Beitrag des Österreichischen Behindertenrats zu den Sustainable Developement Goals
Der Österreichische Behindertenrat folgte dem Aufruf der Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen und reichte einen Beitrag betreffend der Sustainable Developement Goals ein. Österreich veröffentlichte kurz darauf den zweiten nationalen Umsetzungsbericht (FNU) zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung .
Beitrag an die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen
Hintergrund
2015 wurde durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen die sogenannte „Agenda 2030“ angenommen. Sie enthält 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen. Die Agenda unterstreicht die Bedeutung der universellen Achtung der Menschenrechte und stützt sich auf die Charta der Vereinten Nationen sowie auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und internationale Menschenrechtsverträge.
Aufruf zu Beiträgen
Die Sonderberichterstatterin zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen, Heba Hagrass, rief – nach Ablauf der Hälfte der Frist für die Verwirklichung der Sustainable Developement Goals der Agenda 2030 – dazu auf, ihr Input zu liefern.
Unter dem Motto „die am weitesten Zurückgelassenen erreichen“ fragte sie die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an der Agenda 2030 ab.
Beteiligung von Menschen mit Behinderung an Umsetzung der SDG’s
In ihrem Aufruf bekräftigte die Sonderberichterstatterin, dass Menschen mit Behinderungen wirksam an den Diskussionen, der Gestaltung und der Umsetzung der nationalen Pläne sowie an den globalen Folgemaßnahmen und der Überprüfung der Agenda 2030 teilnehmen und einbezogen werden sollen. Dies stehe im Einklang mit dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), in dem die Verpflichtung verankert ist, die Konsultation und Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an allen sie betreffenden Entscheidungsprozessen (Artikel 4 Absatz 3) und an der Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens (Artikel 33 Absatz 3) sicherzustellen, was untrennbar mit der Umsetzung der SDGs verbunden ist.
Ergebnisse bei UNO-Generalversammlung
Aufbauend auf den Beiträgen die sie erhält, wird die Sonderberichterstatterin analysieren, inwiefern Menschen mit Behinderungen einbezogen wurden und an den Prozessen für die Umsetzung und Überprüfung der SDG’s teilnehmen konnten. Diese Ergebnisse wird sie bei der UN-Generalversammlung im Oktober 2024 vorstellen.
Beitrag des Österreichischen Behindertenrats
Der eingereichte Beitrag des Österreichischen Behindertenrats hat im Wesentlichen zum Inhalt, dass in Österreich keine systematischen Schritte unternommen wurden, um die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und ihrer repräsentativen Organisationen zu ermöglichen.
Eine Frage der Sonderberichterstatterin lautete etwa, inwiefern die Sichtweisen von Menschen mit Behinderungen in die Umsetzungsberichte einfließen.
Kurz nach Ende der Abgabefrist für den Bericht an die Sonderberichterstatterin wurde der zweite österreichische SDG-Umsetzungsbericht (FNU) veröffentlicht. Unsere Antwort, dass der Österreichische Behindertenrat zwar die Teilnahme Österreichs am freiwilligen Berichts-Prozedere begrüßt, aber nicht in die Berichtserstellung involviert war, ist weiterhin aktuell.
Österreichs zweiter freiwilliger nationaler Umsetzungsbericht (FNU)
Zum Thema Einbeziehung der Zivilgesellschaft wird vom FNU auf die jährlich stattfindende Großveranstaltung „SDG Dialogforum“ und den zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss „SDG-watch“ verwiesen.
SDG Dialogforum
Dass die Teilnahme an einer jährlich stattfindenden Großveranstaltung als echte Teilhabe in einem politischen Prozess verstanden werden kann, ist auszuschließen.
SDG Watch
Der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss „SDG-watch“ besteht aus mehr als 230 Organisationen, der Österreichische Behindertenrat ist eine davon. Die SDG-watch hat einen omnipräsenten Fokus auf Nachhaltigkeit, das Thema Behinderung spielt ohne aktives Einbringen seitens des Österreichischen Behindertenrats eine sehr untergeordnete Rolle. So hatte keines der letzten 15 Events der SDG Watch einen Fokus auf Menschen mit Behinderungen und waren die Veranstaltungen nicht barrierefrei.
