Bericht: Gudrun Eigelsreiter
Zum Hintergrund:
Wir sehen uns gerade mit multiplen Krisen konfrontiert. Neben der Klimakrise und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, gesellt sich nun auch eine Wirtschaftskrise hinzu. All diese Krisen treffen Menschen mit Behinderungen besonders hart. Auch die steigenden Lebenserhaltungskosten für Nahrung, Energie, Heizen, etc. Sie führen dazu, dass die Anzahl der Personen, die von Armut betroffen sind oder an der Armutsgrenze leben rasant ansteigt. Menschen mit Behinderungen gehören zu jenen Personengruppen, die ohnehin schon stärker von Armut betroffen sind. Laut EUROSTAT trugen im Jahr 2019 im EU-Durchschnitt 28,4 Prozent der Menschen mit Behinderungen ein höheres Risiko von Armut und Sozialer Exklusion betroffen zu sein. Im Vergleich zu „nur“ rund 18 Prozent der Menschen ohne Behinderungen (Vgl. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=File:Disability_and_poverty_-_Visual.jpg ). Angesichts der steigenden Lebenserhaltungskosten und die Folgen für Menschen mit Behinderungen hielt das Europäische Behindertenforum (EDF) am 6.Oktober 2022 ein Treffen mit anderen europäischen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) ab.
Steigende Kosten – Starke Betroffenheit von Menschen mit Behinderungen
Übersetzung und Ergänzung: Gudrun EigelsreiterOriginal des EDFs abrufbar unter: https://www.edf-feph.org/increasing-cost-of-living-persons-with-disabilities-hit-harder/
Die Preise sind stark gestiegen, während zeitgleich die Behindertenbeihilfen und Gehälter sinken oder gleichbleiben. Assistive Technologien sind teurer geworden und drängen Menschen mit Behinderungen tiefer in die Armut. Die erhöhten Energiekosten führen dazu, dass das Heizen für viele immer weniger leistbar ist. Bei Menschen mit Behinderungen führt die geringere Raumtemperatur teilweise dazu, dass sich chronische Schmerzen und Gesundheitsprobleme verschlimmern. Zu den steigenden Lebenserhaltungskosten müssen Menschen mit Behinderungen auch zusätzliche Kosten tragen, die mit dem Leben in einer nicht barrierefreien Welt verbunden sind.
Weniger Einkommen
Die Teilnehmer*innen brachten auch das Thema der sinkenden Einkommen zur Sprache: Viele Personen, die auf Behindertenbeihilfen angewiesen sind, sehen, dass diese nicht an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst wurden. Einige Regierungen von EU-Staaten reduzieren die Behindertenbeihilfen sogar und lenken das Geld um. Das treibt viele noch tiefer in die Armut. Die „Beihilfenfalle“ verstärkt diesen Effekt. Diese „Beihilfenfalle“ bezieht sich darauf, dass Regierungen Behindertenbeihilfen oft drastisch kürzen oder streichen, wenn Menschen mit Behinderungen eine berufliche Beschäftigung aufnehmen. Das heißt, dass sie oftmals durch ihre Arbeit weniger Einkommen erzielen als beim Bezug von Beihilfen, und daher davon abgehalten werden, in den Arbeitsmarkt einzutreten. (Dies ist auch in Österreich ein Problem: siehe Kapitel zu Art.27 „Arbeit und Beschäftigung“ des Zivilgesellschaftsbericht des Österreichischen Behindertenrats https://www.behindertenrat.at/wp-content/uploads/2018/07/2018-07-17-ZGB-Deutsch.pdf ab Seite 25).
Mehr Ausgaben
Neben sinkenden Einnahmen sind die zusätzlichen Lebenshaltungskosten in einer nicht-barrierefreien Welt höher. Auch assistive Hilfstechnologien (Elektrorollstühle, Beatmungsgeräte, Hörgeräte) werden immer teurer. Diese Technologien sind naturgemäß stark auf Elektrizität angewiesen, sodass Menschen mit Behinderungen Gefahr laufen, ihre lebensrettenden Geräte wie Beatmungsgeräte, elektrische Rollstühle, Hörgeräte nicht adäquat pflegen zu können. Kosten für Heizung (und Kühlung) Ein reduzierter Heizverbrauch wird auch Menschen mit Behinderungen Probleme bereiten. Für einige wird es chronische Schmerzen und andere Gesundheitsprobleme verschlimmern. Für andere wird es die Mobilität reduzieren und funktionelle Einschränkungen verstärken. Reduziertes Heizen an Schulen, Arbeitsplätzen und öffentlichen Diensten kann Menschen mit Behinderungen davon abhalten, die allgemeine Bildung zu besuchen, ihre Beschäftigung einzuschränken und dazu führen, dass sie notwendige Dienstleistungen meiden.
Anliegen des EDFs
Die Teilnehmer*innen formulierten zwei Forderungen an die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten:
- Die Mitgliedsstaaten sollten in dieser Zeit (der Krise) spezifische Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen schaffen – einschließlich der Erhöhung der Freibeträge und des Zugangs zu ermäßigten Tarifen.
- Die EU sollte die finanzielle Mittel neu ausrichten, um Menschen mit Behinderungen zu unterstützen, und die Mitgliedstaaten sollten diese Möglichkeiten so bald wie möglich nutzen.
- Auch die Teilnehmer*innen verpflichteten sich, mehr an diesem Thema zu arbeiten.
Wer helfen möchte, kann die Umfrage des EDFs zum Thema steigende Lebenserhaltungskosten in englischer Sprache ausfüllen: Zur Umfrage