Am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, setzt der Österreichische Behindertenrat ein Zeichen für Inklusion, Gleichstellung und die Einhaltung der Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet jährlich am 5. Mai statt. Der 1992 erstmals ausgerufene Aktionstag wurde auf den Jahrestag der Gründung des Europarates – der wichtigsten internationalen Organisation Europas für den Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – gelegt. Seit mittlerweile 30 Jahren fordern Organisationen von und für Menschen mit Behinderungen am 5. Mai, dass alle Menschen europaweit gleichgestellt sein sollen.
Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben. Mit der Unterzeichnung der 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, schützen und gewährleisten. Doch noch immer ist diese große Bevölkerungsgruppe in vielen Lebensbereichen benachteiligt – sei es in der Bildung, im Berufsleben oder im öffentlichen Verkehr.
Wortgewaltige Forderungen
Anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen erklären zahlreiche Stakeholder, Politiker*innen und Selbstvertreter, was Inklusion für sie bedeutet.
„Inklusion ist ein Versprechen, ein Menschenrecht. Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt und selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Von der barrierefreien Wohnraumgestaltung über gleiche Arbeitsmarktchancen, von der medizinischen Versorgung bis hin zu Studienmöglichkeiten, Kultur- und Freizeitaktivitäten. Setzen wir alle Hebel in Bewegung, um Inklusion in unserer Gesellschaft zu verwirklichen.“
Dr. Alexander Van der Bellen, Österreichischer Bundespräsident
„Gerade im zwischenmenschlichen Bereich sind Menschen mit Behinderungen noch immer Diskriminierung ausgesetzt: Von überbordender Hilfsbereitschaft über Mitleid bis zu von offener und subtiler Ablehnung geprägten Verhaltensweisen. Doch was dagegen tun? Ich habe mir zum Motto gemacht, nachhaltig mit Argumenten zu überzeugen. Damit können wir Betroffene zum Bewusstseinswandel enorm viel beitragen.“
Mag. Michael Svoboda, Präsident Österreichischer Behindertenrat
„Inklusion heißt, mitten in der Gesellschaft leben. Alle Kinder gehen gemeinsam in den Kindergarten und in die Schule. Niemand muss im Heim leben. Menschen mit Behinderungen sind sichtbar. Man trifft sie, beim Bäcker, bei Veranstaltungen, in öffentlichen Verkehrsmitteln … Es braucht die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention: Barrierefreiheit, Inklusion in der Schule, De-Institutionalisierung, bedarfsgerechte Persönliche Assistenz … Es braucht den politischen Willen und politische Entscheidungen.“
Roswitha Schachinger, Präsidiumsmitglied Österreichischer Behindertenrat, geschäftsführende Vorständin WAG Assistenzgenossenschaft
„Inklusion bedeutet für uns, dass ALLE Menschen gleichberechtigt in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben können – so wie es in der UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen und niedergeschrieben ist. Auch 14 Jahre nach Unterzeichnung sehen wir noch viele offene Baustellen: weder gibt es einen Rechtsanspruch auf Barrierefreiheit noch gleiche Chancen am Arbeitsmarkt. Auch beim Thema Inklusive Bildung herrscht Stillstand. Der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft ist noch ein weiter!“
Rudolf Kravanja, Präsidiumsmitglied Österreichischer Behindertenrat, Präsident ÖZIV Bundesverband
„Protest ist der Motor der Gleichberechtigung, denn Zufriedene lieben keine Veränderung. Selbstbestimmtes Leben ist etwas, das immer wieder erstritten werden muss. In Österreich ist die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auch nach Jahren nach dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention nicht selbstverständlich. Solange Inklusion immer noch ein Modewort und keine Tatsache ist, müssen wir nicht nur diesen Tag dafür nutzen, um lautstark für unsere Rechte zu kämpfen.“
Martin Ladstätter, Präsidiumsmitglied Österreichischer Behindertenrat, Gründungsmitglied und Obmann BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben
