von Gudrun Eigelsreiter
Zum Hintergrund: Was ist die „Disability Intergroup“ des EU-Parlaments?
- Die interfraktionelle Gruppe „Behinderung“ des Europäischen Parlaments ist eine informelle Gruppierung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MEPs) aller Nationalitäten und der meisten Fraktionen des EU-Parlaments.
- Gemeinsam ist den Mitgliedern der Gruppe, dass sie daran interessiert sind, die Politik für Menschen mit Behinderungen in ihrer Arbeit im EU-Parlament und auf nationaler Ebene im Einklang mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) zu fördern.
- Das einzige Mitglied aus Österreich ist die EU-Parlamentarierin Claudia Gamon von den NEOS (im EU-Parlament heißt die Fraktion „Renew Europe“, zu Deutsch: „Erneuerung Europas“).
>> Liste aller Mitglieder der Disability Intergroup, aufgeschlüsselt nach Fraktionen
Die Mitglieder der „Disability Intergroup“
- organisieren breitangelegte Debatten mit anderen EU-Parlamentarier*innen und Mitgliedern anderer EU-Institutionen wie der EU-Kommission zur Bewusstseinsbildung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen;
- reichen Gesetzesänderungen oder andere parlamentarische Anträge ein, mit dem Ziel, die EU-Gesetze im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen zu verbessern;
- setzen sich u.a. auch für den Ausbau des politischen Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen in Europa ein – also, dass Menschen mit Behinderungen sich sowohl für ein politisches Amt aufstellen lassen können als auch als Wähler*innen an einer nationalen oder europäischen Wahl teilnehmen können. Anders als in Österreich gewährten nicht alle EU-Staaten Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht. Hier konnte die Disability Intergroup starke Verbesserungen erreichen (siehe „neues EU-Wahlgesetz“ im Bericht unten).
EDF-Bericht: Die Disability Intergroup – ein Rückblick auf die Errungenschaften der Intergroup im Jahr 2021 in Bezug auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter; Original
Seit ihrer Gründung im Jahr 1980 spielt die Disability Intergroup eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung und Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Europa.
Im vergangenen Jahr hat sie an Themen im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen gearbeitet:
- der Europäischen Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030,
- der horizontalen Antidiskriminierungsrichtlinie und
- dem Ausbau der politischen Partizipation und des Wahlrechts für Menschen mit Behinderungen.
2021 konzentrierte sich die Arbeit der Disability Intergroup auch auf
- eine für Menschen mit Behinderungen inklusive Reaktion auf die COVID-19-Pandemie,
- die Einbeziehung von Rechten von Menschen mit Behinderungen in wichtige Gesetze und
- die Förderung der Annahme einer inklusiven Sozialpolitik.
Die fünf wichtigsten Erfolge der Disability Intergroup
- Verabschiedung der Verordnung über die Rechte von Bahnreisenden, die die Vorankündigung für die Anforderung von Hilfe in Bahnhöfen auf 24 Stunden verkürzt
- Der Intergruppe gelang es, eine Änderung der Verordnung über den digitalen COVID-19-Pass einzuarbeiten, um sicherzustellen, dass er für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich ist.
- Annahme des Berichts über die Umsetzung der Richtlinie zur Gleichbehandlung in der Beschäftigung aus dem Jahr 2000 im Einklang mit der UN-BRK
- Verabschiedung der Strukturfondsverordnungen, die Bestimmungen in Bezug auf Nichtdiskriminierung und Barrierefreiheit und in Bezug auf ein unabhängiges Leben für Menschen mit Behinderungen enthalten
- Europäische Struktur- und Investitionsfonds
- Europäischer Fonds für regionale Entwicklung
- Kohäsionsfonds
- Der Vorschlag des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (AFCO) des Europäischen Parlaments für ein neues EU-Wahlgesetz, das im Mai 2022 vom Europäischen Parlament angenommen wurde, garantiert das Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderungen und sorgt für barrierefreiere EU-Wahlen .
