Das IKT-Forum 2024, das am 8. und 9. Juli in Linz an der Johannes-Kepler-Universität stattfand, erwies sich erneut als bedeutende Plattform für den Austausch über aktuelle Trends und Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie. Zahlreiche Expert*innen und Interessierte aus der Branche versammelten sich, um über die neuesten Innovationen, Herausforderungen und Best Practices zu diskutieren. Beide Konferenztage boten eine Vielzahl spannender Vorträge, die teilweise gleichzeitig stattfanden und das Publikum in ihren Bann zogen.
Tag 1
Am ersten Tag ist die Veranstaltung „Accessible EU“, die sich mit dem wichtigen Thema der digitalen Barrierefreiheit auseinandersetzte, besonders hervorgetreten. Mag. Klaus Höckner, Vorstand der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs und Präsidiumsmitglied des Österreichischen Behindertenrates, organisierte und moderierte in seiner Funktion als „National Expert“ für das transformative Wissenszentrum für Barrierefreiheit der EU-Kommission, das sogenannte European Accessibility Resource Centre – Accessible EU, acht Vorträge.
Accessible EU: Digitale Inklusion im Fokus
Am Montagmorgen fand der Vortrag „Accessible EU“ statt, der von führenden Expert*innen im Bereich digitale Barrierefreiheit geleitet wurde. Diese Sitzung zog viele Teilnehmer*innen an, die sich für die Verbesserung der Zugänglichkeit digitaler Inhalte und Dienste interessierten. Ein zentrales Thema der Veranstaltung war der European Accessibility Act, der ab Juni 2025 in Kraft tritt und weitreichende Anforderungen an die Barrierefreiheit digitaler Produkte und Dienstleistungen stellt, was Unternehmen dazu zwingt, ihre digitalen Plattformen entsprechend anzupassen.
Die Referent*innen beleuchteten verschiedene Aspekte der digitalen Inklusion und stellten innovative Lösungen vor, die Menschen mit Behinderungen den Zugang zu digitalen Informationen und Dienstleistungen erleichtern sollen. Dabei wurde deutlich, dass digitale Barrierefreiheit nicht nur eine soziale Verantwortung darstellt, sondern auch ökonomische Vorteile bieten kann. Unternehmen, die ihre digitalen Plattformen barrierefrei gestalten, können eine größere Zielgruppe erreichen und sich von der Konkurrenz abheben.
Diskussion und Ausblick
Die anschließende Diskussionsrunde ermöglichte den Teilnehmer*innen, ihre eigenen Erfahrungen und Herausforderungen im Bereich der digitalen Barrierefreiheit zu teilen. Es entstand ein reger Austausch, der zeigte, wie wichtig die Zusammenarbeit und der kontinuierliche Dialog zwischen Entwickler*innen, Unternehmen und Nutzer*innen ist.
Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Notwendigkeit einer stärkeren Sensibilisierung und Ausbildung im Bereich der digitalen Barrierefreiheit. Viele Teilnehmer*innen betonten, dass bereits in der Ausbildung von Entwickler*innen und Designern mehr Wert auf digitale Barrierefreiheit gelegt werden sollte.
Tag 2
Am zweiten Tag wurde ein sehr vielfältiges Programm geboten:
“Breaking the Silence” Gewaltschutz für Menschen mit UK-Bedarf in Einrichtungen
Dieser Vortrag begann mit einer Bestandsaufnahme von Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Es wurden verschiedene Faktoren wie Gruppengröße, Prävalenzen und Risikofaktoren sorgfältig analysiert.
Danach wurde auf die Bedeutung von Schutzkonzepten hingewiesen: von Prävention bis zur Intervention. Auch die Gestaltung kommunikativer Räume innerhalb von Einrichtungen wurde thematisiert. Zuletzt wurden die Hindernisse zum bzw. im externen Hilfesystem aufgezeigt.
Zusammenfassend wurde folgendes Fazit gezogen:
- Es braucht kommunikative Räume und Ermächtigung für Bewohner*innen in Einrichtungen, um über Vorfälle zu sprechen.
- Das Personal muss entsprechend ausgebildet und Hilfseinrichtungen bekannter gemacht werden.
- Die Justiz muss durch Schulungen dazu befähigt werden, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu Ihrem Recht zu verhelfen.
Gewaltschutz, wo ist die Grenze?
Dieser Vortrag und die anschließende Diskussion stellten vor allem Gewalt gegen Mitarbeiter*innen in Organisationen und Einrichtungen in den Vordergrund.
Als Gründe für körperliche Gewalt gegen Mitarbeitende wurden etwa
- Zeitmangel des Personals
- fehlende/falsche Kommunikation im Vorfeld
- Ohnmacht bzw. ungleiches Machtverhältnis
genannt.
