Update vom 5. Juli 2022: Am 7. Juli 2022 soll das Pflegepaket im Nationalrat beschlossen werden. Das ursprünglich vorgesehene Budget in Höhe von 520 Millionen Euro wird nun um 50 Millionen Euro aufgestockt. Damit sollen höhere Gehälter von Behindertenbetreuer*innen ohne Pflegeausbildung und Heimhilfen finanziert werden.
Am 12. Mai, dem Internationalen Tag der Pflege, präsentierten Sozialminister Johannes Rauch, ÖVP-Klubobmann August Wöginger und Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer im Rahmen einer Pressekonferenz im Sozialministerium die Details des neuen Pflegepakets. Die Beschlussfassung im Nationalrat soll noch vor dem Sommer 2022 über die Bühne gehen.
Mit rund einer Milliarde Euro bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode sollen die Rahmenbedingungen für Menschen, die in der Pflege arbeiten, verbessert werden. „Wir machen die Ausbildung deutlich attraktiver. Und wir unterstützen Menschen, die Pflege benötigen, und entlasten pflegende Angehörige. Die Menschen, die in der Pflege arbeiten, haben sich diese Verbesserungen längst verdient. Dieses große Pflegepaket ist dazu ein wichtiger Schritt“ erklärte Sozialminister Johannes Rauch bei der Präsentation der Pflegereform.
Das Pflegepaket sieht neben der Attraktivierung der Pflegeberufe eine massive Förderung der Pflegeausbildung sowie Verbesserungen für Betroffene und ihre pflegenden Angehörigen vor. „Dafür schöpfen wir alle Kompetenzen aus, die wir als Bundesregierung haben– und sorgen in enger Zusammenarbeit mit den in vielen Punkten zuständigen Bundesländern für faire, einheitliche Regelungen. Bessere Bezahlung, fairer Ausgleich, weniger Arbeitslast und mehr Unterstützung für pflegende Angehörig – das sind nur einige der Schwerpunkte, die wir jetzt setzen“, erklärte Sozialminister Johannes Rauch.
Mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Da Menschen in Pflegeberufen mehr Einkommen, bessere Arbeitsbedingungen und eine spürbare Entlastung bräuchten, stellt die Bundesregierung 520 Millionen Euro für die Jahre 2022 und 2023 zur Verfügung. In Kooperation mit den Bundesländern und Sozialpartnern werde dieses Geld dort verteilt, wo es akut am dringendsten gebraucht werde. So solle jede*r Beschäftigte in der Pflege durch einen Bundeszuschlag mehr Geld erhalten– voraussichtlich in Form eines monatlichen Gehaltsbonus.
Pflegekräfte in der stationären Langzeitpflege erhalten künftig als Ausgleich für jeden Nachtdienst zwei Stunden Zeitgutschrift. Ab Erreichen ihres 43. Geburtstages werden Pflegekräfte darauf Anspruch haben – unabhängig davon, wie lange sie schon im Betrieb tätig sind.
Mehr Handlungsspielraum für Pflegepersonal
Pflegeassistent*innen und Pflegefachassistent*innen dürfen künftig beispielsweise in bestimmten Fällen Infusionen anschließen und Spritzen verabreichen. Zudem dürfen Pflegeassistent*innen weiterhin unbefristet in Krankenanstalten tätig sein.
Ausbildungszuschuss
Personen, die eine Erstausbildung in der Pflege absolvieren, erhalten dafür mindestens 600 Euro pro Praktikumsmonat. Der Bund stellt den Ländern dafür 225 Millionen Euro für insgesamt drei Jahre zur Verfügung, um zwei Drittel der so entstehenden Kosten abzudecken. Das dritte Drittel haben die Länder zu tragen.
Darüber hinaus wird der Schulversuch zur Pflegeausbildung ins Regelschulwesen überführt. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird der Start dieser neuen Ausbildungsform regulär ermöglicht und ein nahtloser Übergang sichergestellt.
Pflegestipendien für Einsteiger*innen
Personen, die sich für die Umschulung auf einen Pflegeberuf entscheiden und einen Anspruch auf eine AMS-Förderung haben, erhalten ab 1. September 2023 ein Pflegestipendium in der Höhe von mindestens 1.400 Euro pro Monat.
Bedingter Rechtsanspruch auf Weiterbildung
Künftig soll es einen bedingten Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben geben, der Menschen in der Pflege eine weiterführende Ausbildung in der Arbeitszeit ermöglicht.
Ausbildungsanerkennung und Rot-Weiß-Rot-Karte
Pflegekräfte können unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft bereits in Pflegeassistenzberufen arbeiten, während der Prozess der Nostrifizierung noch läuft. Zudem wird er Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte für Pflegekräfte aus dem Ausland erleichtert. Sie erhalten deutlich mehr Punkte für eine abgeschlossene Berufsausbildung. Gleichzeitig werden auch für 40- bis 50-Jährige Punkte in der Kategorie Alter ermöglicht.
