Die Europäische Union (EU) hat ein neues Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen beschlossen. Das „Disability Employment Package“ dient der Stärkung des europäischen Arbeitsmarktes.
Die Kommission hat heute das neue Behindertenbeschäftigungspaket auf der „Konferenz über die Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt“ (“Conference on Integration of People with Disabilities into the Labour Market”) angekündigt, die vom tschechischen EU-Ratsvorsitz am 20. und 21. September 2022 in Prag organisiert wurde (die Arbeitsschwerpunkte für Menschen mit Behinderungen des tschechischen EU-Ratsvorsitz findet man hier).
(Anmerkung: Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) legt das Recht auf Arbeit in Artikel 27 „Arbeit und Beschäftigung“ fest. Kürzlich wurde auch der neue Allgemeiner Kommentar Nr.8 des UN-BRK-Ausschusses zu Artikel 27 veröffentlicht. Hier kann man mehr dazu lesen.)
Dieses Paket ist eine der sieben Leitinitiativen, die in der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 angekündigt wurden, und zielt darauf ab, die Verbesserung verschiedener Bereiche zu unterstützen, die sich negativ auf die Arbeitsinklusion von Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union auswirken.
Das Paket wurde innerhalb der Behindertenplattform geteilt und Feedback eingeholt, auch wenn die Inhalte sowie Titel der Bereiche nicht flexibel waren. Diese Unterstützung wird weder durch neue Rechtsvorschriften noch durch weitere Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt, sondern durch eine Reihe von Maßnahmen, die laut der EU-Kommission dazu beitragen, die bereits bestehenden Rechtsvorschriften in sechs Bereichen umzusetzen.
Diese Bereiche und damit verbundene Maßnahmen sind:
- „Stärkung der Kapazitäten von Arbeitsvermittlungs- und Integrationsdiensten“ durch die Veröffentlichung von Leitlinien für die EU-Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Barrierefreiheit und Inklusion von Arbeitsvermittlungsdiensten.
- „Förderung von Einstellungsperspektiven durch positive Maßnahmen und Bekämpfung von Stereotypen“ durch einen Katalog positiver Maßnahmen zur Erleichterung der Einstellung von Menschen mit Behinderungen unter Einbeziehung von Arbeitgeber*innen.
- „Gewährleistung angemessener Vorkehrungen am Arbeitsplatz“ durch Ausarbeitung von Leitlinien für Arbeitgeber*innen.
- „Prävention von Behinderungen im Zusammenhang mit chronischen Krankheiten“: Herausgabe eines Handbuchs für den Umgang mit chronischen Krankheiten und zur Vorbeugung des Risikos einer Behinderung durch die Veröffentlichung eines von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz herausgegebenen Handbuchs.
- „Absicherung der beruflichen Rehabilitation bei Krankheit und Unfall“ durch den Erlass von Richtlinien.
- „Erforschung hochwertiger Arbeitsplätze in geschützter Beschäftigung (Anmerkung: wie beispielsweise geschützten Werkstätten) und Wege zum offenen Arbeitsmarkt“ durch den Start einer Studie zur Verbesserung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen durch alternative Beschäftigungsmodelle, einschließlich Empfehlungen für faire Arbeitsbedingungen und Karriereentwicklung in alternativen Beschäftigungsformen und -wegen zum offenen Arbeitsmarkt, die der UN-BRK entsprechen.
Einige dieser Maßnahmen können hilfreiche Instrumente zur Förderung inklusiver Arbeitsmärkte in der gesamten EU werden. Vor allem:
- die Leitlinien für angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz,
- der Katalog positiver Maßnahmen zur Erleichterung der Einstellung sowie
- die Studie und Empfehlungen für faire Arbeitsbedingungen zu alternativen Beschäftigungsformen.
Der Mangel an Finanzierung und die damit verbundenen gesetzlichen Anforderungen stellen jedoch ein großes Hindernis dar. Es wird enorme Anstrengungen brauchen – sowohl seitens der Institutionen als auch der Zivilgesellschaft – um die Anwendung auf nationaler Ebene sicherzustellen und dadurch dann auch Ergebnisse zu erzielen.
Es gibt auch viele Mängel des Arbeitsmarktes, die durch das Paket nicht angegangen werden. Besonders besorgniserregend ist, dass die Geschlechterperspektive und die Intersektionalität von Geschlecht und Behinderung nicht berücksichtigt wurden. Die Kommission und die mit der Entwicklung der Maßnahmen beauftragten Organisationen müssen diese Perspektive zwingend einbeziehen.
Andere relevante Aspekte, die nicht erwähnt wurden, sondern vom Europäischen Behindertenforum (EDF) in der Konferenz hervorgehoben wurden: Es ist notwendig, die nationalen Vorschriften zu ändern, die verhindern, dass Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt eintreten. Denn oftmals verlieren Menschen mit Behinderungen durch den Eintritt in den Arbeitsmarkt ihre sozialen Transferleistungen, um ihre zusätzlichen Kosten, die durch den Alltag mit einer Behinderung entstehen, auszugleichen.
Mit dem bevorstehenden Europäischen Behindertenausweis müssen die EU-Mitgliedstaaten die Anerkennung des Behindertenstatus untereinander sicherstellen, um die Mobilität in Bezug auf Beschäftigung und Bildung zu erleichtern. Generell muss der Fokus auf die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze und nicht nur auf die Beschäftigungsquoten verlagert werden.
Es fehlen Programme, die auf die Aktivierung von Menschen mit Behinderungen abzielen, die derzeit als nicht erwerbstätig gelten, aber vom Eintritt in den offenen Arbeitsmarkt profitieren könnten.
Die anfangs angeführten sechs Bereiche und dazugehörigen Maßnahmen werden in den nächsten zwei Jahren veröffentlicht. Das EDF wird mit den europäischen Institutionen, nationalen Regierungen und seinen Mitgliedern zusammenarbeiten, um die Tools zu verbreiten und sich für ihre tatsächliche Umsetzung einzusetzen.
Übersetzung und Ergänzung: Gudrun Eigelsreiter
Service-Link
Disability Employment Package to improve labour market outcomes for persons with disabilities