Einem Bericht des Rechnungshofs der Europäischen Union (European Court of Auditors) zufolge zeigten Maßnahmen der Europäischen Union (EU) kaum Verbesserungen der Situation von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedstaaten.
Die wichtigsten Gleichstellungsindikatoren hätten sich in den letzten Jahren nur unwesentlich verbessert, da Menschen mit Behinderungen nach wie vor Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden, und anfälliger für Armut bleiben. Hinzu kommt, dass die Kriterien für den Behindertenstatus in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind, was die gegenseitige Anerkennung untergraben kann und die Europäische Kommission daran hindert, sich einen fundierten Überblick über die Situation zu verschaffen. Die Exekutive der EU veröffentlichte EU-weite Strategien für Menschen mit Behinderungen und schlug neue Initiativen vor, doch die einschlägigen Rechtsvorschriften seien ins Stocken geraten, so der special report No 20/2023 “Supporting people with disabilities – Practical impact of EU action is limited” des European Court of Auditors.
Geringe Beschäftigungsquote und Armutsgefahr
Etwa ein Viertel der EU-Bürger*innen über 16 Jahren (ca. 87 Millionen Personen), vor allem ältere Menschen, leben eigenen Angaben zufolge mit einer Behinderung, so der Bericht. Da die EU-Bevölkerung altert, werden ihr Anteil und ihre Zahl wahrscheinlich zunehmen. Im Jahr 2021 hatten laut der Statistikbehörde Eurostat nur 51 % der Menschen mit Behinderungen einen Arbeitsplatz, gegenüber 75 % der Menschen ohne Behinderungen. Dem zufolge blieb die Beschäftigungslücke bei Menschen mit Behinderungen beinahe genauso groß wie 2014, als die Aufzeichnungen begonnen hatten. Menschen mit Behinderungen sind zudem stärker von Armut bedroht, wobei das Risiko für Frauen höher ist als für Männer.
„Die Kommission hat sich verpflichtet, Menschen mit Behinderungen dabei zu helfen, gleichberechtigt am täglichen Leben teilzunehmen, aber die Maßnahmen der EU zeigen nur wenig praktische Auswirkungen“, erklärte Stephanus Abraham „Stef“ Blok, für die Prüfung zuständiges Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. „Menschen mit Behinderungen in der EU haben es immer noch schwer, einen Arbeitsplatz zu finden und die Armut zu bekämpfen, und auch ihre Freizügigkeit wird behindert.“
Uneinheitlicher Behindertenstatus
Die Mitgliedstaaten seien dem Report zufolge in erster Linie für die Politik der sozialen Eingliederung zuständig, würden aber sehr unterschiedliche Unterstützung und Leistungen für Menschen mit Behinderungen anbieten und auf unterschiedliche Weise entscheiden, wer förderfähig ist. Darüber hinaus würden sie den von anderen Mitgliedstaaten zuerkannten Behindertenstatus nicht anerkennen, was einer barrierefreien Freizügigkeit entgegensteht. Infolgedessen riskierten Menschen mit Behinderungen, die ein anderes EU-Land besuchen oder zum Arbeiten oder Studieren umziehen, im Vergleich zu Inländer*innen in einer ähnlichen Situation eine Ungleichebehandlung. Sie seien nicht nur mit mehr Bürokratie konfrontiert, sondern hätten möglicherweise auch nicht den gleichen Zugang zu Dienstleistungen wie ermäßigten Gebühren für Museen oder Verkehrsmittel.
Rechtliche Mängel
Die Rolle der EU bestehe darin, Unterstützung und Koordination zu bieten. In ihrer Strategie 2021-2030 habe die Kommission die meisten früheren Mängel behoben und eine Reihe von Vorzeige-Integrationsinitiativen wie den Europäischen Behindertenausweis und das Beschäftigungspaket für Menschen mit Behinderungen vorgeschlagen – beides seien Schritte in die richtige Richtung, so die Prüfer*innen. Allerdings lasse die Strategie viele wichtige Fragen ungelöst. Fortschritte in diesem Bereich würden behindert, indem die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie nicht umgesetzt werde und die Mitgliedstaaten das europäische Gesetz zur Barrierefreiheit nur langsam in nationales Recht umsetzen würden. Auch die Verknüpfung mit der EU-Finanzierung sei nach wie vor schwach. Zudem verfolge die Kommission nicht, wie viele EU-Gelder tatsächlich in die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen fließen, was Aufschluss darüber geben könnte, wie die EU-Finanzierung ihre Situation verbessert hat.
Mangelnde Datenlage
Die Prüfer*innen hätten erhoben, ob die EU-Institutionen bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen mit gutem Beispiel vorangehen. Aufgrund mangelnder Daten sei es jedoch nicht gelungen, zu beurteilen, ob diese Institutionen ihre ehrgeizigen Ziele erreichten, indem sie Menschen mit Behinderungen in ihre Belegschaft aufgenommen haben. Die Prüfer*innen empfehlen den EU-Institutionen, die erforderlichen Daten zu erheben und über die Fortschritte zu berichten.
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