Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrates zum gegenständlichen Begutachtungsentwurf
Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das ORF–Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria–Gesetz, das Kommunikationsplattformen–Gesetz und das Fernseh–Exklusivrechtegesetz geändert werden, ein ORF–Beitrags–Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz und das Fernmeldegebührengesetz aufgehoben werden
Der Österreichische Behindertenrat dankt für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Der öffentliche Rundfunk hat einen Bildungsauftrag für alle Menschen in Österreich. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, muss der ORF all seine Angebote barrierefrei zur Verfügung stellen, da andernfalls Menschen mit Behinderungen davon ausgeschlossen sind.
Auch Art 21 der UN–Behindertenrechtskonvention verpflichtet den Staat, dafür Sorge zu tragen, dass die Massenmedien ihre Dienstleistungen barrierefrei anbieten.
Dem Auftrag folgend hat der ORF mit orf.at die einzige kostenlose, barrierefreie Nachrichtenseite mit z.B. Nachrichten in einfacher Sprache geschaffen und die Barrierefreiheit seiner Sendungen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut.
Gerade diese barrierefreien Angebote dürfen durch die vorliegende Novelle nicht in Gefahr gebracht werden bzw. muss der weitere Ausbau der Barrierefreiheit der Angebote ermöglicht werden, da andernfalls der ORF seinen Bildungsauftrag betreffend Menschen mit Behinderungen nicht mehr erfüllen kann und sie damit von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe ausgeschlossen werden.
In dem Zusammenhang sei auch auf das Regierungsprogramm hingewiesen, das folgendes festhält: „Der barrierefreie Zugang ist nicht nur physisch zu begreifen, sondern auch als elementarer Bestandteil des Zugangs zu Information, Leistungen, Beratung und Betreuung. Hier trägt jeder Politikbereich im Sinne der Inklusion Verantwortung, auf die Bedürfnisse und Interessen von Menschen mit Behinderungen einzugehen.“
Daher sind in Entsprechung der (inter-)nationalen Vorschiften und dem Regierungsprogramm noch nachfolgende Punkte am Begutachtungsentwurf zu ändern:
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 4e Abs 2 ORF–G
In diesem Absatz ist u.a. normiert, dass die Gesamtanzahl der Textbeiträge nicht mehr als 350 pro Kalenderwoche betragen darf.
In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt, dass „allfällige zur Herstellung der Barrierefreiheit hinzugefügte Texte nicht in die Berechnung einzubeziehen sind“. Diese Ausführungen in den Erläuterungen werden zwar begrüßt, jedoch ist es zur Schaffung der erforderlichen Rechtssicherheit unbedingt erforderlich, dass im Gesetz eine Passage aufgenommen wird, die klarstellt, dass Beiträge in leichter Sprache bei der Berechnung der Gesamtanzahl nicht berücksichtigt werden dürfen.
Ergänzend sei angeführt, dass es durch die Novelle zu keiner Reduktion des Angebots an Beiträgen in leichter Sprache kommen darf.
Außerdem müssen auch Textbeiträge, die Informationen mit Handlungs– und Verhaltensempfehlungen aufgrund von Krisensituationen (z.B. Blackout, Verkehrssicherheit, Epidemien, Pandemien, Unwettersituationen) enthalten, bei der Berechnung der Gesamtanzahl ausgenommen werden.
Hierzu sei erwähnt, dass diese Informationen verpflichtend (auch) in leichter Sprache angeboten werden müssen.
Weiters wird in diesem Absatz vorgesehen, dass die Beiträge für max. 14 Tage bereitgestellt werden dürfen.
Gerade für Inhalte mit besonderer Relevanz für Menschen mit Behinderung (z.B. Informationen über politische, gesellschaftliche und/oder gesundheitliche Entwicklungen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen im Kern betreffen) erscheint diese Befristung auf 14 Tage nicht sachgerecht und es sollte daher im Gesetz vorgesehen werden, dass diese Beiträge länger als 14 Tage veröffentlicht werden dürfen.
Zu § 4e Abs 2a ORF–G
Hier wird festgeschrieben, dass die Überblicksberichterstattung kein Nachrichtenarchiv umfassen darf.
Da das Verbot eines Nachrichtenarchivs zu einem Informationsdefizit bei Menschen mit Behinderungen führen kann, ist in dem Absatz eine Ausnahme für Beiträge, deren Inhalt die Anliegen von Menschen mit Behinderungen betreffen und deren Informationsgehalt von nachhaltiger Bedeutung ist (z.B. politische oder gesetzliche Entwicklungen, die das Leben von Menschen mit Behinderungen besonders betreffen) vorzusehen.
Weiters wird in dem Absatz normiert, dass es max. 80 Tagesmeldungen pro Bundesland pro Kalenderwoche geben darf. Auch hier ist gesetzlich unbedingt vorzusehen, dass Beiträge in einfacher Sprache nicht bei der Ermittlung der Gesamtzahl zu berücksichtigen sind.
Zu § 4e Abs 4 ORF–G
In diesem Absatz wird geregelt, wie lange die Sendungen im Abrufdienst bereitgestellt werden dürfen.
Hier ist vorzusehen, dass Sendungen zu den Themen Inklusion und Diversität sowie Sendungen in barrierefreien Formaten (z.B. Audiodeskription, Untertitelung, Österreichische Gebärdensprache, einfache Sprache) zeitlich unbefristet zur Verfügung gestellt werden können.
Zu § 39 ff ORF-G
Wie wohl der ORF seine selbst gesteckten Ziele des Aktionsplans im letzten Jahr sogar teilweise übererfüllt hat, ist bei diesem Tempo nicht davon auszugehen, dass das im ORF-G definierte Ziel einer hundertprozentigen Barrierefreiheit 2030 erreicht werden kann.
Um einen schnelleren Ausbau der Barrierefreiheit zu ermöglichen, schlägt der Behindertenrat vor, dass legistisch verankert wird, dass ein allfälliger Einnahmenüberschuss zur Finanzierung eines Ausbaues der barrierefreien Angebote, der über die Zielwerte des Aktionsplans hinausgeht, verwendet werden kann und dafür eine zweckgewidmete Rücklage zu bilden ist.
Darüber hinaus fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 5 Abs 2 ORF-G dahingehend präzisiert wird, dass bereits bei der linearen Fernsehausstrahlung die Untertitelung angeboten werden muss und nicht (wie bisher bei manchen Bundesländersendungen) nur die online bereitgestellten Versionen untertitelt sind.
Weiters, dass nicht nur die in ORF2 linear ausgestrahlten bzw. online in der ORF TVthek bereitgestellten Interviews der ZIB2-Sendungen mit Untertiteln angeboten werden, sondern auch die ausschließlich online bereitgestellten Langfassungen der Interviews untertitelt werden.
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Mag. Bernhard Bruckner