Das Buch „Behinderung und Ableismus“ von Andrea Schöne ist im Oktober 2022 im unrast-Verlag erschienen. Andrea Schöne definiert darin den Begriff „Ableismus“, beschreibt unter anderem, wie Ableismus entstanden ist, wie fest er in unserer heutigen Gesellschaft verankert ist und führt Beispiele an, wie sich Menschen ohne Behinderungen gegenüber Menschen mit Behinderungen verhalten sollen.
Das Buch ist in drei größere Kapitel unterteilt, die jeweils in kleinere Unterkapitel gegliedert sind.
Wissenschaftliche Hintergründe und Geschichte hinter Ableismus
Das erste Kapitel heißt „Wissenschaftliche Hintergründe und Geschichte hinter Ableismus“. Es befasst sich mit der Geschichte des Begriffes „Ableismus“ – wann, wie und wo er entstanden ist, die genaue Definition des Begriffes und wer ihn geprägt hat.
Die Autorin erwähnt die von Michael Oliver und Irving Kenneth Zola gegründeten „Disability Studies“, welche die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen erforschen. Disability Studies kritisieren die Annahme von Behinderung als etwas, woran die betroffene Person leidet. Weiters versucht sie, Behinderungen im historischen Kontext zu erforschen – was eng mit der Disability History, also der Geschichte des Umgangs mit Behinderungen, zusammenhängt.
Weiters zeichnet sie den Umgang mit Sprache in Verbindung mit Behinderung auf – sie erwähnt ableistische Äußerungen, Euphemismen und Selbstbezeichnungen. Auch der Unterschied zwischen „person-first-language“ (‚Mensch mit Behinderung‘) und „identity-first-language“ (‚behinderter Mensch‘) wird erklärt.
Die Autorin zeigt auch drei Modelle, die die Sichtweisen auf Behinderung unterschiedlich demonstrieren: Einerseits das „Medizinische Modell“, das die Behinderung als „Defizit“ sieht, das es zu beseitigen gilt. Das „Soziale Modell“ besagt, dass Menschen durch das Sozialsystem behindert werden anstatt durch ihre Behinderung. Das „Kulturelle Modell“ legt den Fokus auf gesellschaftlich konstruierte Normalität und möchte Wissen über Körper bzw. Normalität verschaffen.
Phänomene, Stereotype, Sichtweisen von Alltagsableismus
Das zweite Kapitel, „Phänomene, Stereotype, Sichtweisen von Alltagsableismus“, hat die unterschiedlichen Facetten von Ableismus im Alltag zum Thema. Andrea Schöne nennt hier Mikroaggressionen, Stigmatisierung und Distanzlosigkeit als Beispiele und erwähnt auch zwei englische Begriffe, die Ableismus beschreiben – „Inspiration Porn“ (Menschen mit Behinderung dargestellt als „Helden und Inspiration“) und „Pity Porn“ (Menschen mit Behinderung dargestellt als „bemitleidenswerte, arme Leidtragende“)
Sie erklärt, dass Ableismus im Alltag nicht immer nur Behindertenfeindlichkeit bedeutet – er ist noch viel mehr als bloß das. Auch fehlende Unterstützungsmittel, Barrieren, unbedachte Äußerungen oder eben „Inspiration Porn“ und „Pity Porn“ zählen zu dem Alltags-Ableismus.
Ignoranz, beispielsweise gegenüber der Lebenswelt und Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen, ist ebenso eine Form von Ableismus. Dazu zählt unter anderem „Gaslighting“, also das Absprechen bestimmter Diskriminierungs-Erfahrungen, oder „Victim-Blaming“, eine Technik, bei der man den Menschen mit Behinderung selbst für ableistische Erfahrungen verantwortlich macht.
Es gibt aber auch etwas, das sich „positive Diskriminierung“ nennt. Das ist, wenn besonders viel Aufmerksamkeit auf die Behinderung eines Menschen gezogen wird, wie etwa in Filmen, der Werbung, Serien etc.) oder sie als „Anlaufstelle“ für neugierige Fragen bezüglich ihrer eigenen Behinderung gebraucht werden.
Auswirkungen von Ableismus im Alltag
Im dritten und letzten Kapitel, „Auswirkungen von Ableismus im Alltag“ beschreibt Andrea Schöne die Konsequenzen, die Ableismus für das tägliche Leben hat. Dabei betont sie, dass Ableismus viele sehr schwere Folgen haben kann, und das zwar vor allem, aber nicht nur für Menschen mit Behinderungen.
Ein paar dieser Folgen können beispielsweise Leistungsdruck oder Selbstwertgefühlsprobleme sein.
Ebenso ist es möglich, dass Menschen aufgrund von Ableismus versuchen, ihre Behinderung zu verstecken. Da sie infolgedessen oft auch benötigte Hilfsmittel nicht verwenden, kann das gefährlich sein.
Abschließend gibt die Autorin der*dem Leser*in noch ein paar Tipps für den Erstkontakt mit Menschen mit Behinderung. Diese umfassen Behinderungen verschiedenster Arten.
Andrea Schöne: Behinderung & Ableismus. unrast transparent – linker alltag Band 6 2022, Preis: € 8,90
UNRAST Verlag | Behinderung & Ableismus (unrast-verlag.de)
Rezension von Melissa Felsinger