„Inklusion bedeutet für mich, dass alle Menschen an unserem gesellschaftlichen Leben ohne Hindernisse und Hürden teilhaben können. Das bedeutet aber vor allem, dass wir endlich aufhören müssen, manche Menschen als die „Norm“ anzusehen und beginnen müssen, die unterschiedlichen Voraussetzungen aller Individuen anzuerkennen und diese als Stärken schätzen müssen. Unsere Gesellschaft profitiert von den unterschiedlichen Fähigkeiten jedes Einzelnen. Wir müssen unser alltägliches Leben so aufbauen, dass alle Menschen Zugang dazu haben. Es geht nicht nur um bauliche Barrieren, sondern auch um zum Beispiel die Einbindung in den Arbeitsmarkt oder die Sicherstellung einer menschenwürdigen gesundheitlichen Versorgung.“
NAbg. Mag. Verena Nussbaum, Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderungen, SPÖ
„Inklusion ist bedingungsloses Miteinander. Das bedeutet Freiheit, Selbstbestimmung und Respekt für alle Menschen. Für mehr Inklusion braucht es eine starke aktivistische Allianz verschiedenster Verbündeter. Mit der Reform des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, der Budgeterhöhung für Arbeitsmarktintegration, Erleichterungen für Studierende mit Behinderungen und dem neuen Nationalen Aktionsplan Behinderung haben wir Grüne bedeutende Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen gesetzt.“
NAbg. Mag. Heike Grebien, Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderungen, Die Grünen
„Für ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben müssen wir Inklusion in Österreich endlich leben. Inklusion heißt für mich, ein Miteinander aller Menschen in Österreich. Dafür müssen wir sowohl Barrieren im Kopf als auch bauliche Barrieren beseitigen und die Grundlage dafür bieten, dass jede und jeder einzelne das Leben selbstbestimmt bestreiten kann. Eine inklusive Bildung mit Beginn im Kindergarten ist der Schlüssel für ein gelingendes inklusives Leben, weil Kinder unvoreingenommen mit ihrem Gegenüber interagieren und diese Weitsicht müssen wir uns wieder aneignen. Weil: INKLUSION IST NICHT KARITATIV, INKLUSION IST EIN MENSCHENRECHT.“
NAbg. Fiona Fiedler, BEd, Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderungen, NEOS
„Auf unsere stets komplexer werdenden Lebensumstände sollte man mit Offenheit, Diversität und somit Inklusion reagieren, alles andere führt in eine Sackgasse. Meine Vision von Inklusion ist, dass jeder Mensch ganz selbstverständlich und ohne Wenn und Aber dazugehört, sei es im Sportverein oder im Kirchenchor, in der Schulklasse oder im Partykeller – ungeachtet der Herkunft, des Aussehens, des Könnens, des Alters oder einer Behinderung. Wissenschaft und Wirtschaft wissen längst, dass Diversität in Teams ein markanter Erfolgsfaktor ist. Wer diesen Umstand missachtet, lässt viel Potential ungenutzt.“
NAbg. Kira Grünberg, Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderungen, ÖVP
„Was ist Inklusion? Jedenfalls etwas, wozu sich Österreich bereits vor mehr als 13 Jahren verpflichtet hat, das aber nach wie vor nicht flächendeckend existiert. Was ist Inklusion nicht? Inklusion ist nicht mit Integration gleichzusetzen, bei der sich der Mensch mit Behinderung an die gegebene Umwelt anzupassen hat. Inklusion setzt demnach voraus, dass in allen Bereichen die Umwelt so gestaltet ist, dass alle Menschen ohne sich anpassen zu müssen die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben genießen können. Ich sehe meine Aufgabe als Behindertenanwalt darin, Schritt für Schritt mehr Inklusion in Österreich zu erwirken.“
Dr. Hansjörg Hofer, Anwalt für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderung
„Der 5. Mai ist einer von vielen Tagen, die auf die Rechte und die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen hinweisen. Wir brauchen aber keine Tage, die auf Barrierefreiheit, auf Inklusion und schlicht auf das Recht von Menschen auf ein gleichberechtigtes, selbstbestimmtes Leben, hinweisen – wir brauchen Taten! Die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs fordert Entscheidungsträger*innen in Politik und Gesellschaft auf, sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen ihr Leben so leben können, wie sie sich das wünschen. Ohne Hürden, sei es baulicher oder bürokratischer Art!“
