Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrates zum Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden
Der Österreichische Behindertenrat dankt für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Mit der Novelle soll die Möglichkeit zur Abhaltung einer „Videoverhandlung“ u.a. im streitigen zivilgerichtlichen Verfahren, im außerstreitigen Verfahren und in Verfahren nach der IO und der EO geschaffen werden.
Dies wird grundsätzlich begrüßt, jedoch ist hierbei sicherzustellen, dass die technischen Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung umfassend barrierefrei zugänglich und nutzbar sind, andernfalls Menschen mit Behinderungen von dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind.
Art 9 UN-BRK verpflichtet nämlich den Staat Österreich dafür Sorge zu tragen, dass der Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen umfassend barrierefrei ist.
Um dies zu erreichen sind noch nachfolgende Änderungen am Begutachtungsentwurf vorzunehmen.1
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 132a Abs 1 ZPO, § 18 Abs 2 AußStrG, § 254 Abs 3a IO, § 59a EO
Mit diesen Bestimmungen soll die Möglichkeit zur Abhaltung einer „Videoverhandlung“ in diversen Verfahrensarten ermöglicht werden.
Im Gesetzestext wird jedoch nicht auf die notwendige Barrierefreiheit der technischen Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung eingegangen bzw. diese sichergestellt.
In den Erläuterungen ist lediglich festgehalten, dass „im Falle der Beteiligung von Personen mit besonderen Bedürfnissen mit diesen vorweg abzuklären ist, ob für sie ein barrierefreier Zugang zur Videotechnologie vorhanden ist, damit ihre Verfahrensrechte gewahrt sind.“
Dies ist jedoch der falsche Ansatz. Es sollte nicht im Einzelfall geprüft werden, ob ein barrierefreier Zugang für die Person vorhanden ist, sondern es ist gesetzlich vorzuschreiben, dass die Videotechnologie umfassend barrierefrei sein muss und es muss gleichzeitig der Person ein Recht auf angemessene Vorkehrungen (siehe dazu Art 2 UN-BRK) eingeräumt werden damit die Möglichkeit einer Videokonferenz allen Menschen gleichberechtigt zur Verfügung steht.
Nur so kann ermöglicht werden, dass sich auch Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt für eine Verhandlung in Form einer Videokonferenz entscheiden können.
Daher fordert der Österreichische Behindertenrat, dass in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen in der ZPO, dem AußStrG, der IO und der EO festgeschrieben wird, dass nur eine barrierefreie Videotechnologie verwendet werden darf und außerdem Menschen mit Behinderungen, die einen darüberhinausgehenden Bedarf an Unterstützungsmaßnahmen haben, ein Recht auf angemessene Vorkehrungen haben. Zusätzlich ist im Gerichtsorganisationsgesetz, ähnlich wie zur Datensicherheit bei Videokonferenzen, ein neuer Paragraf aufzunehmen, in dem nähere Ausführungen über die Ausgestaltung der technischen Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung enthalten sind, um umfassende Barrierefreiheit der Videokonferenzen zu garantieren.
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Mag. Bernhard Bruckner
1Siehe dazu auch, mit genauen Ausführungen was umfassende Barrierefreiheit in dem Zusammenhang bedeutet, die Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats vom 03.09.2021 zu dem erstmals mit der Zivilverfahrens-Novelle 2021 vorgeschlagenen § 132a ZPO.