Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrates zum Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK-G) geändert wird
Der Österreichische Behindertenrat begrüßt ausdrücklich das Vorhaben des Bundesministeriums für Inneres, eine Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (im Weiteren: Ermittlungsstelle) für den Zweck der bundesweiten Ermittlung und Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen (gegen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Bedienstete des Bundes, sonstige Bedienstete der Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst, sowie Bedienstete des Bundesministerium für Inneres oder diesem nachgeordnete Dienststellen, die zur Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind).
Hierbei ist jedoch unbedingt darauf zu achten, dass die tatsächliche Unabhängigkeit einer solchen Ermittlungsstelle garantiert ist. Auch ist zu beachten, dass die Ermittlungsstelle derart ausgestaltet ist, dass der gleichberechtigte Zugang für Menschen mit Behinderungen gewährleistet ist.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 2 Abs. 10 und 12 und § 7
Damit die tatsächliche Unabhängigkeit einer Ermittlungsstelle sichergestellt ist, muss eine solche außerhalb des Ressortbereichs des Innenministeriums angesiedelt sein, über eigene Sach- und Personalressourcen verfügen und die Mitarbeiter*innen bzw. die Leitung weisungsfrei gestellt sein. Eine Ermittlungsstelle, die sich im Ressortbereich des Innenministeriums befindet und bei der die Personal- und Sachausstattung im Ermessen des Innenministers liegt, verdient das Prädikat unabhängig nicht.
Auch ist tatsächliche Unabhängigkeit nicht gegeben, wenn die Leiter*in der Ermittlungsstelle gemäß § 2 Abs. 10 von der Bundesminister*in für Inneres bestellt wird.
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat die Ermittlungsstelle gänzlich losgelöst vom Bundesministerium für Inneres einzurichten (mit eigener Rechtspersönlichkeit) und sie mit gesetzlich fixierten Budgetmitteln auszustatten. Außerdem ist sicherzustellen, dass der*die Leiter*in der Ermittlungsstelle die erforderliche Qualifikation hat und unabhängig von der staatlichen Verwaltung ist. Dementsprechend muss die Bestellung in einem transparenten Prozess durch ein externes Expert*innengremium stattfinden, bei welchem die fachlichen und sonstigen Eignungsvoraussetzungen klar definiert sind und die Entscheidungsgrundlage der Bestellungen dargestellt werden müssen. Zuletzt sind die Mitarbeiter*innen und die Leitung der Ermittlungsstelle weisungsfrei zu stellen.
Zu § 2 Abs. 11
Der österreichische Behindertenrat unterstreicht die Wichtigkeit einer speziellen, den Anforderungen an die Mitarbeiter*innen einer Ermittlungsstelle entsprechenden Ausbildung. Eine einmalige Ausbildung ist jedoch zu wenig. Es braucht die verpflichtende Vorgabe, dass regelmäßig, z.B. mindestens einmal jährlich, eine weiterführende Fortbildung besucht werden muss.
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat § 2 Abs. 11 um folgenden Zusatz zu ergänzen:
„Bedienstete der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe haben zudem regelmäßig an verpflichtenden Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen.“
Zu § 4
Um umfassende konsequente Ermittlungen und Aufklärungen von Misshandlungsvorwürfen sicherzustellen, sollten Ermittlungsbefugnisse auch gegenüber anderen staatlichen Bediensteten gelten, welche befugt sind Zwangsgewalt ausüben. Hier sind Beamt*innen der Justizwache, als auch Bedienstete der örtlichen Sicherheitspolizei1 in Gemeinden und Wachkörper, „denen Aufgaben polizeilichen Charakters übertragen sind.“2 zu zählen.
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat § 4 Abs. 4 durch folgende Ziffer 4 zu ergänzen:
„4. Bedienstete des Bundesministeriums für Justiz, die befugt sind Zwangsgewalt anzuwenden, sowie Bedienstete örtlicher Sicherheitspolizeien (Art. 15 Abs. 2 B-VG) und Wachkörpern, denen Aufgaben polizeilichen Charakters übertragen sind (Art. 78d. Abs. 1).“
und zusätzlich in § 4 Abs. 5 die Zahl „3“ durch die Zahl „4“ zu ersetzen.