Prof. Dr. Elmar Fürst, Vorstandsvorsitzender Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs
„Mit der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich Österreich verpflichtet, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Seither ist viel passiert. Selbstvertreter*innen, Organisationen und Initiativen bemühen sich, die Umsetzung der Konvention voranzutreiben. Doch nach wie vor ist die Inklusion von Menschen mit Behinderungen nicht selbstverständlich. Hier bedarf es verstärkter Anstrengungen – hier ist jede*r Einzelne gefordert. Eine inklusive Gesellschaft bringt Vorteile für Alle!“
Karin Praniess-Kastner, MSc, Präsidentin Wiener Hilfswerk
„Als gehörlose Person stößt man an Grenzen, die von Entscheidungsträger*innen ignoriert oder sogar gar gesetzt werden. Zum Beispiel in der Corona-Pandemie: Keine Information in Gebärdensprache in Test- und Impfzentren, Maskenpflicht, keine Begleitung bei Spitalsbesuchen, … Im Krisenmanagement hat sich gezeigt, wie wenig auf die Bedarfe von Personen mit Behinderungen geachtet wird. Der ÖGLB fordert die Mit-Einbeziehung von Interessensverbänden in Entscheidungsgremien und Krisenstäben.“
Mag. Helene Jarmer, Präsidentin Österreichischer Gehörlosenbund
„Der 5. Mai ist seit 1992 ein bedeutender Tag für Menschen mit Behinderungen und für Organisationen, die sie vertreten. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) nimmt den Protesttag zum Anlass, auf die Bedeutung inklusiver und lebenslanger Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen zu verweisen und auf die vielfältigen Diskriminierungen aufmerksam zu machen, mit denen Menschen mit Behinderungen nach wie vor konfrontiert sind. Blinde und sehbehinderte Menschen werden auch im Jahr 2022 noch in fast allen Bereichen täglich diskriminiert. Der Begriff Inklusion muss endlich im täglichen Leben zur Anwendung kommen.“
Dr. Markus Wolf, Präsident Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich
„Viele Menschen, die wir vertreten, befinden sich in finanziellen Notlagen und sind von Behördenwillkür betroffen. VertretungsNetz fordert deshalb ein „Bundesverfassungsgesetz soziale Sicherheit“ und damit Menschenrechtsschutz für fundamentale Güter wie Pflege, Gesundheit und Wohnen. Auch persönliche Assistenz und andere soziale Dienste müssen ausgebaut werden, damit selbstbestimmtes Leben möglich ist. Denn Inklusion heißt, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.“
Dr. Peter Schlaffer, Geschäftsführer VertretungsNetz
„Psychosoziale Behinderungen dürfen heutzutage in Österreich kein Tabuthema mehr sein. Soziale Inklusion steht jedem Menschen zu und ist sein persönliches Recht. Eine fehlende Aufklärungsinitiative verursacht Vorurteile, Ängste und führt zu einer Stigmatisierung von Betroffenen. Wir fordern daher eine verstärkte Bewusstseinsbildung für alle Menschen, damit Personen mit einer Behinderung als gleichberechtigt anerkannt werden und selbstbestimmt leben können. Dadurch wird ein gemeinsames GEMEINSAM möglich!“
Claudia Sempoch, stv. Vorsitzende Verein Lichterkette
„Eine der größten Problematiken ist, dass es immer schwieriger wird, sich leistbar behandeln zu lassen. Es gibt immer weniger Kassenärzte, aber dafür mehr Wahlärzte. Als chronisch kranke Person, besonders wenn man nicht mehr arbeitsfähig ist, ist das einfach nicht leistbar, da man über einen langen Zeitraum behandelt werden muss. Durch die Verschlechterung des Behindertengesetzes ist die prozentuelle Einstufung von Morbus Bechterew-Betroffenen gesunken, sodass Berufstätige bei den Vorteilen ins Hintertreffen geraten.“
Maria Nimführ, Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew, Landesstellenleitung Wien
„Inklusion heißt, dass die Gesellschaft und damit jede*r Einzelne von uns den Fokus auf den Menschen und dessen Persönlichkeit legt, nicht auf seine möglichen Defizite oder Beeinträchtigungen. Es ist ausschlaggebend und wichtig, dass wir uns einander auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam neue Wege gehen. Dafür braucht es nicht nur eine offene Einstellung aller, sondern auch die passenden politischen und strukturellen Rahmenbedingungen.“
