Im Rahmen der Präsentation des Jahresberichts 2023 gaben die Volksanwälte Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz sowie die Volksanwältin Gaby Schwarz am 7. Mai 2024 Einblicke in die Tätigkeit der Volksanwaltschaft und einen Überblick über die wichtigsten Prüfergebnisse der Volksanwaltschaft.
Die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen bilden gemeinsamen den Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) in Österreich. Seit 1. Juli 2012 kontrolliert der NPM bundesweit Einrichtungen, in denen Menschen in ihrer Freiheit eingeschränkt werden oder eingeschränkt werden können. Das sind Justizanstalten, Polizeieinrichtungen, aber auch Alten- und Pflegeheime, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und psychiatrische Einrichtungen. Darüber hinaus zählt es zu seinen Aufgaben, die Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zu überprüfen sowie Polizeieinsätze bei Großrazzien, Großveranstaltungen, Versammlungen, Demonstrationen und Abschiebungen zu beobachten.
Zu schwerwiegenden Verletzungen von Menschenrechten kommt es typischerweise dann, wenn ein Machtgefälle besteht oder sich Menschen kein oder wenig Gehör verschaffen können. Im Kern der Tätigkeit des NPM geht es darum, die Risikofaktoren für Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen und einzustellen. Bildhaft gesprochen ist die Volksanwaltschaft das Menschenrechtshaus der Republik Österreich. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, besucht der NPM alljährlich meist unangekündigt eine Vielzahl von Einrichtungen und überprüft die vorherrschenden Rahmenbedingungen. Die Kommissionen besichtigen die Räumlichkeiten, fordern Dokumente und Unterlagen an und sprechen mit Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch mit dem Personal, oder sie begleiten die Polizei bei ihrer Arbeit. Im Jahr 2023 fanden insgesamt 505 solcher Kontrollen statt.
Aus diesen Kontrollen ergibt sich ein Bild zum Stand der Menschenrechte in den einzelnen Einrichtungstypen. Neben positiven Eindrücken und BestPractice-Beispielen wurden auch 2023 wieder zahlreiche Mängel beanstandet. Die festgestellten Defizite beeinträchtigen im besten Fall den Alltag der Betroffenen vor Ort und führen im schlimmsten Fall zu großem Leid. Einige dieser Defizite konnten nach einem Gespräch mit den Verantwortlichen rasch behoben werden, für andere – insbesondere jene, die auf systemische Mängel zurückzuführen sind – braucht es hingegen einen langen Atem. Entscheidend für die Situation vor Ort sind meist die gesetzlichen und budgetären Rahmenbedingungen. Ausreichend finanzielle Mittel und entsprechend qualifiziertes Personal sind wesentliche Faktoren bei der Schaffung menschenwürdiger Bedingungen. Daher wiederholt die Volksanwaltschaft an dieser Stelle ihren Appell an das Parlament und die Landtage, die notwenigen Ressourcen bereitzustellen.
Die Anfragen an die Volksanwaltschaft blieben im Jahr 2023 mit mehr als 23.000 eingebrachten Beschwerden auf einem konstant hohen Niveau. Das zeigt einerseits, dass in herausfordernden Zeiten verstärkt Hilfe gesucht wird, aber auch, dass das Vertrauen in die Volksanwaltschaft und deren Möglichkeiten, zu unterstützen, hoch sind. Dieses hohe Vertrauen in die Volksanwaltschaft bestätigte auch der im September 2023 veröffentlichte APA/OGM-Vertrauensindex. Die Volksanwaltschaft wurde zum ersten Mal mitabgefragt und landete mit rund 58 % auf Platz eins.
„Für dieses Vertrauen möchten wir uns ausdrücklich bedanken. Es stellt einen zusätzlichen Ansporn da, sich für die Anliegen der Menschen einzusetzen. Wir werden mit Hochdruck daran arbeiten, diesem Vertrauen auch weiterhin gerecht zu werden“, erklärte der Vorsitzende der Volksanwaltschaft Bernhard Achitz bei einer Pressekonferenz am 7. Mai 2024.
Beschwerdeaufkommen im Bereich öffentliche Verwaltung
Im Jahr 2023 wandten sich 23.124 Menschen mit einem Anliegen an die Volksanwaltschaft. 16.655 Beschwerden betrafen die Verwaltung. Davon war es in 5.275 Fällen nicht erforderlich, die Behörden zu befassen. Diese konnten unmittelbar erledigt werden oder betrafen noch anhängige Verfahren. Bei 6.469 Vorbringen ging es um Fragen außerhalb des Prüfauftrags der Volksanwaltschaft. Dafür war die unabhängige Gerichtsbarkeit zuständig. In diesen Fällen stellte die Volksanwaltschaft Informationen zur Rechtslage zur Verfügung und informierte die Betroffenen über weitergehende Beratungsangebote.