Zu § 9a Abs. 4
Die Einrichtung eines Unabhängigen Beirats Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe (im Weiteren: Beirat) zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung der Ermittlungsstelle wird vom Österreichischen Behindertenrat positiv bewertet. Für die wirksame und vollumfängliche Unabhängigkeit eines solchen Beirats ist es jedoch unerlässlich, dass die Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder unabhängig, in einem transparenten Prozess und auf Basis ihrer fachlichen Eignung gewählt und nicht – wie vorgesehen – von dem*r Bundesminister*in für Inneres bestellt werden.
Zu § 9a Abs. 9
Für die wirksame Arbeit des Beirats ist eine angemessene Sach- und Personalausstattung unentbehrlich. Analog zur Ermittlungsstelle (§ 2 Abs. 12) sollte die Sach- und Personalausstattung nicht von jener Minister*in aus erfolgen, für deren Ressortbereich die Ermittlungsstelle nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 und 5 über eine Ermittlungsbefugnis verfügt.
Auch muss darauf hingewiesen werden, dass es für die Sicherstellung der Unabhängigkeit des Beirats weder zweckmäßig noch ausreichend ist, den Beirat in Räumlichkeiten außerhalb des Bundesamts unterzubringen.
Um den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zum Beirat sicherzustellen und diese Personengruppe nicht von der Möglichkeit als Mitglied bzw. Ersatzmitglied des Beirats tätig zu sein auszuschließen, müssen die Büroräumlichkeiten vollständig barrierefrei sein.
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat, dass die administrativen Tätigkeiten durch die Bediensteten der Ermittlungsstelle (in der zu § 2 skizzierten unabhängigen Form) durchgeführt werden und auch von dieser die Sach- und Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Zu § 9b
Um den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zum Beirat als Meldestelle sicherzustellen, muss eine barrierefreie Meldung von Misshandlungsvorwürfen im Sinne des § 4 Abs. 5 gewährleistet sein.
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat § 9b um folgenden fett gedruckten Zusatz zu ergänzen:
„Jedermann ist berechtigt, einen Misshandlungsvorwurf im Sinne des § 4 Abs. 5 schriftlich oder elektronisch an den Beirat zu melden. Der Beirat hat dafür Sorge zu tragen, dass die Meldung in barrierefreier Form möglich ist. Der Beirat hat diese Meldung unverzüglich der Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe zur Behandlung zuzuleiten.“
Zu § 9d Abs. 2
Ermittlungen bezüglich der Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt mit Todesfolge, lebensgefährlichem Waffengebrauch sowie Misshandlungsvorwürfen gemäß § 4 Abs. 4 und 5 können neben der strafrechtlichen Klärung selbiger Vorwürfe auch der Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in die von den Vorwürfen betroffenen Akteur*innen dienen. Hierzu kann das Herstellen von Transparenz durch die Veröffentlichung von Jahresberichten über die Tätigkeiten der Ermittlungsstelle und des Beirats für die Öffentlichkeit beitragen.
Um den gleichberechtigten Zugang von Menschen mit Behinderungen zu Berichten und Empfehlungen sicherzustellen, sind diese auch in barrierefreier Form zu veröffentlichen
Deshalb empfiehlt der Österreichische Behindertenrat § 9d Abs. 2 um folgenden fett gedruckten Zusatz zu ergänzen:
„Der Beirat kann darüber hinaus jederzeit dem Bundesminister für Inneres und, soweit es ihm geboten erscheint, der Öffentlichkeit berichten. Empfehlungen an den Bundesminister für Inneres und an den Direktor gemäß § 9a Abs. 2 sind zu veröffentlichen. Zudem sind jährlich Jahresberichte über die Tätigkeiten der Ermittlungsstelle und des Beirats in barrierefreier Form zu veröffentlichen.“
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Felix Steigmann, BA MA
1 Vgl. Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), Art. 15 Abs. 2 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=bundesnormen&Gesetzesnummer=10000138, letzter Zugriff: 30.03.2023
2 Ebd.: Art. 78d. Abs. 1.