DSA Michael Leitner, Geschäftsführer FOKUS MENSCH
„Menschen mit chronischen Erkrankungen stehen noch immer viel zu oft am Rand der Gesellschaft. Mit welchen Vorurteilen sie konfrontiert sind, erleben wir in unserem Engagement regelmäßig. Der Protesttag am 5. Mai ist ein wichtiger Anlass, um dafür Bewusstsein zu schaffen. Denn egal, ob sichtbare oder unsichtbare (Behinderung oder) Erkrankung: Betroffene haben ein Recht auf uneingeschränkte Teilhabe und müssen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.“
Kevin Thonhofer, Obmann Österreichische Gesellschaft für ME/CFS
„Das Thema Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen ist aus der Auftraggeber*innenperspektive ein nahezu unaufhörlich mit Stolpersteinen verknüpftes Thema. Es gibt speziell im beruflichen Kontext gravierende Unterschiede zwischen nicht-beeinträchtigten und beeinträchtigten Menschen. Österreich sieht sich auch im Jahr 2022 noch immer nicht im Stande, auf fähigkeitsorientierte Aktivität oder integrative Beschäftigung angewiesene Menschen sozialversicherungsrechtlich abzusichern. Diese Menschengruppe muss auch heute noch darauf warten, Halb- oder Vollwaise zu werden, um zum ersten Mal eigenständig sozialversichert zu sein. Dies ist nicht nur menschenunwürdig, sondern auch zutiefst menschenrechtsverletzend. Zudem ist die Barrierefreiheit nicht der UN-Behindertenkonvention entsprechend ausgeführt. Noch immer sind die meisten Barrieren tatsächliche Barrieren und für Menschen mit Beeinträchtigung nicht ohne Hilfe überwindbar.“
Martin Reidinger, Interessenvertretung der Auftraggeber*innen, Persönliche Assistenz GmbH Linz
„Menschen mit Behinderung verdienen es, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet. Mitleid erzeugt Leid – Unterstützung und Solidarität schafft Verbündete im Bestreben um Gleichberechtigung.“
Dr. Michael Häupl, ehemaliger Bürgermeister von Wien, Präsident Volkshilfe Wien
„Der Gedanke, dass Inklusion keine Last, sondern eine wertvolle Bereicherung für die Gesellschaft, die Wirtschaft und für jeden Betrieb ist, muss immer wieder in den Diskurs gebracht werden. Denn nicht wirtschaftliche Notwendigkeiten oder technische Begrenzungen stehen heute einer vollständigen Inklusion im Wege, sondern Unkenntnis und Vorurteile vieler Handelnder. Wir suchen daher den Dialog, um diese mentalen Barrieren einer vollständigen Inklusion wegzuräumen. Unsere 70 Jahre Erfahrung erfolgreicher Arbeit mit und für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen bringen uns die dafür notwendigen Erfahrungen und Argumente.“
Prof. (FH) Dr. Tom Schmid, Geschäftsführer DAS BAND
„Als Sozialminister ist mir eine umfassende gesellschaftliche wie auch berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ein besonderes Anliegen. Während Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz im Zuständigkeitsbereich des Bundes österreichweit einheitlich bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt wird, bestehen in den Bundesländern in Folge unterschiedlicher landesgesetzlicher Regelungen unterschiedliche Standards. Um Persönliche Assistenz entsprechend auszubauen und harmonisiert zur Verfügung zu stellen, sieht das Regierungsprogramm 2020 – 2024 die Erarbeitung bundeseinheitlicher Rahmenbedingungen zur Persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen unabhängig von der Art der Behinderung vor. Hierzu wurden seitens unseres Ressorts bereits erste Überlegungen angestellt und Gespräche mit Ländern und relevanten Stakeholdern geführt. Unser Ziel ist es, dass zeitnah gemeinsame einheitliche Parameter erarbeitet und die nächsten Schritte gesetzt werden können.“
Johannes Rauch, Sozialminister
Wir sind 4 Selbst-Vertreter vom Bereich für Menschen mit Behinderungen der Caritas der Diözese St. Pölten. Wir, das sind Josef Wimmer, Robert Kastner, Roland Bauer und Patrick Schober. Wir sind zwischen 30 und 45 Jahre alt. Wir haben uns anlässlich des europäischen Protesttages Gedanken gemacht. Über verschiedene Bereiche in unserem Leben. Und wie gleich-berechtigt und selbst-bestimmt unser Leben gestalten können.
