Das Europäische Parlament debattierte am 12. Dezember 2022 den Bericht „Gleiche Rechte für Menschen mit Behinderungen“ (Towards equal rights for persons with disabilities) und nahm diesen am 13. Dezember an.
Über den Bericht
- In dem Bericht verurteilen die Mitglieder des Europäischen Parlaments (EU-Parlaments), dass Mittel der Europäischen Union (EU) für den Bau von Einrichtungen verwendet wurden und werden, obwohl die Kommission in ihrer Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 zugesagt hatte, die Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in Pflegeheimen oder Betreuungszentren einzustellen.
- Außerdem weisen die Mitglieder darauf hin, dass es keine kohärenten horizontalen EU-Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung gib. Sie fordern den Rat auf, die Verhandlungen über die Gleichbehandlungsrichtlinie, die seit 2008 blockiert wird, vor allem aufgrund von Fragen im Zusammenhang mit angemessenen Vorkehrungen, rasch und erfolgreich abzuschließen.
- Unterstrichen wurde auch, dass Kinder, Frauen und die LGBTQI+-Gemeinschaft (Menschen, die homosexuell, transsexuell, queer, intersexuell oder asexuell sind) einem erhöhten Risiko von Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind. Es werden unter anderem alle Mitgliedstaaten dazu aufgefodert, der Zwangssterilisation ein Ende zu setzen. Zudem werden angemessene Maßnahmen gefordert, um alle Hindernisse zu beseitigen, die Menschen mit Behinderungen dem Zugang zur Justiz (Rechtssystem) verwehren.
- Außerdem erschweren die nationalen Unterschiede bei den Systemen zur Bewertung von Behinderungen und der Mangel an Investitionen in verschiedenen Mitgliedstaaten den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Beschäftigung, Gesundheitsversorgung, Verkehrsmitteln und Bildung.
- Im Hinblick auf die nächste EU-Wahl im Jahr 2024 werden Empfehlungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen und öffentlichen Leben ab und weisen darauf hin, dass sie in die Bewältigung von Klimakatastrophen einbezogen werden müssen.
- Abschließend fordern die Mitglieder, dass die Vorteile des EU-Behindertenausweises ausgeweitet werden müssen, wie dies auch im Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2023 vorgesehen ist.
Die Debatte im EU-Parlament
Die Berichterstatterin – EU-Abgeordnete Anne-Sophie Pelletier (aus Frankreich/ Mitglied der EU-Fraktion „Die Linke“) – begann mit der Präsentation des Dokuments in französischer Gebärdensprache, bevor ihr mitgeteilt wurde, dass es keine Verdolmetschung aus der französischen Gebärdensprache gäbe, und sie angewiesen wurde, eine andere Sprache zu verwenden. Dies war eine klare Demonstration der Barrieren, mit denen Menschen mit Behinderungen noch immer konfrontiert sind, und der mangelnden Barrierefreiheit des täglichen Lebens.
Anne-Sophie Pelletier betonte die Bedeutung der Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
- der Deinstitutionalisierung und der Beendigung der Finanzierung von Institutionen;
- die horizontale Gleichbehandlungsrichtlinie voranzubringen und zu verabschieden;
- die Zwangssterilisation zu verbieten;
- die Teilnahme am politischen Prozess zu unterstützen;
- die Unterstützung im täglichen Leben und durch Pflegepersonen sicherzustellen;
- den Zugang zur Justiz sicherzustellen.
Der EU-Abgeordnete Jordi Cañas betonte im Namen des „EU-Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“, dass es eine Bewegung in Richtung Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen geben müsse.
Die EU-Abgeordnete Ulrike Müller sprach im Namen des Petitionsausschusses über die Notwendigkeit, Menschen mit Behinderungen Freiheit zu garantieren, und dass dies auch einschließt, zu leben, wo und mit wem sie wollen.
Für die „EU-Kommissarin für Gleichstellung“, Helena Dalli ist die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (UN-BRK) der Leuchtturm, der uns leiten sollte. Unabhängig zu leben und in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden, sei ein wichtiger Eckpfeiler aller Rechte. Vor allem Barrierefreiheit ist ein Wegbereiter für weitere Rechte. Diesbezüglich betonte sie auch die Ambitionen des EU-Behindertenpass, der im Jahr 2023 möglichst in allen EU-Ländern eingeführt werden soll. Außerdem erwähnte sie den Wunsch der EU-Kommission, die Verhandlungen über die „horizontale Gleichbehandlungsrichtlinie“ noch stärker voranzutreiben, und betonte die Bedeutung angemessener Vorkehrungen sowie des diskriminierungsfreien Zugangs für Menschen mit Behinderungen in dieser Richtlinie.
Zu den weiteren Redner*innen der interfraktionellen Gruppe „Behinderung“ gehörte auch die EU-Abgeordnete Katrin Langensiepen, die stärkere Schritte zur Verwirklichung der Freizügigkeit forderte – einschließlich der Barrierefreiheit von Verkehrsmitteln und Chancengleichheit auf dem offenen Arbeitsmarkt.
Der EU-Abgeordnete Stellios Kympouroupolos verurteilte die anhaltende Diskriminierung in allen Lebensbereichen und betonte die Notwendigkeit, die Rechtsfähigkeit trotz Behinderung zu gewährleisten.
Die EU-Abgeordnete Mónica Semedo teilte ihre eigenen Kämpfe als sehbehinderte Person und die Notwendigkeit, Menschen mit Behinderungen das Wahlrecht in jedem EU-Staat zuzugestehen.
Der EU-Abgeordnete Ádám Kósa teilte die Notwendigkeit, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu gewährleisten.
Die EU-Abgeordnete Rosa Estaràs Ferragut forderte eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft. Sie betonte die Notwendigkeit, Stereotype zu bekämpfen und barrierefreien Wohnraum zu schaffen.
Zum Abschluss der Debatte erklärte die EU-Kommissarin für Gleichstellung Helena Dalli, dass sie sich schon auf die Zusammenarbeit freue, um die Umsetzung der „EU-Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ und der „UN-BRK“ sicherzustellen. Abschließend forderte EU-Abgeordnete Pelletier die EU-Kommission auf, einen starken Vorschlag zum EU-Behindertenpass (European Disability Card) vorzulegen.
Original European Disability Forum
Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter