Der internationale ME/CFS-Tag am 12. Mai macht auf Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue Syndrom aufmerksam.
ME/CFS ist eine schwere Multisystemerkrankung, für die es aktuell keinerlei adäquate Versorgung gibt. Bereits leicht Betroffene sind so stark eingeschränkt, dass sie meist höchst einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können. Schwer Betroffene sind auf Vollzeitpflege angewiesen.
“Nach internationalen Studien ist die Lebensqualität der Betroffenen geringer als bei vielen anderen, schweren chronischen Erkrankungen. Die Versorgungslage ist jedoch nicht ansatzweise vergleichbar. Es gibt in Österreich keine einzige öffentliche Anlaufstelle für ME/CFS”, erklärt Kevin Thonhofer, Obmann der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS.
Dauerhafte Herausforderung für Wirtschaft, Gesundheitssystem und Gesellschaft
Wie andere Viren auch, kann auch SARS-CoV-2 ein Auslöser für ME/CFS sein. “In den nächsten Jahren muss deshalb mit einer Verdopplung der Zahl der von ME/CFS-Betroffenen gerechnet werden“, so die Exper*innen Dr. Herbert Renz-Polster und Prof. Carmen Scheibenbogen. Zu den geschätzten 26.000 bis 80.000 Betroffenen in Österreich kommen durch die Pandemie unzählige Menschen dazu, die mit ME/CFS als schwerster Form von Post Covid dringend Versorgung brauchen.
Hinter dem massiven Anstieg stecken nicht nur menschliche Tragödien. Es ist auch eine dauerhafte Herausforderung für Wirtschaft, Gesundheitssystem und Gesellschaft. Denn ME/CFS trifft vor allem junge Menschen und schränkt diese meist dauerhaft ein.
Neben dem massiv steigenden Bedarf an medizinischer Versorgung hat die Pandemie international zu einem gestiegenen Interesse der ME/CFS-Forschung geführt. Im letzten Jahr gab es daher viele wichtige Erkenntnisse. So wurden unter anderem die massiv verlangsamte Regeneration von ME/CFS-Betroffenen oder ein erhöhter Natrium-Gehalt in den Muskeln als mögliche Ursache für eine erhebliche Muskelschwäche nachgewiesen.
“Die Hoffnung der Betroffenen ist, dass ein besseres Verständnis der Krankheit endlich zu den dringend notwendigen Behandlungsmöglichkeiten führt”, sagt Thonhofer. Denn aktuell gibt es kein einziges Medikament zur ursächlichen Behandlung der Erkrankung. In Österreich gibt es allerdings momentan noch keine großen Forschungsinitiativen oder -förderungen für ME/CFS.
Komplexes Gesundheitssystem verzögert Lösungen
Die Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS rief Ende 2021 eine Petition ins Leben, die Aufklärung, Versorgung, Absicherung für
Betroffene und Forschung zu ME/CFS fordert. Die Nationalratsabgeordnete der Grünen, Heike Grebien, brachte die Petition im Petitionsausschuss ein. “Die Mitglieder des Petitionsausschusses haben sich sehr betroffen von der schwierigen Lage der ME/CFS-Erkrankten in Österreich gezeigt. Wir freuen uns sehr über ihre Unterstützung und dass aus der Petition ein Entschließungsantrag im Gesundheitsausschuss hervorgegangen ist”, sagt Astrid Hainzl, stellvertretende Obfrau der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS. Der Antrag wurde von allen Fraktionen unterstützt und fordert die Regierung sowie die zuständigen Ministerien auf, die Versorgung zu verbessern sowie die Forschung zu fördern. “Das ist ein erster, wichtiger Schritt in Österreich. Jetzt müssen die nächsten Schritte rasch und konkret folgen”, so Hainzl weiter.
Für die dringend notwendigen Verbesserungen zur medizinischen Versorgung und sozialen Absicherung von Menschen mit ME/CFS braucht es den Willen aller Stakeholder im Gesundheitssystem, sich endlich mit der Erkrankung zu beschäftigen. Die im
Petitionsprozess abgegebenen Stellungnahmen einiger Institutionen zeigen noch mangelhaftes Krankheitsverständnis sowie wenig Bewusstsein für die schwierige Situation der Betroffenen.
