21. Februar 2024: Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Universitätsgesetz 2002, das Hochschulgesetz 2005, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Fachhochschulgesetz und das Privathochschulgesetz geändert werden
Der Österreichische Behindertenrat dankt für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Grundsätzlich wird das mit diesem Gesetzesentwurf intendierte Ziel, den hohen Bedarf an Lehrer*innen zu decken begrüßt. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob sich dieses Ziel mit dem vorliegenden Entwurf umsetzen lässt. Zudem ist ein (weiterer) Qualitätsverlust bei der Lehrer*innenbildung, Mehrfachbelastungen bei den angehenden Lehrer*innen und ein Absinken der Attraktivität des Berufs zu befürchten. All dies führt in der Konsequenz v.a. zu langfristigen Nachteilen für das Bildungssystem und für die Schüler*innen in Österreich.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 13b Abs. 3 Z. 4 UG
In § 13b Abs. 3 sind jene Punkte festgehalten, die der Entwicklungsplan als das strategische Planungsinstrument der Universität und als Grundlage der Leistungsvereinbarung insbesondere zu enthalten hat. Z. 4 nennt die langfristige Entwicklung der Standortstrategie in Hinblick auf den Raumbedarf. Laut Erläuterungen soll dies auch Sanierungs- und Erweiterungsbedarfe einschließen. Um einen diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang zu Bildung zu gewährleisten, muss eine solche Standortstrategie unbedingt Barrierefreiheit – und zwar nicht nur in Bezug auf bauliche Barrierefreiheit, sondern in einem umfassenden Sinne – berücksichtigen.
Deshalb fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 13b Abs. 3 Z.4 durch folgendes in fett
„4. langfristige Entwicklung der Standortstrategie im Hinblick auf den Raumbedarf und Barrierefreiheit;“
ergänzt wird.
Zu § 54 Abs. 3 siebenter Satz UG und § 38 Abs. 1 Z. 1-3 HG
Hier sind die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Studienzeitverkürzungen der Bachelorstudien nach UG bzw. HG festgelegt. Diese ergibt sich aus einer Reduzierung der Anrechnungspunkte von 240 ECTS auf 180 ECTS und entspricht – bei einem Vollzeitstudium – 2 Semestern.
Die Verkürzung der Studienzeit ist kritisch zu sehen, da – auch in Kombination mit der durch den Entwurf vorgesehenen Anrechnungspraxis – ein Qualitätsverlust in wichtigen Kompetenzbereichen, sowie die Gefahr einer Überforderung der angehenden Lehrer*innen beim Berufseinstieg zu erwarten ist.
Zudem ist zu hinterfragen, inwiefern der Mangel an Lehrer*innen durch die Studienverkürzung tatsächlich behoben werden kann, oder ob damit nicht auch die Gefahr eines verfrühten Berufsausstiegs aufgrund von Überbelastung in Kauf genommen wird.
Zu § 51 Abs. 2 Z. 5f, § 54 Abs. 5 UG und § 35 Z. 5a, § 38 Abs. 2-2b HG
Der Entwurf sieht die Möglichkeit von professionsbegleitenden Lehramtsstudien (§ 51 Abs. 2 Z. 5f UG bzw. § 35 Z. 5a HG) für die Masterstudien für Lehramt Sekundarstufe Allgemeinbildung (§ 54 Abs. 5 UG und § 38 Abs. 2a HG), für Lehramt Primarstufe (§ 38 Abs. 2 HG) und für Lehramt Sekundarstufe Berufsbildung (§ 38 Abs. 2b HG) vor.
Die Möglichkeit professionsbegleitender Lehramtsstudien ist jedoch aus mehreren Gründen kritisch zu sehen. So mangelt es an systematischer Vorbereitung, professioneller Betreuung und Begleitung für jene, die professionsbegleitend Lehramt studieren. Der vorliegende Entwurf sieht diesbezüglich nichts vor. Daraus ergibt sich die Gefahr von Mehrfach- bzw. Überlastungen, sowie Überforderungen der Student*innen; v.a. auch in Hinblick auf die verkürzte Studienzeit des Bachelorstudiums zum Zeitpunkt des Berufseinstiegs. Des Weiteren hat die bisherige Praxis bereits ab dem Masterstudium an Schulen unterrichtender Lehramtsstudent*innen gezeigt, dass Masterstudien nur noch in den seltensten Fällen innerhalb der vorgesehenen Regelstudienzeit absolviert werden. Folglich dauert es länger, bis vollausgebildete Lehrer*innen mit der Lehrtätigkeit beginnen können. Dieser Punkt ist v.a. in Hinblick auf das Ziel des vorliegenden Entwurfs, den Lehrer*innenmangel zu beheben problematisch und kontraproduktiv.
