„Der Digital Services Act“ – Gesetzesvorschlag über einen Binnenmarkt für digitale Dienste
Bericht: Gudrun Eigelsreiter
Zum Hintergrund: Der Gesetzesvorschlag über einen Binnenmarkt für digitale Dienste geht auf die EU-Kommission vom 15. Dezember 2020 zurück. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Internet-Nutzer*innen und ihre Grundrechte im Internet besser zu schützen sowie mehr Transparenz für Online-Plattformen zu schaffen. Das heißt auch, dass Verantwortlichkeiten klar gemacht werden und ein Rechenschaftsrahmen für diese Plattformen geschaffen wird.
Wichtig ist dabei aber auch, dass die Barrierefreiheit eingehalten wird und die barrierefreie Nutzung von digitalen Diensten für alle ermöglicht wird. Dafür hat sich auch das EU-Parlament stark eingesetzt und Abänderungsvorschläge des Gesetzesentwurfs in diese Richtung gemacht. Außerdem haben sie auch einen Verweis zum „European Accessibility Act“, zum neuen Europäischen Barrierefreiheitsgesetz zu barrierefreien Produkten und Dienstleistungen eingebracht. Die EU-Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat stehen nun im April kurz vor dem Abschluss. In den Rat entsendet jeder EU-Staat, so auch Österreich, den/die für das Thema Digitalisierung zuständige Fachminister*innen. Die Ratspräsidentschaft hat im Moment Frankreich inne (pro Halbjahr übernimmt ein anderer EU-Staat diese Rolle). Die französische Ratspräsidentschaft steht den Änderungsvorschlägen bezüglich Barrierefreiheit kritisch gegenüber. Deshalb hat das Europäische Behindertenforum (EDF) einen Aufruf gestartet, die Position des EU-Parlaments zur Barrierefreiheit zu unterstützen.
Aufruf des European Disability Forums: Rat muss barrierefreien, digitalen Dienstleistungen zustimmen
Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter
Original unter: www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0014_EN.html
Da die politischen Entscheidungsträger kurz vor dem Abschluss der Verhandlungen zum Gesetz über digitale Dienste (DSA) stehen, erneuern wir unseren Aufruf an die Mitgliedstaaten und die französische Ratspräsidentschaft, der Position des EU-Parlaments zur Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen zuzustimmen (Änderungsantrag 255 – Artikel 19 a neu).
Digitale Dienste wie Social Media-Plattformen, Suchmaschinen, App-Stores, Online-Marktplätze sind unverzichtbare Dienste für die digitale Teilhabe, den Zugang und Austausch von Informationen und kreativen Inhalten, das Arbeiten, Reisen, Studieren und die Freizeitgestaltung. Während die meisten Menschen diese Dienste als selbstverständlich ansehen, wird Menschen mit Behinderungen in der EU aufgrund der mangelnden Barrierefreiheit vieler digitaler Dienste der gleiche Zugang zu ihnen verwehrt.
Jetzt, da das EU-Parlament und der Rat kurz vor dem Abschluss einer Einigung über das wegweisende EU-Gesetz zur Regulierung digitaler Dienste und zur Stärkung der Verbraucher*innen stehen, haben die EU-Staaten die Gelegenheit, ihren Verpflichtungen im Rahmen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) nachzukommen und damit den 100 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU gleichen Zugang und ein gleiches Verbraucherschutzniveau zu bieten.
In den letzten Monaten ist es dem EU-Parlament gelungen, den ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission des DSA erheblich zu stärken und wichtige Verbraucherschutzbestimmungen aufzunehmen, einschließlich der Gewährleistung der Barrierefreiheit von Online-Plattformen für Menschen mit Behinderungen mit Artikel 19 a (neu). Die Position des Parlaments beschränkt sich zwar auf Online-Plattformen, nimmt aber einen entscheidenden Bezug auf die Richtlinie (EU) 2019/882, auch bekannt als „European Accessibility Act“ (Europäisches Gesetz zur Barrierefreiheit, im Folgenden das Gesetz), die hochmoderne EU-Gesetzgebung zur Barrierefreiheit von Mainstream Dienstleistungen und Produkte (siehe unter: www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2022-0014_EN.html).
Dieser Verweis ist von entscheidender Bedeutung, um rechtliche Kohärenz und Klarheit darüber zu gewährleisten, was der DSA bedeutet, indem es Barrierefreiheitsverpflichtungen für Anbieter digitaler Dienste festlegt. Angesichts des Detaillierungsgrads der Barrierefreiheitsanforderungen im Gesetz und der bevorstehenden harmonisierten Standards sowie der technischen Leitlinien für die Gewährleistung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Interessenvertreter der Industrie wissen, was von ihnen verlangt wird und wie sie es umsetzen können, sobald der DSA in Kraft ist.
Die Politik muss daher dafür sorgen, dass im endgültigen Text ein klarer Bezug zum Barrierefreiheitsgesetz hergestellt wird. Online-Plattformen sind natürlich nicht die einzigen Dienste, die für unser digitalisiertes Leben wichtig sind. Andere digitale Dienste, wie Suchmaschinen, sind ein ebenso großer Bestandteil des digitalen Werkzeugkastens, den wir alle täglich nutzen. Alle Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt Zugang zu ihnen haben und sie barrierefrei nutzen können.
Daher sollten die politischen Entscheidungsträger auch den Anwendungsbereich von Artikel 19 a (neu) im endgültigen Gesetzestext aufnehmen. Es ist wichtig anzuerkennen, dass Barrierefreiheit nicht nur im Hinblick auf die Gewährleistung des Rechts auf gleichberechtigten Zugang zu Technologien für Menschen mit Behinderungen von entscheidender Bedeutung ist. Die Auswirkungen der Barrierefreiheit oder deren Fehlen erstrecken sich auf andere Rechte und Garantien, die der DSA den Verbraucher*innen bieten soll. Zu diesen Rechten gehören das Recht auf Datenschutz und Online-Privatsphäre, die Freiheit von illegalen Inhalten wie Online-Hassreden, der Schutz der Verbraucher *innen vor unerwünschter Werbung, illegalen Waren, die Selbstbestimmung der Verbraucher*innen über das, was sie in sozialen Medien sehen, und die größere Auswahl zwischen verschiedenen Diensten. Wenn die Barrierefreiheit digitaler Dienste nicht gewährleistet ist, können Menschen mit Behinderungen nicht alle Schutzmaßnahmen nutzen. Aufgrund des Fehlens barrierefreier Feedback-Mechanismen können Frauen, LGBTI-Personen, Personen mit anderen Hautfarben als weiß und andere Personen mit Behinderungen keine Online-Belästigung melden. Wenn Datenschutz- und Empfehlungseinstellungen nicht barrierefrei zugänglich sind, können Menschen mit Behinderungen ihre personenbezogenen Daten (einschließlich sensibler Gesundheitsdaten) und das, was ihnen von Social-Media-Algorithmen zugeführt wird, nicht kontrollieren. Wenn einige Dienste barrierefrei sind, andere jedoch nicht, werden Verbraucher*innen mit Behinderungen unweigerlich an den Dienst gebunden, der für sie barrierefrei zugänglich ist, und es fehlt ihnen somit die gleiche Vielfalt an Wahlmöglichkeiten, die Verbrauchern ohne Behinderungen gewährt wird.
Yannis Vardakastanis, Präsident des Europäischen Behindertenforums (EDF): „Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf gleichberechtigten Zugang zu digitalen Technologien, und ihnen sollte der gleiche Schutz ihrer digitalen Rechte gewährt werden wie allen anderen Verbraucher*innen. Wenn EU-Politiker*innen keine strengen und klaren Barrierefreiheitsanforderungen für Online-Plattformen und andere digitale Dienste sicherstellen, werden sie eine weitere digitale Kluft zwischen denjenigen schaffen, die von neuen Technologien profitieren, und denen, denen der Zugang zu ihnen verweigert wird. Ein derart unzureichendes Schutzniveau für Menschen mit Behinderungen durch die EU wäre ein direkter Verstoß gegen ihre Verpflichtungen aus der UN-BRK. Für die 100 Millionen Menschen mit Behinderungen in der EU wäre das einfach inakzeptabel!“