Menschen mit Behinderungen in steirischen Tageswerkstätten können künftig in Pension gehen und müssen nicht weiterhin einer Beschäftigung in einer Werkstätte nachgehen. Konkret bedeutet die Neuregelung, dass in Tageswerkstätten Beschäftigte tageweise zwischen einer Beschäftigung und dem Aufenthalt in ihrer Wohneinrichtung wählen können. Um eine optimale Betreuung in den Wohneinrichtungen auch tagsüber zu ermöglichen, werden die personellen Ressourcen aufgestockt. Eine entsprechende Novelle der BHG-Verordnung hat die Landesregierung auf Antrag von Soziallandesrätin Doris Kampus am 21. Dezember 2023 beschlossen.
Eingeführt wird dieses Modell der „Altersteilzeit” in einem ersten Schritt für zwei Personengruppen – für Menschen mit dem höchsten Grad an Behinderung über 50 Jahre und für Menschen mit einem hohen Grad an Behinderung, die älter als 60 Jahre sind. Zusammengerechnet handelt es sich um rund 260 Menschen in der Steiermark, die die neue Leistung in Anspruch nehmen können, aber nicht müssen. Im Sozialbudget sind für diese Maßnahme 8,6 Millionen Euro vorgesehen.
In den ersten sechs Monaten gibt es eine individuelle Übergangs- und Erprobungsphase für Menschen mit Behinderung in der Altersteilzeit – sie können aber auch in die Vollzeitbeschäftigung zurückkehren. Zwischen 60 und 65 Jahren können Betroffene in Altersteilzeit arbeiten oder zur Gänze in Pension gehen. Ab 65 Jahren gibt es dann keine Altersteilzeit mehr.
„Immer mehr Menschen mit Behinderung werden älter. Die Einführung von Altersteilzeit ist ein großer Wunsch der Betroffenen und eine logische Folge dieser erfreulichen Entwicklung“, erklärt Soziallandesrätin Doris Kampus. Ihr sei es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen tageweise wählen und sich an den neuen Lebensabschnitt schrittweise gewöhnen können.
Dietmar Ogris vom Verein Selbstbestimmt Leben Steiermark erklärt: „Die über das Sozialressort des Landes Steiermark eingerichtete ,Partnerschaft Inklusion´ hat sich intensiv mit dem Thema ,Alter und Behinderung´ auseinandergesetzt und einen weiteren Schritt zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen eingeleitet. Schon lange fordern die Anwaltschaft für Menschen mit Behinderung und die Selbstvertretungsorganisationen, dass Menschen, die Wohn- und Beschäftigungsangebote der steirischen Behindertenhilfe in Anspruch nehmen, in den wohlverdienten Ruhestand treten können, ohne dabei Gefahr zu laufen, die gewohnte Wohnsituation zu verlieren. Wir freuen uns sehr über ein Mehr an gelebter Chancengleichheit und Selbstbestimmung und wünschen uns, dass dieses Modell bundesweit Schule macht.”
Laut Susanne Maurer-Aldrian, Geschäftsführerin des Vereins LebensGroß können nun Senior*innen, die im vollzeitbetreuten Wohnen leben, auch tagsüber zu Hause im gewohnten Umfeld ihr Leben gestalten. Dies sei ein enormer Gewinn an Lebensqualität. „Natürlich müssen auch Anpassungen für mobil betreute Menschen mit Behinderung im Alter folgen, aber dies ist ein wirklich großer und wichtiger Schritt für Menschen mit Behinderung im Alter. Zudem ist das eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen im vollzeitbetreuten Wohnen”, so Maurer-Aldrian.
Das Ziel der neuen Maßnahmen sei es, einen weiteren Schritt für eine inklusive Steiermark zu setzen, die Lebensqualität der Menschen mit Behinderungen auch im fortgeschrittenen Alter abzusichern und ihnen ein selbstbestimmtes Leben auch in dieser Phase des Älterwerdens zu ermöglichen. Die Alltagsbegleitung in den Wohneinrichtungen werde sich dabei an deren individuellem Bedarf orientieren und soll vor allem die Beteiligung am gesellschaftlichen Leben, aber auch Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten sicherstellen.
Wichtig sei darüber hinaus, dass alle finanzielle Leistungen für Menschen mit Behinderungen in Altersteilzeit unverändert aufrecht bleiben. Die Leistung müsse bei den Bezirkshauptmannschaften beziehungsweise dem Magistrat Graz beantragt werden.
Service-Links
Steiermärkisches Behindertengesetz
Serviceportal des Landes Steiermark
E-Government Portal des Landes Steiermark