In einer gemeinsamen Pressekonferenz forderten Vertreter*innen des ÖZIV Bundesverbands, des Dachverbands berufliche Integration Austria (dabei-austria), des Österreichischen Behindertenrats, des „Chancen nutzen“-Büros im Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und des Vereins Lichterkette die Entwicklung von Maßnahmen und Rahmenbedingungen, welche die Nutzung der Potentiale von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt erleichtern. Denn die Talente von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen müssen erkannt und genutzt werden.
In seinen abschließenden Bemerkungen bzw. Handlungsempfehlungen zeigte sich der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Anschluss an die im August 2023 stattgefundene Staatenprüfung Österreichs besorgt, dass es hierzulande nach wie vor keine gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt gibt. Zeitgleich beklagen sich Unternehmen und deren Vertreter*innen lautstark über einen Arbeitskräftemangel.
„Bildungs- und Arbeitsmarktangebote begünstigen oft diejenigen, die bereits gut in den Arbeitsmarkt passen. Jugendliche mit Vermittlungsproblemen und höherem Unterstützungsbedarf sind hingegen benachteiligt und auf Maßnahmen der ‚Beschäftigungstherapie‘ angewiesen“, beschrieb Christina Schneyder, Geschäftsführerin von dabei-austria, im Rahmen einer Pressekonferenz am 10. Oktober 2023 in Wien die aktuelle Situation.
Gernot Reinthaler, Geschäftsführer des ÖZIV Bundesverbands, wies darauf hin, dass der Anteil der langzeitbeschäftigungslosen Menschen in der Gruppe der Menschen mit Behinderungen bzw. gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen fast doppelt so hoch sei wie bei Menschen ohne Behinderungen.
Existenz-sichernde Teilzeitmodelle notwendig
Zur Verbesserung der Situation und Schaffung eines inklusiveren Arbeitsmarktes müsse daher an verschiedenen Schrauben gedreht werden.
Patrick Berger, Leiter des „Chancen nutzen“-Büros im ÖGB, betonte: „Wir fordern auf Behinderung abgestimmte flexible Arbeitszeitmodelle, welche das Leben für Menschen mit Behinderungen unterstützen und verbessern!“
Erich Schmid, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats, ergänzte: „Eine existenzsichernde Teilzeittätigkeit für jene Menschen, die behinderungsbedingt nicht im vollen Stundenausmaß erwerbstätig sein können, muss durch einen Ausgleich der Entgeltdifferenz auf eine Vollzeitstelle durch die öffentliche Hand ermöglicht werden.“
Für einen Ausbau der Möglichkeit zu existenzsichernden Teilzeittätigkeiten sprach sich auch Brigitte Heller, Vorsitzende des Vereins Lichterkette, Betroffenenvertretung für Menschen mit psychosozialen Behinderungen bzw. Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen aus: „Oft ist eine Ganztagsbeschäftigung nicht möglich – ein durchdachtes, langfristiges Teilzeitmodell wäre deshalb ein Schritt in die richtige Richtung zur Stabilisierung und Vermeidung der Verschlechterung der Erkrankung/Behinderung.“ Dies gelte sowohl für Erwachsene als auch Jugendliche im gesamten Bereich chronischer Erkrankungen.
Investition in die Zukunft
Hier anknüpfend hielt Christina Schneyder fest: „Jugendliche mit Behinderungen müssen von der Politik, der Gesellschaft und von der Wirtschaft als Investition in die Zukunft und nicht als Kostenfaktor gesehen werden. Was sie auch sind. Denn in ihnen schlummern ungeahnte Potentiale und Talente – man muss sie nur erkennen und fördern.“ Es brauche eine konstruktive Zusammenarbeit sämtlicher Player wie Arbeitsmarktservice, Sozialministeriumservice und die Länder. „Um dieses Ziel zu realisieren, müssen Bund, Länder, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Interessenvertretungen strukturiert zusammenarbeiten“, forderte Erich Schmid.
„Im Endeffekt ist die Politik gefordert, hier endlich aktiv zu werden: und zwar durch Modelle, die es Menschen mit Behinderungen und Unternehmen ermöglicht, am Arbeitsmarkt besser zusammen zu finden“, so Gernot Reinthaler „Bei der Schaffung eines Inklusiven Arbeitsmarkts und Chancengleichheit sind Arbeitgeber ebenfalls gefordert, ihren Beitrag zu leisten.“