Seit dem Jahr 2006 definiert das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) in Österreich klare Richtlinien zur Bekämpfung von Diskriminierung. Menschen mit Behinderungen haben die Möglichkeit, bei Diskriminierungserfahrungen rechtliche Schritte einzuleiten. Eine weniger bekannte Facette dieses Gesetzes ist die Ermöglichung von Verbandsklagen durch Organisationen wie den Österreichischen Behindertenrat, den Klagsverband und die Behindertenanwaltschaft, wenn Diskriminierungen eine größere Gruppe betreffen.
Über 15 Jahre Engagement
Der Österreichische Behindertenrat intensivierte in den letzten zwei Jahren seine Bemühungen zur Durchsetzung von Rechten. Seit der Einführung des BGStG im Jahr 2006 ist der Behindertenrat berechtigt, Verbandsschlichtungen und Verbandsklagen durchzuführen und nutzte diese Befugnis erstmals 2007.
Anfängliche Hürden im BGStG erschwerten die vollständige Nutzung dieses Instruments, das erst durch eine Gesetzesrevision im Jahr 2017 effektiver gestaltet wurde.
Entwicklungen der letzten zwei Jahre
In jüngster Zeit startet der Behindertenrat mehrere Verbandsschlichtungen, indem er Unternehmen auffordert, diskriminierende Praktiken zu ändern. Dies führte zu sofortigen Anpassungen bei drei Versicherungsunternehmen. Ein Versicherungsschutz wird seither nicht mehr verweigert. Sollten solche Aufforderungen erfolglos bleiben, leitet der Behindertenrat rechtliche Schritte ein.
Sieben Verbandsschlichtungen
„Verbandsschlichtungen geben uns die Möglichkeit, mit den Schlichtungspartnern Vereinbarungen zu treffen, die das Leben vieler Menschen mit Behinderungen direkt verbessern“, erklärt Bernhard Bruckner, der im Bereich nationales Recht und Sozialpolitik beim Behindertenrat tätig ist.
In den letzten zwei Jahren wurden sieben Verbandsschlichtungen im Bereich Mobilität (Wiener Linien), Versicherungsschutz (Allianz Elementar Versicherungs-AG, Generali Versicherung AG, Helvetia Versicherungen-AG, Wüstenrot Versicherungs-AG und Zürich Versicherungs-AG) sowie Barrierefreiheit (Alpin Gastronomie GmbH) eingeleitet.
Drei Schlichtungen wurden erfolgreich abgeschlossen, zwei Schlichtungen laufen noch und zwei Schlichtungen scheiterten.
Zwei Verbandsklagen
Wenn Verbandsschlichtungen scheitern, stehen dem Österreichischen Behindertenrat Verbandsklagen als nächster Schritt zur Verfügung. In den letzten vier Monaten wurden zwei Verbandsklagen eingeleitet. Die Zürich Versicherungs-AG erkannte erst nach der Klagseinleitung, dass der Österreichische Behindertenrat die Interessen mit Nachdruck umsetzt. Sie bot an (und setzte dies dann auch um), alle angefallenen Kosten zu übernehmen und vollumfänglich unseren Forderungen im Rahmen eines Vergleichs nachzukommen.
Erst kürzlich wurde eine weiter Verbandsklage gegen die Alpin Gastronomie GmbH eingereicht.
„Mit dieser Verbandsklage wollen wir ein für alle Mal durch ein Gericht feststellen lassen, dass das Vorhandensein eines barrierefreien WCs ein integraler Bestandteil eines Gastronomiebetriebs ist, gerade dann, wenn der Betrieb erst nach Inkrafttreten des BGStG eröffnet wurde“, erläutert Bernhard Bruckner.
Dieser fortlaufende Einsatz des Österreichischen Behindertenrats zeigt dessen entscheidende Rolle bei der Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich.
von Martin Ladstätter, Vizepräsident Österreichischer Behindertenrat