Pflegelehre
Die vierjährige Pflegelehre führt mit einem altersgerechten Lehrplan gezielt an den Pflegeberuf heran. Nach drei Lehrjahren kann mit der Prüfung zur Pflegeassistenz abgeschlossen werden. Die Lehrlingsentschädigung von 1.500 Euro im vierten Lehrjahr soll dazu anregen, die Ausbildung zur Pflegefachassistenz zu beenden.
Erhöhte Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderungen
Die erhöhte Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderungen wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Von dieser Maßnahme profitieren rund 45.000 Personen, die 60 Euro pro Monat mehr erhalten.
Finanzielle Unterstützung pflegender Angehöriger
Ab dem Jahr 2023 wird es zudem einen Angehörigenbonus in Höhe von jährlich 1.500 Euro für jene Person geben, die den größten Teil der Pflege zuhause leistet. Ab Pflegestufe 4 haben selbst- oder weiterversicherte pflegende Angehörige Anspruch auf diese jährliche Pflegegeld-Sonderzuwendung.
Verlängerte Pflegekarenz
Derzeit besteht der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz für maximal einen Monat. Künftig wird der Zugang zu einer verlängerten Pflegekarenz von bis zu drei Monaten geschaffen und die die Antragsfrist verlängert.
Mehr Pflegegeld bei hohem Aufwand
Die Einstufung des Pflegegeldes wird an den besonderen Aufwand für die Pflege von Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz angepasst – und damit das Pflegegeld erhöht. Künftig wird der Wert des Erschwerniszuschlages von 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht.
Ersatzpflege
Die professionelle oder private Vertretung pflegender Angehörige wird künftig ab einer Abwesenheit von drei Tagen möglich sein.
Pflegekurse und Angehörigengespräche
Viele Menschen suchen und brauchen fachliche Unterstützung, um ihre Angehörigen bestmöglich betreuen zu können. Der Bund unterstützt deshalb künftig bei den Kosten von Pflegekursen. Auch das Angebot der Angehörigengespräche zur psychischen Unterstützung und Entlastung für pflegende Angehörige wird von bisher drei auf fünf Gesprächstermine ausgeweitet.
Weitere Reformschritte ab Herbst 2022
Durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen soll eine Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung von in der 24-Stunden-Betreuung tätigen personen geschaffen werden. Die selbstständige 24-Stunden-Betreuung ist davon unberührt und bleibt zusätzlich bestehen. Ein konkretes Modell wird gemeinsam mit Sozialpartner:innen und Stakeholder:innen erarbeitet und soll im Herbst 2022 umgesetzt werden.
Behindertenbereich bei Pflegereform berücksichtigen!
Ungleiche Arbeitsbedingungen im Team und fehlende Berücksichtigung Persönlicher Assistenz
Der Österreichische Behindertenrat begrüßt die Pflegereform als ersten wichtigen Schritt, da sie jahrelangen Stillstand aufbricht. Trotzdem müssen diesem ersten Schritt weitere folgen, da die Spezifika des Behindertenbereichs im vorliegenden Reformplan nicht ausreichend berücksichtigt sind.
Die Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen erfolgt nämlich oftmals in multiprofessionellen Teams (Diplom-Sozialbetreuer*innen und Fachsozialbetreuer*innen, Pädagog*innen, Psycholog*innen, usw.), und die Pflege ist dabei nur ein Sekundärprozess.
Durch die Fokussierung auf die Pflegeausbildungen kommt es durch die Pflegereform zu einer Ungleichbehandlung bei Gehalt und Urlaub für Mitarbeiter*innen, die im selben Team arbeiten und – bis auf Heimhilfen – bisher in derselben Verwendungsgruppe der Kollektivverträge eingestuft waren
Klaus Widl, interimistischer Präsident des Österreichischen Behindertenrats, fordert daher: „Alle Personen, die im Rahmen der Behindertenhilfe der Länder in der direkten Arbeit mit Klient*innen betreuend oder begleitend aktiv sind, müssen unabhängig von ihrer Formalausbildung Verbesserungen wie einen Gehaltsbonus und zusätzliche Erholungstage erhalten.“
Angesichts des Personalmangels im Behindertenbereich ist es auch notwendig, dass Personen während einer Ausbildung in einem Sozialbetreuungsberuf – gleich wie bei einer Pflegeausbildung – einen Ausbildungszuschuss in Höhe von 600,00 EUR erhalten. Daneben ist eine generelle Ausbildungsoffensive im Behindertenbereich dringend nötig, um den Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken.