Die Anmeldung zur Mitarbeit am FNU war sowohl aufgrund der kurzen Frist als auch aufgrund von aufgestellten Hürden nicht barrierefrei. Es kann also nicht gesagt werden, dass Menschen mit Behinderung, durch die Einbindung der SDG Watch als Vertreterin der Zivilgesellschaft, in irgendeiner Weise in den FNU miteingebunden wären.
Nationaler Aktions Plan Behinderung II[VB1] (NAP II)
Inhaltlich setzt sich der zweite freiwillige Umsetzungsbericht Österreichs kaum mit dem Thema Behinderung auseinander.
„Zur weiteren Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der VN sieht der „Nationale Aktionsplan Behinderung 2022 bis 2030“ insgesamt 375 Maßnahmen vor.“[1]
Ergo = Der Bericht betreffend die Erfüllung der SDG’s verweist auf die UN-BRK und deren Erfüllung verweist auf den NAP II. Dass diese Kette so nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Die 3 Instrumente (SDG’s, UN-BRK, NAP II) wurden von unterschiedlichen Institutionen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten (2015, 2008, 2022) mit unterschiedlichen Stoßrichtungen entwickelt.
Der FNU führt aus: „Die österreichische Bundesregierung hat in Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der VN […] einen […] „NAP Behinderung II“ beschlossen. Die Maßnahmen werden im Zeitraum von 2022 bis 2030 kontinuierlich umgesetzt und laufend wissenschaftlich begleitet und bewertet.“[2]
Zum NAP II ist anzumerken, dass dieser – wiewohl das Sozialministerium einen ambitionierten Prozess skizzierte – einige strukturelle Defizite hat. So wurde z.B. Partizipation von Menschen mit Behinderungen in den Teams von einigen Ministerien und Bundesländern nicht umgesetzt und vielfach die Finanzierung der Maßnahmen nicht sichergestellt.[1] Selbst wenn der NAP II zur Gänze umgesetzt würde, wäre damit, anders als mit obiger Aussage nahe gelegt, die Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) nicht erfüllt, da der österreichische NAP II etwa die Vorgaben der UN-BRK bezüglich Bildung und De-Institutionalisierung nur mangelhaft berücksichtigt.
Indikatoren
Sowohl der Fortschritt des NAP II als auch jener der SDG’s lässt sich anhand von sogenannten Indikatoren messen.
Die NAP II Indikatoren wurden im Zuge der Erstellung der NAP II Maßnahmen entwickelt. Demgegenüber wurden die SDG-Indikatoren von der Statistik Austria erstellt. Wenig überraschend also, dass beide Indikatoren-Sets alles andere als deckungsgleich sind.
Wie im (oben erwähnten) vom Österreichischen Behindertenrat eingebrachten Beitrag betreffend SDG erläutert, fehlen einige bedeutende Indikatoren; andere sind ungeeignet und kontraproduktiv Dies gilt für die NAP II Indikatoren ebenso.
Nahe zu legen, dass im NAP II alle Anforderungen der SDG’s (und damit auch der UN-BRK) mit Blick auf Menschen mit Behinderungen erfasst sind und – angesichts des schleppenden Umsetzungstempos der vergangenen Jahre – in Aussicht zu stellen, dass daher 2030 sowohl die NAP II Maßnahmen als auch die SDG’s umgesetzt sind, ist mindestens irreführend, jedenfalls aber unrealistisch.
[1] Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 2, 1010 Wien; Österreich und die Agenda 2030; 2. Freiwilliger Nationaler Bericht zur Umsetzung der Agenda 2030 und der Nachhaltigen Entwicklungsziele / SDGs in und durch Österreich (FNU), Seite 75. [2] ebda [3] Siehe dazu die Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats zum NAP IIService-Link
Response to the List of Issues Austrian Disability Council 2023 (ohchr.org)
von Nicola Onome Sommer