Lösungen, die genannt wurden, sind etwa
- Gewaltschutzschulungen
- Deeskalationstrainings
- Unterstützte Kommunikation
- Peers dazu ermächtigen, sich für andere zu äußern
- kollektives gemeinsames Hinschauen
Nationalratswahlen 2024
In diesem Vortrag wurden in leichter Sprache wesentliche Inhalte zur anstehenden Nationalratswahl vermittelt. Dieses Thema ist besonders aktuell und wichtig. Wahlen sind ein grundlegendes demokratisches Recht und es ist entscheidend, dass alle Bürger*innen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, vollumfänglich daran teilhaben können. Wichtige genannte Punkte waren etwa, dass,
- nur sehr wenige Personen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind
- keine Wahlpflicht herrscht
- der Behindertenpass auch als amtlicher Lichtbildausweis gilt und,
- wie genau Wählen funktioniert.
Das Publikum interessierte besonders, wo Wahlprogramme in leichter Sprache zu finden sind. Laut einer Wortmeldung, die auch auf die Interviews des ÖBR mit den Spitzenkandidat*innen verwies, stellten nur die KPÖ, NEOS und GRÜNE solche Wahlprogramme für die Europawahl in leichter Sprache und nur auf Anfrage zur Verfügung.
Erfahrungen mit Chat GPT
In diesem Vortrag, der ebenfalls in leichter Sprache gehalten wurde, wurden sowohl positive Nutzungsmöglichkeiten (Chat GBT erklärt komplizierte Wörter wie „Adjektiv“; Chat GBT liest vor) als auch Nachteile (Anmeldung auf Englisch; Bestätigungs-E-Mail zur Anmeldung nicht in leichter Sprache) von Chat GBT beleuchtet.
Das Publikum interessierte vor allem dafür welche Daten angegeben werden müssen, ob da jemand mitliest und ob Chat GBT auch am Handy funktioniert.
Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Differenzierung im Unterricht
Am Bildungscampus der Pestalozzischule Vöcklabruck wird „alles was nützt“ und daher auch Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt.
Den Schüler*innen wird im Unterricht beigebracht:
- was eine KI nicht kann (zB Kreativität, eigenständiges Lernen ohne Daten, ..)
- richtiger Umgang mit KI (keine persönlichen Daten zu teilen, sie nicht als Ersatz für moralisches Urteilsvermögen verwenden, ..)
- richtiges Prompten (je genauer die Anweisung, desto besser die gelieferte Antwort.)
Konkrete Einsatzgebiete, wo KI bereits den Schulalltag erleichtert, sind etwa:
- Leseförderung
- Automatische Fehlerkorrektur = anonyme Fehleranalyse
- Automatische Übersetzung von Fremdsprachen
- Übungen in unterschiedlichen Niveaus erstellen und Personalisierte Lernpläne
- Untertitel des im Unterricht Gesagten
Warum wir universelles Design im Web brauchen. Das Potential eines inklusiven digitalen Designs
In diesem Vortrag wurde etwa festgehalten, dass die wenigsten EU Länder ihre Staatswebsites mit Inhalten in leichter Sprache versehen.
Unter dem Stichwort „Essential for some – useful for all” “Essentiell für Manche – praktisch für alle” soll barrierefreies Webdesign jedoch umfassend umgesetzt werden.
Universal Design sollte wie ein Schweizer Taschenmesser viele Fähigkeiten und Features vereinen; selbst, wenn nicht alle davon immer und von jedem*jeder gebraucht werden.
Scheitert digitale Barrierefreiheit am fehlenden Wissen?
Kurz gesagt: JA. Der letzte Vortrag des Tages zeigte etwa auf, dass im Rahmen einer Untersuchung festgestellt wurde, dass im Lehrjahr 2022/2023 von 2689 verschiedenen Studiengängen sich nur 3 Studiengänge mit digitaler Barrierefreiheit beschäftigten.
Anders als Künstliche Intelligenz, ein Thema, das sofort Eingang in die Lehrpläne gefunden hat, ist digitale Barrierefreiheit noch immer nicht in den Universitäten und Lehranstalten angekommen.
Fazit und Ausblick
Das IKT-Forum 2024 hat einmal mehr gezeigt, wie bedeutend der Austausch über Informations- und Kommunikationstechnologie ist. Die Teilnehmer*innen verließen die Konferenz mit neuen Ideen und Impulsen, die sie in ihre eigenen Projekte und Unternehmen einbringen können.
Insgesamt hat das IKT-Forum 2024 eindrucksvoll demonstriert, dass eine inklusive Zukunft nur durch gemeinsame Anstrengungen erreicht werden kann und innovative Ansätze hier ein bedeutender Motor sind. Die Erkenntnisse und Diskussionen des Forums werden hoffentlich einen nachhaltigen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit haben.
Service-Links
Vortragsreihe in Leichter Sprache (PDF)
World Wide Web Consortium (W3C)
Web Accessibility Certificate (WACA)
Global Accessibility Awareness Day (GAAD)
W3C Web Accessibility Initiative (WAI)
Web-Zugänglichkeitsgesetz (WZG) (BGBl. I Nr. 59/2019) igF
accessible media – Zugang für alle
Von Victoria Biber und Nicola Onome Sommer