Keine Berücksichtigung der Persönlichen Assistenz
Persönliche Assistenz ermöglicht Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Durch die fehlende Berücksichtigung dieser Berufsgruppe im vorgelegten Pflegepaket ist zu befürchten, dass in Ermangelung von Persönlichen Assistent*innen weitere Personen in ein Heim ziehen müssen. Klaus Widl mahnt daher ein: „Die momentan prekären Arbeitsbedingungen der Persönlichen Assistent*innen müssen dringend verbessert werden. Die dadurch entstehenden Mehrkosten ließen sich über den im Regierungsprogramm angeführten Inklusionsfonds finanzieren.“
Statement des Oberösterreichischen Landeshauptmanns Mag. Thomas Stelzer zur Pflegereform, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen
„Es ist erfreulich, dass den vielen Ankündigungen und Forderungen nach einer Reform der Pflege in Österreich nun endlich erste Schritte folgen. Die Pflegereform wird erste wesentliche Verbesserungen bringen: für Betroffene und deren pflegende Angehörige, inklusive der 24-Stunden-Betreuung sowie für den Pflegeberuf und die Pflegeausbildung.
In unserem Bundesland entstehen im Rahmen des Oberösterreich-Plans bis 2027 in Summe 600 Plätze für Menschen mit Beeinträchtigungen zusätzlich, 50 davon in Linz-Wegscheid mit einem völlig neuen Wohnkonzept der Inklusion. Kein anderes Bundesland in Österreich stellt mehr Betreuungsplätze zur Verfügung! Unser Anspruch ist, Menschen mit Beeinträchtigungen so gut wie möglich in ihren eigenen vier Wänden zu unterstützen. Daher stocken wir die Stunden für Mobile Betreuung und Persönliche Assistenz massiv auf.
Beeinträchtigte Menschen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Daher werden wir Betroffene, Ihre Angehörigen sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pflegeberufen in Oberösterreich weiterhin bestmöglich unterstützen.“
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer
Statement des Salzburger Landeshauptmanns Dr. Wilfried Haslauer zur Pflegereform, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen
„Mit der am 12. Mai 2022 verkündeten Pflegereform setzt nun auch die Bundesregierung einen ersten wichtigen Schritt, um die Rahmenbedingungen im Bereich der Pflege und Behindertenhilfe nachhaltig zu verbessern. Bereits im Jahr 2018 wurde unter meiner Federführung im Land Salzburg die sogenannte Plattform Pflege ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Plattform Pflege wurden gemeinsam mit vielen regionalen Expertinnen und Experten Maßnahmen erarbeitetet, um sowohl den Beruf, als auch die Ausbildung im Bereich „Pflege und Betreuung“ attraktiver zu gestalten. In allen möglichen umgesetzten Maßnahmen wurde dabei auch der Bereich der Behindertenhilfe berücksichtigt. So wurde beispielsweise eine Imagekampagne unter dem Titel #dasiststark und die Übernahme der Schulgelder in den Schulen für Sozialbetreuungsberufe als Maßnahmen umgesetzt. Selbstverständlich werde ich mich aber auch künftig dafür einsetzen, die Rahmenbedingungen für die Pflege und Betreuungsberufe weiter zu verbessern.“
Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer
Statement des Vorarlberger Landeshauptmanns Mag. Markus Wallner zur Pflegereform, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen
„Die angekündigten Reformschritte im Pflegebereich enthalten mehrere wesentliche Verbesserungen in Bezug auf die Anliegen von Menschen mit Behinderung und deren Angehörige. So ist etwa vorgesehen, den erhöhten Pflegebedarf von pflegebedürftigen Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr mit schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderungen im Rahmen des Bundespflegegeldes künftig höher abzugelten. Der hinterlegte Zeitwert soll von bisher 25 auf 45 Stunden monatlich angehoben werden. Positiv wird sich darüber hinaus die Erhöhung des Rechtsanspruchs auf Pflegekarenz von einem Monat auf künftig drei Monate auswirken.
Ein weiterer wichtiger Fortschritt: Wenn Angehörige aufgrund von Krankheit, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend an der Pflege verhindert sind, kann von Seiten des Bundes ein Zuschuss zur Abdeckung jener Kosten gewährt werden, die im Fall der Verhinderung für die Inanspruchnahme von professioneller oder privater Ersatzpflege entstehen. Die Mindestabwesenheitszeit wird von sieben Tagen auf drei Tage verkürzt. Der maximale Verhinderungszeitraum beträgt 28 Tage pro Jahr. Des Weiteren sollen für pflegende Angehörige in Zukunft – in physischer Präsenz und online –Pflegekurse angeboten werden. Das Angehörigengespräch soll außerdem von drei auf fünf Gesprächstermine erhöht werden. Weiters wird zur Unterstützung der Angehörigenpflege die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe in Familien mit Kindern mit Behinderung entfallen. Alles in allem sinnvolle Schritte, von denen eine entlastende Wirkung ausgehen kann.“
Landeshauptmann Mag. Markus Wallner