Auch wenn es sich hierbei um Kann-Bestimmungen handelt, ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach berufsbegleitenden Lehramt-Masterstudien – gepaart mit der mit diesem Entwurf geschaffenen rechtlichen Grundlage – dazu führen wird, dass die Universitäten bzw. Hochschulen diese auch anbieten werden.
Zu § 38 Abs. 2 HG
Hier ist festgelegt, dass für das Lehramtsstudium Primarstufe ein Schwerpunkt zu wählen ist, wobei Inklusive Pädagogik und Deutsch als Zweitsprache von der Ausbildungsstätte verpflichtend anzubieten ist. Für diese Schwerpunktsetzung im Umfang von insgesamt 60 Anrechnungspunkte ist eine Aufteilung in jeweils 30 Punkte im Bachelor- und 30 Punkte im Masterstudium vorgesehen. Im Vergleich zur geltenden Fassung des HG werden somit Anrechnungspunkte für Schwerpunkte von 60 auf 30 halbiert.
Diese Reduzierung ist auf mehrere Weise problematisch. Gerade für Berufseinsteiger*innen nach dem Bachelorstudium birgt sie die Gefahr der De-Professionalisierung, da für eine qualitativ hochwertige Inklusive Pädagogik sehr spezifische Kompetenzen u.a. in Bereichen der Fachwissenschaft, Fachdidaktik und der Bildungswissenschaft erforderlich sind. Weiters ist in Hinblick auf inklusive Bildungssettings im Primarschulbereich von Mehrfachbelastungen und bzw. oder Überforderungen der angehenden Lehrer*innen aufgrund nicht ausreichender Kompetenzen auszugehen.
Sicher ist, dass man hier keinesfalls von einem Ausbau der Ausbildung von Lehrkräften im Bereich der inklusiven Bildung sprechen kann, wie ihn erst unlängst der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in seinen Abschließenden Bemerkungen an Österreich dringlichst empfohlen hat.1
Zu Anlage zu § 74a Abs. 1 Z 4 HG bzw. Anlage zu § 30a Abs. 1 Z 4 HS-QSG
Die Anlagen zum Hochschulgesetz bzw. zum Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz enthalten die Rahmenvorgaben zur Studienarchitektur. Hier sind die Anrechnungspunkte für die unterschiedlichen Komponenten der jeweiligen Lehramtsstudien festgelegt. Die hierin enthaltenen pädagogisch-praktischen Studien stellen als Möglichkeit der wissenschaftlich begleiteten Erprobung und Reflexion des erworbenen Wissens für Studierende im Rahmen des Berufseinstiegs eine wichtige Säule des Lehramts- bzw. v.a. des Masterstudiums dar. Der Entwurf sieht jedoch die Möglichkeit vor, die im Rahmen des professionsbegleitenden Masterstudiums absolvierte, unbegleitete Unterrichtspraxis für die pädagogisch-praktischen Studien anrechnen zu lassen. Dies ist insofern zu kritisieren, als dass auf diese Weise ein wichtiger begleiteter Lernraum, der auf die Entwicklung eines professionellen pädagogischen Handelns der zukünftigen Lehrer*innen abzielt, droht verloren zu gehen. Die erwähnten Mehrfachbelastungen der Student*innen durch das professionsbegleitende Studium können ein zusätzlicher Faktor sein, eine Anrechnung der Unterrichtspraxis gegenüber den pädagogisch-praktischen Studien zu bevorzugen.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass während die Studiendauer für die Bachelorstudien Lehramt – einhergehend mit einem früheren Einstieg in die Berufspraxis – gekürzt wurde, die entsprechenden dienstrechtlichen Regelungen nicht angepasst bzw. geschaffen wurden. So entspricht beispielsweise die im Vertragsbedienstetengesetz bzw. im Landesvertragslehrpersonengesetz festgelegte Anzahl an Anrechnungspunkten eines Bachelorgrades nach Abschluss eines Lehramtsstudiums nicht jener des vorliegenden Gesetzesentwurfs. Um hier (wieder) Rechtssicherheit zu schaffen, fordert der Österreichische Behindertenrat eine schnellstmögliche und umfassende Anpassung des Dienstrechts.
Für Präsident Klaus Widl
Felix Steigmann BA MA
1 Vgl. CRPD/C/AUT/CO/2-3, para. 58 b.