Die Prüftätigkeit der Volksanwaltschaft umfasst die gesamte öffentliche Bundesverwaltung. Sie kontrolliert somit alle Behörden und Dienststellen, die Bundesgesetze vollziehen. Im Bereich der Bundesverwaltung leitete die Volksanwaltschaft im Jahr 2023 insgesamt 7.802 Prüfverfahren ein:
- Gestiegen gegenüber dem Vorjahr sind Prüfverfahren im Bereich Innere Sicherheit (plus 14 %). Sie betrafen mit 2.064 Akten (2022: 1.811) die meisten Verfahren (26,5 %). Die Beschwerden behandelten zum Großteil Fragen des Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirechts, gefolgt von Beschwerden über die Polizei.
- Einen besonders hohen Anstieg verzeichneten Beschwerden aus dem Bereich Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mit einem Plus von über 42 % gegenüber dem Vorjahr. Es wurden 1.480 Prüfverfahren eingeleitet (2022: 1.038) und betrafen somit 19 % aller Verfahren des Jahres 2023. Die Beschwerden betrafen insbesondere den Klimabonus (samt Teuerungsausgleich) für das Jahr 2022.
- In den Sozial- und Gesundheitsbereich fielen 1.416 (18,2 %) der Prüfverfahren. 1.190 Prüfverfahren betrafen den Bereich Justiz und die Datenschutzbehörde (15,3 %).
Neben der Bundesverwaltung kontrolliert die Volksanwaltschaft die Landes- und Gemeindeverwaltung in sieben Bundesländern. Nur die Bundesländer Tirol und Vorarlberg haben eigene Landesvolksanwaltschaften eingerichtet. Insgesamt 3.578 Prüfverfahren betrafen im Berichtsjahr die Landes- und Gemeindeverwaltung. Hier stiegen die Beschwerden um 17 % gegenüber dem Vorjahr (2022: 3.058).
Im Berichtsjahr konnten insgesamt 12.752 Prüfverfahren abgeschlossen werden. Davon stellte die Volksanwaltschaft in 2.437 Fällen, also rund einem Fünftel, einen Missstand in der Verwaltung fest.
Präventiver Schutz der Menschenrechte
Die präventiven Menschenrechtskontrollen der Volksanwaltschaft werden von insgesamt sieben Experten-Kommissionen der Volksanwaltschaft durchgeführt, von sechs Kommissionen mit regionaler Zuständigkeit und einer bundesweiten Kommission für den Straf- und Maßnahmenvollzug. Diese führten im Berichtsjahr insgesamt 505 Kontrollen durch. 481 Kontrollen fanden in Einrichtungen statt, in denen Menschen angehalten werden. 24-mal wurden Polizeieinsätze begleitet. Um einen möglichst unverfälschten Eindruck zu erhalten, erfolgten die Kontrollen in der Regel unangekündigt (96 % aller Kontrollen).
In 64 % der präventiven Kontrollen sahen sich die Kommissionen veranlasst, die menschenrechtliche Situation zu beanstanden. Die Volksanwaltschaft prüft diese Fälle auf Grundlage der Wahrnehmungen der Kommissionen und setzt sich mit den zuständigen Ministerien und Aufsichtsbehörden in Verbindung, um auf Verbesserungen hinzuwirken. Viele festgestellte Missstände und Gefährdungen konnten dadurch bereits beseitigt werden. Ergebnis dieser Prüftätigkeit sind zahlreiche Empfehlungen der Volksanwaltschaft, die menschenrechtliche Standards in den Einrichtungen gewährleisten sollen.
Die Liste aller Empfehlungen (2012 – 2023) ist auf der Website der Volksanwaltschaft unter www.volksanwaltschaft.gv.at/empfehlungsliste abrufbar.
Der Jahresbericht erscheint in zwei Bänden, die sich jeweils auf zwei zentrale Aufgaben der Volksanwaltschaft beziehen:
Band 1 – Kontrolle der öffentlichen Verwaltung
Erstens überprüft die Volksanwaltschaft aufgrund von Beschwerden von Bürger*innen, aber auch auf Basis eigener Wahrnehmungen, die Arbeit der öffentlichen Verwaltung in Österreich. Dabei zeigt sie Defizite auf und drängt auf deren Beseitigung. Falls dies nicht möglich ist, übermittelt sie dem Parlament Vorschläge zu Gesetzesänderungen. Darüber hinaus erklärt sie den Menschen auch Verwaltungsabläufe und fungiert als Vermittlerin zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und der Verwaltung auf der anderen Seite.
Band 2 – Präventive Menschenrechtskontrolle
Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich zuständig. Sie hat den gesetzlichen Auftrag, öffentliche und private Einrichtungen zu überprüfen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt werden. Dazu zählen Justizanstalten, Polizeianhaltezentren, Alten- und Pflegeheime, psychiatrische Abteilungen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Kontrolle erstreckt sich auch auf Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Zudem wird die Arbeit der Behörden bei Abschiebungen, Demonstrationen und Polizeieinsätzen beobachtet. Im Kern geht es darum, Risikofaktoren für Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen.