Der Sozialausschuss im Parlament der Europäischen Union (EU-Parlament) stimmte am 11. Januar 2024 mehrheitlich für einen Richtlinienvorschlag zur Einführung eines in allen Ländern der Europäischen Union geltenden physischen und gleichzeitig digitalen EU-Behindertenausweises zusätzlich zum nationalen Ausweis. Damit sollen Menschen mit Behinderungen für einen Zeitraum von maximal drei Monaten alle öffentlichen Vorteile in Anspruch nehmen können, die jeweils national gelten. Das Parlament steht geschlossen hinter dem Vorhaben. Jetzt liegt es vor allem an den Mitgliedstaaten mitzugehen. Am 17. Januar 2024 legte das EU-Parlament in Straßburg schließlich seine Verhandlungsposition für den EU-Behindertenausweis und die EU-Parkkarte für Menschen mit Behinderungen fest. Damit können die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten beginnen. Ziel der Initiative sind einheitliche Rechte und Bedingungen für Menschen mit Behinderungen, die in anderen EU-Ländern studieren oder bis zu drei Monaten arbeiten. Dazu zählen Vergünstigungen und Unterstützungen wie beispielsweise Assistenz, vergünstigte Tickets und Zugang zu reservierten Parkplätzen.
Die Anerkennung eines nationalen Behindertenstatus und damit einhergehende Vergünstigungen und Unterstützungen enden an der Grenze zu einem anderen Mitglied der Europäischen Union (EU). Ein in allen EU-Ländern geltender Behindertenausweis würde Menschen mit Behinderungen Reisen, Arbeiten und Studieren in einem anderen EU-Land erheblich erleichtern. Der EU-Behindertenausweis würde Menschen mit Behinderungen Zugang zu speziellen Konditionen, einschließlich Parkplätzen, in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewährleisten.
Mit der vorgeschlagenen Richtlinie wird ein EU-weiter Behindertenausweis eingeführt und der Europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen überarbeitet. Damit wird sichergestellt, dass Menschen mit Behinderungen bei Kurzzeitreisen Zugang zu den gleichen Sonderbedingungen haben wie die Einwohner*innen des betreffenden Mitgliedstaats, einschließlich des Zugangs zu Parkplätzen.
Sowohl der Europäische Behindertenpass als auch der Europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen soll für EU-Bürger*innen gelten, deren Behindertenstatus und -rechte von dem Mitgliedstaat, in dem sie wohnen, anerkannt werden – auch für ihre Familienangehörigen sowie Begleit- und Assistenzpersonen. Um sicherzustellen, dass auch Drittstaatsangehörige mit Wohnsitz in der EU erfasst werden, legte die Kommission einen ergänzenden Vorschlag vor.
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten nahm seinen Standpunkt zu dem vorgeschlagenen Gesetz am 11. Januar 2024 einstimmig mit 39 Ja-Stimmen, ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen an.
Kostenfreiheit, Format und Fristen
Die Abgeordneten schlugen vor, dass der Behindertenausweis innerhalb von 60 Tagen nach Antragstellung und der Parkausweis innerhalb von 30 Tagen ausgestellt oder verlängert werden soll. Außerdem soll die Möglichkeit eingeführt werden, eine digitale Version des Parkausweises zu beantragen, die innerhalb von 15 Tagen fertig sein soll.
Beide Ausweise sollen sowohl in physischer als auch in digitaler Form kostenlos erhältlich sein, so die Abgeordneten. Die Abgeordneten fordern außerdem, dass die Regeln und Bedingungen für den Ausweis in zugänglichen Formaten, auch in nationalen und internationalen Gebärdensprachen und Blindenschrift, sowie in leicht verständlicher Sprache verfügbar sind.