Im Jahr 2021 veröffentlichte die Disability Intergroup drei Erklärungen:
- zur Stärkung der EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
- zur Nicht-Barrierefreiheit des Staates der Europäischen Union
- zum Europäischen Tag der Menschen mit Behinderungen und zur mangelnden Barrierefreiheit der Konferenz zur Zukunft Europas
Sieben gemeinsame Briefe
- an den Generalsekretär des Europäischen Parlaments, in denen die Einrichtung einer Anlaufstelle für die Themen rund um Menschen mit Behinderungen gefordert wurde,
- an den Vizepräsident Dimitrios Papadimoulis (Vorsitzender der Hochrangigen Gruppe des EU-Parlament-Präsidiums für Gleichstellung und Vielfalt) mit der Aufforderung zur Teilnahme an Diskussionen und Maßnahmen, um das Parlament für Menschen mit Behinderungen inklusiver zu machen,
- an die Vizepräsidentin der EU-Kommission Vera Jourová, und an EU-Kommissar Didier Reynders zum COVID-19 digitalen grünen Pass,
- an EU-Kommissarin Jutta Urpilainen zu Behindertenangelegenheiten im auswärtigen Handeln der Europäischen Union
- und an den Ausschuss für Bioethik des Europarats, die sich unter anderem gegen das Zusatzprotokoll zur Oviedo-Konvention ausspricht.
Tagungen, Veranstaltungen, Workshops und öffentliche Anhörungen
Ob es um Gastgeben, Mitorganisieren oder Teilnahme geht – die Disability Intergroup und ihre Mitglieder haben aktiv an internen und öffentlichen europäischen Veranstaltungen zum Thema Behinderung mitgearbeitet. Im Jahr 2021 waren sie an zahlreichen Veranstaltungen beteiligt, die sich beispielsweise
- mit der Europäischen Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
- der internationalen Zusammenarbeit und humanitären Maßnahmen der Europäischen Union,
- der Erfüllung der abschließenden Bemerkungen des UN-BRK-Ausschusses 2015 an die Europäische Union
- oder dem Gesetz über digitale Dienste befassten.
Die Intergruppe „Behinderung“ hat sich auch während der Anhörung des Europäischen Parlaments zu COVID-19 in Wohneinrichtungen, in der die Gründung eines COVID-19-Sonderausschusses gefordert wurde, mit Sachverständigen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ausgetauscht und diskutiert.
Außerdem nahm sie u.a. an folgenden Veranstaltungen teil
- am „Europäischen Jugend-Event zu selbstbestimmten Leben“,
- an einem politischen Webinar über integrativen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen,
- an einem Webinar über integrative Unternehmen oder
- an der Debatte des EU-Parlaments über die berufliche Beschäftigung autistischer Menschen, die im Plenum stattfand.
Parlamentarische Anfragen
Im Jahr 2021 reichten Mitglieder der Intergruppe „Behinderung“ eine große Anzahl parlamentarischer Anfragen ein, u.a. zu folgenden Themen:
- hochwertige Beschäftigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz,
- die Barrierefreiheit der Konferenz zur Zukunft Europas,
- die Barrierefreiheit des COVID-19 digitalen grünen Passes,
- die geschlechtsspezifische Perspektive der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
- die Situation von Mädchen und Frauen mit Behinderungen,
- individualisierte Lernpfade für Schüler*innen mit Behinderungen, der Ausschluss von Schüler*innen mit Behinderungen vom PISA-Tests und vieles mehr
Berichte und Abänderungsanträge
Im Jahr 2021 waren die Mitglieder der Intergruppe auch sehr aktiv an der Ausarbeitung von Schlüsselberichten zu Menschen mit Behinderungen beteiligt, wie beispielsweise an
- der Umsetzung der Beschäftigungsrichtlinie im Einklang mit der UN-BRK
- dem Schutz von Menschen mit Behinderungen durch Petitionen
- der EU-Arzneimittelstrategie https://oeil.secure.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=en&reference=2021/2013(INI) ,
- die Situation der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte in der EU, im Rahmen der Frauengesundheit the situation of sexual and reproductive health and rights in the EU, in the frame of women’s health,
- Inklusion und Nichtdiskriminierung in der Bildung
- dem Bericht über die humanitären Aktionen der Europäischen Union
- menschenwürdige und bezahlbare Wohnungen für alle