Josef Wimmer und Robert Kastner
Roland Bauer und Patrick Schober
Was sind unsere Gedanken und Erfahrungen?
- Zum Thema Selbst-Bestimmung:
Als erwachsener Mensch mit Behinderung ist es schwierig,
unabhängig von den Eltern zu leben.
Vor allem, wenn man viel Unterstützung braucht.
Es gibt viele Einrichtungen, aber wenig individuelle
Unterstützungs-Angebote wie zum Beispiel
individuelle Wohn-Möglichkeiten.
Persönliche Assistenz wird für Menschen mit Lern-Schwierigkeiten
nicht österreichweit finanziell unterstützt.
- Eigenständiges Leben – Partnerschaft und Familie:
Eine Partnerin oder einen Partner finden und eine Familie gründen
ist mit einer Behinderung viel schwieriger.
Viele Menschen wollen mit Menschen mit Lern-Schwierigkeiten
nichts zu tun haben.
Von der Familie und vom Umfeld wird man oft als ewiges Kind gesehen.
Wir sind erwachsene Menschen mit dem Bedürfnis nach Sexualität und Partnerschaft.
So wollen wir auch wahr genommen werden.
- Bildung – Ausbildung – Beruf:
Unser Bildungsweg war vorgegeben.
Es war klar, dass wir in eine Sonderschule kommen.
Josef Wimmer meint:
In die allgemeine Schule hätte ich gar nicht gehen können,
weil sie nicht rollstuhl-gerecht war.
Nach der Schule habe ich mir 2 Werkstätten angeschaut.
In einer davon arbeite ich noch immer.
Roland Bauer erzählt:
Ich hätte gerne in einer Tischlerei gearbeitet.
In einer Werkstatt habe ich auch mit Holz arbeiten können.
Patrick Schober schildert:
Ich habe einen Berufs-Vorbereitungs-Kurs gemacht.
Ich interessiere mich für Technik, Elektrik und Computer.
Eine Lehre ist nie zustande gekommen.
Es hat sich nie die Frage gestellt,
was wir einmal beruflich machen wollen.
Was bedeutet Inklusion für uns?
- Gleich-Berechtigung bei allen Dingen des Lebens
- Keine Hindernisse, die Menschen ausgrenzen
- Auch Rollstuhl-Fahrer*innen sollen
überall auf die Toilette gehen können.
Persönliche Assistenz soll selbst-verständlich sein
Man soll selbst-bestimmt sein,
auch wenn man Unterstützung braucht.
Niemand soll wegen seiner Behinderung diskriminiert werden.
Was braucht es, damit Menschen mit Behinderungen in Österreich gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können?
- Inklusive Schulen, die barrierefrei sind – baulich aber auch sozial
- Auch Menschen mit Lern-Schwierigkeiten oder
Mehrfach-Beeinträchtigung sollen gute Wahl-Möglichkeiten
bei Ausbildung, Beruf und beim Wohnen haben. - Werkstätten sollen nicht die einzige Möglichkeit einer Beschäftigung/Arbeit sein.
In einem Arbeits-Verhältnis angestellt sein
mit allen Rechten und Pflichten,
soweit man diesen aufgrund der Beeinträchtigung nachkommen kann. - Als erwachsener Mensch vor dem Gesetz gesehen werden
und entsprechende Rechte zu haben. - Das Bewusstsein der Gesellschaft, dass Menschen mit
Behinderung keine ewigen Kinder sind. - Das gelebte Recht auf Partnerschaften/eine
Erwachsenen-Sexualität und entsprechende Unterstützung. - Barrierefreie Mobilität auch im ländlichen Bereich.
Renate Baier von der Caritas der Diözese St. Pölten hat die Inhalte in diesem Artikel zusammengeschrieben.