Der Österreichische Behindertenrat begrüßt die Pflegereform als ersten wichtigen Schritt, da sie den jahrelangen Stillstand aufbricht. Trotzdem weist der Österreichische Behindertenrat darauf hin, dass diesem ersten Schritt weitere folgen müssen, da die Spezifika des Behindertenbereichs im vorliegenden Reformplan nicht ausreichend berücksichtigt sind.
Die Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen erfolgt nämlich oftmals in multiprofessionellen Teams (Diplom-Sozialbetreuer*innen und Fachsozialbetreuer*innen, Pädagog*innen, Psycholog*innen, usw.), und die Pflege ist dabei nur ein Sekundärprozess. Deswegen führt das Abstellen auf die Berufsgruppen der Pflegeassistent*innen, Pfegefachassistent*innen und der Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger*innen im Behindertenbereich zu großen Problemen.
Ungleiche Arbeitsbedingungen im Team
Durch die Fokussierung auf die Pflegeausbildungen kommt es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung bei Gehalt und Urlaub für Mitarbeiter*innen, die im selben Team und – bis auf Heimhilfen – auch in derselben Verwendungsgruppe des Kollektivvertrags eingestuft waren.
Beispielsweise würde diese Ungleichbehandlung die (Diplom-) Sozialbetreuer*innen mit Schwerpunkt Behindertenbegleitung betreffen, da sie im Rahmen der Ausbildung – anders als jene mit Schwerpunkt Behindertenarbeit – „nur“ das Modul zur „Unterstützung bei der Basisversorgung“ (UBV) absolvieren, und damit nicht von der Pflegereform profitieren würden.
Die Ungleichbehandlung würde sich jedoch nicht nur durch die Sozialbetreuungsberufe ziehen, sondern auch alle anderen Personen betreffen, die im Behindertenbereich arbeiten und beispielsweise eine Ausbildung an einer Fachhochschule für Soziale Arbeit bzw. ein Studium der Pädagogik oder Psychologie absolviert haben und (berufsbegleitend) lediglich das Modul zur UBV gemacht haben.
Daher fordert der Behindertenrat, dass all jene Personen, die im Rahmen der Behindertenhilfe der Länder in der direkten Arbeit mit Klient*innen betreuend oder begleitend aktiv sind – unabhängig von ihrer Formalausbildung – in den Genuss der Verbesserungen, etwa dem Gehaltsbonus und der zusätzlichen Erholungstage, kommen. Eine konkrete Definition der in Frage kommenden Zielgruppen ist unter Einbeziehung des Österreichischen Behindertenrats und der Sozialpartner*innen zu erarbeiten.
Kein Zuschuss während der Ausbildung
Sowohl im klassischen Pflegebereich als auch im Behindertenbereich besteht aktuell ein massiver Personalmangel, der sich durch die Pandemie nochmals verschärft hat. Deswegen ist es nicht nachvollziehbar, warum Personen, die eine Ausbildung in einem Sozialbetreuungsberuf absolvieren – insbesondere, wenn deren Ausbildungsinhalt auch jene zur Pflegeassistenz mitumfasst, für die Dauer der Ausbildung keinen Ausbildungszuschuss in Höhe von 600,00 EUR erhalten.
Daneben wäre dringend eine generelle Ausbildungsoffensive im Behindertenbereich notwendig, um den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken.
Keine Berücksichtigung der Persönlichen Assistenz
Persönliche Assistenz (PA) ermöglicht Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Durch die fehlende Berücksichtigung der Persönlichen Assistenz im vorgelegten Pflegepaket ist zu befürchten, dass in Ermangelung dieser Berufsgruppe weitere Personen in ein Heim übersiedeln müssen, weil ihre Bedarfe sonst nicht gedeckt werden.
Der Österreichische Behindertenrat fordert daher dringend eine Aufwertung des momentan prekären Berufs der Persönlichen Assistenz durch bessere Arbeitsbedingungen (Gehalt, Freizeit, …). Finanziert könnte dies über den bereits im Regierungsprogramm angeführten Inklusionsfonds werden.