Aktionen zum Internationalen ME/CFS-Tag
Weltweit wird am 12. Mai auf ganz unterschiedliche Weise auf ME/CFS aufmerksam gemacht. Damit auch in Österreich die Betroffenen und ihre schwierige Lage ohne medizinische Versorgung und soziale Absicherung sichtbar werden, organisiert die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS einige Aktionen.
Protestaktion vor dem Parlament
Vor dem österreichischen Parlament findet am 12. Mai 2023 von 10 bis 12 Uhr eine Protestaktion in der Tradition von #MillionsMissing statt. Unter dem Motto #unversorgtseit1969 – als Referenz auf die Anerkennung der Erkrankung durch die WHO seit 1969 – machen Betroffenen und Angehörige auf die schlechte Versorgungslage aufmerksam.
“Die aufgestellten Schuhe und Botschaften stehen für die Betroffenen, die zu krank sind, um zu protestieren und sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie wollen wir am 12. Mai sichtbar machen”, betont Thonhofer. Die Aktion wird ab 11 Uhr mit Redebeiträgen von Barbara Kaufmann (Autorin, Filmemacherin), Jennifer Blauensteiner (Dozentin, ME/CFS-Forscherin), Matthias Mollner (bildender Künstler, Angehöriger), Maria Katharina Moser (Direktorin Diakonie Österreich) und Daniela Brodesser (Armutsaktivistin, Autorin) unterstützt.
“Mit ME/CFS erhält man ein Erste-Klasse-Ticket durch die Hölle. Wir kämpfen darum, diese Höllenfahrt zu beenden“, sagt Matthias
Mollner, bildender Künstler und selbst Angehöriger einer schwerst von ME/CFS Betroffenen. Die Betroffenen, die zu krank sind, um vor Ort teilnehmen zu können, posten ihre Bilder und Botschaften unter #unversorgtSeit1969 und #MillionsMissing in den sozialen Medien.
Blaue Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten und Gebäuden
Eine Aktion, die wiederholt stattfindet, ist die blaue Beleuchtung von Sehenswürdigkeiten und Gebäuden in ganz Österreich in der Nacht vom 12. Mai. Blau ist die ME/CFS-Awarenessfarbe. Mit dabei sind etwa das Wiener Riesenrad, das Volkstheater, die Donaukanalbrücken, der Grazer Uhrturm, das Orpheum Graz, Lentos, die ARS Electronica, das goldene Dachl, der Pyramidenkogel, der Lindwurm, das Schloss Mirabell, der Schlossberg in Bruck an der Mur, der Klangturm St. Pölten und die Burgruine Falkenstein. Bilder der Aktion werden auf den Social Media Accounts der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS veröffentlicht.
ME/CFS Awarenes-Sshirts und Sichtbarkeit in Sozialen Medien
Auch online soll am 12. Mai auf ME/CFS aufmerksam gemacht werden. In den sozialen Medien zeigen Betroffene, Angehörige, Sportler*innen wie die #teamströck-Athlet*innen und Politiker*innen ihre Solidarität mit den Betroffenen. Sie klären auf und zeigen sich im Awareness-Shirt der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS unter den Hashtags #unversorgtSeit1969 und #MillionsMissing.
“Dieses Jahr gibt es ein neues Design, aber die Botschaft bleibt leider die gleiche: Es braucht Aufklärung, Versorgung und Forschung. Und zwar jetzt!” so Thonhofer.
Benefizlesung – Die Verdächtigen
Am 13. Mai findet um 19:00 eine Benefizlesung von „Die Verdächtigen.“ in den Breitenseer Lichtspielen zugunsten der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS statt. Organisation und Text stammen von Barbara Kaufmann. Gelesen wird von Solmaz Khorsand, Franziska Schwarz, Deborah Sengl und Ana Wetherall-Grujic.