Friedensaktionen;
- Gewährleistung und Bereitstellung Humanitärer Hilfe für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien in der Ukraine in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen, auch durch EU-Finanzierung. Humanitäre Hilfe sollte Menschen und Kindern in ihren Wohnungen, Notunterkünften, Krankenhäusern (einschließlich psychiatrischer Kliniken), Gefängnissen und Wohneinrichtungen zugutekommen, die alle einer ernsthaften Gefahr für ihr Leben ausgesetzt sind;
- Sicherstellung der sicheren und schnellen EU-Einreise von ukrainischen Migrant*innen und anderer Personen, die aus der Ukraine fliehen, ungeachtet ihrer Nationalität und ethnischen Zugehörigkeit, wobei Maßnahmen ergriffen werden, um Flüchtlinge mit Behinderungen einzubeziehen. Hier sind barrierefreie Transportmittel, Verfahren, Unterbringung und Kommunikation sind von wesentlicher Bedeutung;
- Identifizierung von Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, und Sicherstellung von angemessener, medizinischer Versorgung, nicht nur für medizinische Notfallhilfe, sondern auch zur Unterstützung von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Epilepsie, Diabetes und Herzkrankheiten
- Bereitstellung neuer Mittel, um die Folgen des Krieges zu bewältigen, und Sicherstellung, dass diese Mittel auch den Bedarfen von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen
- Zuweisung dringend benötigter Ressourcen an die Nachbarländer der Ukraine
- Berücksichtigung von geflüchteten Menschen mit Behinderungen in den nationalen Plänen zur Aufnahme von Menschen, die Sicherheit vor dem Krieg in der Ukraine suchen. Dazu gehören auch die Bereitstellung barrierefreie Unterkünfte sowie erforderlicher Unterstützungsdienste, um die Inklusion in die Gemeinschaft zu erleichtern
- Sicherstellung spezifischer Maßnahmen, um den Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Personen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, die die Ukraine verlassen, zu verhindern, zu bekämpfen und zu sanktionieren, mit besonderem Augenmerk auf Frauen und Mädchen mit Behinderungen, die einem höheren Risiko von Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind
- Sicherstellen, dass die Durchführungspartner bei humanitären Aktivitäten auch auf die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen in all ihrer Vielfalt eingehen, indem sie die Leitlinien des Interinstitutionellen Ständigen Ausschusses (IASC) zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen anwenden.
- Zusammenarbeit mit Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten, um humanitäre Hilfe zu entwickeln und umzusetzen, um Menschen mit Behinderungen Beratung, Unterstützung und Hilfe anzubieten, wobei Frauen und Kindern mit Behinderungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.
- Sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen, die von der „Richtlinie über vorübergehenden Schutz“ profitieren, Zugang zu Schutz sowie Diensten haben, die von der Richtlinie zugewiesen werden, einschließlich zusätzlicher Unterstützung für behinderungsbezogene Dienste.
Quellen:
- UN-Behindertenrechtskonvention
- Genfer Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge
- Genfer Konventionen von 1949 und Zusatzprotokolle
- Der Globale Flüchtlingspakt
- Die Leitlinien des Interinstitutionellen Ständigen Ausschusses der Vereinten Nationen (IASC) zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in humanitäre Maßnahmen
- CEDAW-Ausschuss, Allgemeine Empfehlung Nr. 38 zum Handel mit Frauen und Mädchen im Zusammenhang mit globaler Migration
- Die EU-Grundrechtecharta
- EU-Pakt zu Migration und Asyl und das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), einschließlich der folgenden Instrumente:
- Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und über Maßnahmen zur Förderung eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen den Mitgliedstaaten bei der Aufnahme dieser Personen und der Tragung der daraus resultierenden Folgen
- Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragenVerordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem der Mitgliedstaaten gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist
- Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für eine einheitliche Rechtsstellung von Flüchtlingen oder subsidiär Berechtigten Schutz und für den Inhalt des gewährten Schutzes
- EDF-Toolkit zur Einbeziehung von Flüchtlingen mit Behinderungen in die Arbeit von DSB (2020)
- EDF-Webseite „Schutz und Sicherheit von Menschen mit Behinderungen in der Ukraine“
- Zusagen der Europäischen Kommission für den Global Disability Summit 2022Aufruf der Nationalversammlung der Menschen mit Behinderungen der Ukraine (1. März 2022)