Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird
Der Österreichische Behindertenrat ist die Interessenvertretung der 1,4 Mio. Menschen mit Behinderungen in Österreich. In ihm sind über 85 Mitgliedsorganisationen organisiert. Auf Grund der Vielfalt der Mitgliedsorganisationen verfügt der Österreichische Behindertenrat über eine einzigartige Expertise zu allen Fragen, welche Menschen mit Behinderungen betreffen.
Der Österreichische Behindertenrat dankt dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Der Österreichische Behindertenrat nimmt diesen Gesetzesentwurf zum Anlass, erneut die Aufnahme verpflichtender Barrierefreiheitsregelungen in die Gewerbeordnung (GewO) selbst zu fordern.
Trotz nun schon fast zwanzigjährigen Bestehens des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG) sind Barrieren noch allgegenwärtig. Mangelnde Barrierefreiheit behindert Menschen an einer uneingeschränkten und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies betrifft in diesem Zusammenhang v.a. die bauliche Barrierefreiheit von Gewerbebetrieben bzw. Betriebsanlagen wie z.B. Restaurants und Verkaufsräumen, sowie die kommunikative Barrierefreiheit (einfache Sprache, bestimmte Kontraste, ÖGS etc.) von Dienstleistungen, die im Rahmen eines Gewerbes angeboten werden.
Die fehlende Berücksichtigung der Barrierefreiheit in den Genehmigungsverfahren führt auch dazu, dass Menschen mit Behinderungen eine Schlichtung bzw. eine Klage gegen eine*n Gewerbetreibende*n einreichen können, obwohl eine aufrechte Betriebsanlagengenehmigung vorliegt.
Es fehlt daher an Rechtssicherheit auf beiden Seiten. Sowohl bei Menschen mit Behinderungen, als auch den Gewerbetreibenden. Außerdem besteht auf Seiten der Gewerbetreibenden ein hohes Kostenrisiko für allf. bauliche Umbaumaßnahmen, die Folge einer Schlichtung gem dem BGStG sein können. Dieser Zustand muss schnellstmöglich gelöst werden und daher Barrierefreiheit als Pflichtkriterium in der GewO verankert werden.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 77
Hier sind die Voraussetzungen für die Genehmigung von Betriebsanlagen geregelt. Bestimmungen zur Barrierefreiheit fehlen jedoch gänzlich.
Deshalb fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 77 durch folgenden Absatz ergänzt wird:
„(5) Betriebsanlagen, bei denen es um den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen geht, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und für die die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes gegeben ist, sind nur dann zu genehmigen, wenn sie den Bestimmungen des BGStG, insbesondere § 6 Abs. 5 BGStG, entsprechend barrierefrei ausgestaltet sind.“
Zu § 353
Das Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen sieht vor, dass dem Ansuchen um Genehmigung diverse Unterlagen anzuschließen sind – jedoch keine betreffend Barrierefreiheit.
Damit die Behörde in die Lage versetzt wird beurteilen zu können, ob eine barrierefreie Ausgestaltung der Betriebsanlage nach § 6 Abs. 5 BGStG vorliegt, fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 353 durch folgende Ziffer ergänzt wird:
„4. in einfacher Ausführung einen Nachweis der barrierefreien Ausgestaltung der Betriebsanlage nach § 6 Abs. 5 BGStG.“
Zu § 356b
Dieser Paragraf beinhaltet Bestimmungen zum Genehmigungsverfahren.
Im Sinne der Partizipation nach Art. 4 Abs. 3 UN-Behindertenrechtskonvention (https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/III/2016/105) sind Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen als Sachverständige bei der Überprüfung der Barrierefreiheit in Genehmigungsverfahren aktiv miteinzubeziehen.
Deshalb fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 356b durch folgenden Absatz 8 ergänzt wird:
„(8) Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen sind als Sachverständige bei der Überprüfung der Barrierefreiheit in Genehmigungsverfahren aktiv miteinzubeziehen.“
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Felix Steigmann BA MA