Anerkennung des Behindertenstatus für Arbeit, Studium und Erasmus+
Um den Zugang zu Leistungen und Sozialhilfe für diejenigen zu gewährleisten, die in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten oder studieren, änderten die Abgeordneten den Vorschlag dahingehend, dass Inhaber*innen eines Europäischen Behindertenausweises, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, um dort zu arbeiten oder zu studieren, vorübergehend geschützt sind, bis ihr Status formell anerkannt wird, einschließlich derjenigen, die im Rahmen eines EU-Mobilitätsprogramms wie Erasmus+ reisen.
Zugang zu Informationen
Die Abgeordneten fordern die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, das Bewusstsein für den Europäischen Behindertenausweis und den Europäischen Parkausweis für Menschen mit Behinderungen zu schärfen, u.a. durch die Einrichtung einer Website mit Informationen über den Erhalt, die Nutzung und die Erneuerung der Ausweise in allen EU-Sprachen sowie in nationaler und internationaler Gebärdensprache.
Schattenberichterstatterin für die Grünen und interparlamentarische Koordinatorin für die Belange für Menschen mit Behinderungen MEP Katrin Langensiepen, kommentierte am 11. Januar 2024: „Der neue EU-Behindertenausweis ist ein Meilenstein für die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen in der EU. Gerade im Punkto Reisen wird der neue EU-Behindertenausweis das Leben von 80 Millionen Menschen in der EU sichtbar erleichtern. Gleichberechtigter Zugang zu Hilfen, egal ob für einen deutschen, französischen oder griechischen Menschen mit Behinderung, das ist der Leitgedanke hinter dem neuen Ausweis. Er soll Menschen mit Behinderungen endlich die Sicherheit geben, dass ihr nationaler Behindertenstatus von Behörden und Dienstleistern in einem anderen EU-Land anerkannt wird und ihnen somit Zugang zu jeweils national geltenden Vorteilen geben. Die Zeiten ständiger Unsicherheit und sollen damit vorbei sein.“
MEP Wolfram Pirchner, ÖVP-Sprecher für soziale Angelegenheiten im Europaparlament erklärte: „Der europäische Behindertenausweis und der europäische Parkausweis sollen innerhalb von 60 Tagen kostenlos ausgestellt und verlängert werden und damit leicht für alle zugänglich sein. Das Wichtigste ist jedoch, dass die Europäerinnen und Europäer auch auf ihre Rechte durch die Anerkennung des gemeinsamen Ausweises aufmerksam gemacht werden. Deshalb fordern wir die EU-Kommission auf, eine europäische Sensibilisierungskampagne durchzuführen und eine übersichtliche EU-Website mit Informationen über nationale Sonderbedingungen und Parkbedingungen für Menschen mit Behinderungen einzurichten.“
Berichterstatterin MEP Lucia Ďuriš Nicholsonová verdeutlichte: „Mit der Verabschiedung dieses wichtigen Rechtsakts sind Menschen mit Behinderungen der Freizügigkeit in der EU einen Schritt näher gekommen. Wir sind auf dem besten Weg, das neue Gesetz in nur wenigen Monaten fertig zu stellen. Das zeigt, dass wir gewillt sind, für Menschen mit Behinderungen, die seit vielen Jahren auf diese Gesetzgebung warten, etwas zu erreichen. Die Richtlinie wurde von allen politischen Parteien unterstützt, und wir werden alles tun, um in den anstehenden Verhandlungen mit dem Rat zügig voranzukommen, damit die Menschen so bald wie möglich in den Genuss der Karten kommen können.“
Nächste Schritte
Nachdem der Draft vom Plenum auf der Plenartagung am 17. Januar 2024 bestätigt wurde, können die Verhandlungen mit dem Rat über die endgültige Form des Gesetzes beginnen. Die Mitgliedstaaten haben sich bereits auf ihren Standpunkt geeinigt.
Quelle: Europäische Union, MEP Katrin Langensiepen
Service-Link
Richtlinienvorschlag der EU-Kommission
Infografik – Menschen Behinderungen in der EU: Fakten und Zahlen