Österreich hat sich als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verpflichtet, die darin festgeschriebenen Menschenrechte zu achten, zu schützen und zu fördern. Diese Konvention umfasst grundlegende Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, Sicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz, freie Meinungsäußerung sowie Schutz vor Diskriminierung. Sie gilt für alle Menschen, einschließlich Menschen mit Behinderungen.
Die Bedeutung der „List of Issues“ (LOI)
Als Teil seiner Verpflichtungen unter dem ICCPR unterliegt Österreich dem regelmäßigen Staatenprüfungsverfahren des UN-Menschenrechtsausschusses. Dieses Verfahren findet etwa alle fünf bis zehn Jahre statt und soll überprüfen, ob und wie die Staaten ihre Pflichten zur Wahrung der Menschenrechte erfüllen. Im Rahmen dieses Verfahrens stellt der Ausschuss den Staaten eine „List of Issues“ (LOI, „Frageliste“) zur Verfügung – eine Liste von Fragen, die der Staat innerhalb eines Jahres beantworten muss. Diese Fragen zielen darauf ab, die Einhaltung der Konvention zu überprüfen und mögliche Defizite im Schutz der Menschenrechte aufzuzeigen. Österreich ist nun an der Reihe, vom zuständigen UN-Menschenrechtsausschuss geprüft zu werden. Am 6. August 2024 wurde daher die sogenannte „Frageliste“ für Österreich veröffentlicht.
Engagement des Österreichischen Behindertenrats
Im Vorfeld dieser Veröffentlichung der „Frageliste“ hat der Österreichische Behindertenrat einen umfassenden Bericht verfasst, um konkret auf die Defizite bei der Umsetzung der Konvention in Bezug auf Menschen mit Behinderungen hinzuweisen. Dieser Bericht diente dazu, zu versuchen, die „Frageliste“ maßgeblich zu beeinflussen und sicherzustellen, dass die Fragen des UN-Ausschusses die relevanten Themen für Menschen mit Behinderungen abdecken. Im Juli 2024 fand außerdem ein informelles Treffen mit einigen Mitgliedern des UN-Ausschusses statt, bei dem wir erneut auf die dringlichsten Themen hingewiesen haben.
Schlüsselfragen
Erfreulich ist daher, dass zahlreiche Themen und Problemfelder aus dem Bericht des Österreichischen Behindertenrates in der „Frageliste“ aufgegriffen wurden, die in der Folge nun von Österreich beantwortet werden müssen. Dazu unter anderem folgendes:
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Gleichheit und Nichtdiskriminierung
Der Ausschuss beauftragt Österreich Informationen zur Verfügung zu stellen, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um Diskriminierung aufgrund von u.a. Behinderung zu verhindern und zu bekämpfen. Der Bericht verlangt auch Auskünfte darüber, wie der Zugang zu Rechtsmitteln für Diskriminierungsopfer gewährleistet wird, was besonders relevant für Menschen mit Behinderungen ist, die häufig mit Barrieren beim Zugang zum Recht konfrontiert sind.
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Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Ein weiteres zentrales Thema ist der Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Ausschuss fragt nach Maßnahmen, die Österreich unternommen hat, um besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder vor häuslicher und sexueller Gewalt zu schützen.
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Sexuelle und reproduktive Rechte
Der Ausschuss beauftragt Österreich außerdem Informationen über Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, die ergriffen wurden, um den Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten in Österreich, insbesondere für Frauen und Jugendliche, zu verbessern. Ein weiteres Thema ist die Verhinderung von Zwangssterilisation, insbesondere bei Frauen und Mädchen mit Behinderung, sowie die Bereitstellung von niederschwelligen, barrierefreien Informationen und Beratungen zu Sterilisationsverfahren.
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Klimawandel
Des Weiteren fordert der Ausschuss Österreich auf, Auskunft über Maßnahmen zum Schutz des Rechts auf Leben angesichts des Klimawandels und der Umweltzerstörung zu geben. Der Ausschuss hebt die Bedeutung nachhaltiger Ressourcennutzung und präventiver Strategien hervor, um besonders vulnerable Gruppen, vor den negativen Folgen von Klimawandel und Naturkatastrophen zu schützen. Diese Ansätze sind auch für Menschen mit Behinderungen von entscheidender Bedeutung, da sie oft noch stärker von diesen Risiken betroffen sind.
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Behandlung von Personen in Haft
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Bedingungen in Haftanstalten, insbesondere für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychosozialen Behinderungen. Der Ausschuss möchte demnach wissen, welche Schritte Österreich unternimmt, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen in Haft Zugang zu angemessener medizinischer und psychischer Versorgung haben. Hier ist auch relevant, ob das Personal in den Haftanstalten entsprechend geschult wird, um die speziellen Bedürfnisse dieser Personengruppe zu berücksichtigen.
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Teilhabe am öffentlichen Leben
Der Ausschuss fragt Österreich außerdem nach Maßnahmen zur Förderung des uneingeschränkten Wahlrechts für alle, insbesondere zur Sicherstellung der Barrierefreiheit und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen. Zudem wird nach Schritten gefragt, die unternommen wurden, um sicherzustellen, dass Wahlinformationen in zugänglichen Formaten bereitgestellt werden. Weiters wird nach Maßnahmen gefragt, die ergriffen wurden, um Menschen mit Behinderungen sowie ethnische Minderheiten zu unterstützen und zu ermutigen, aktiv am politischen und öffentlichen Leben mitzuwirken.
Fazit
Österreich hat nun ein Jahr Zeit, eben erwähnte und weitere Fragen zu beantworten. Die Antworten werden entscheidend dafür sein, wie Österreich im internationalen Vergleich im Bereich der Menschenrechte abschneidet, insbesondere im Hinblick auf den Schutz und die Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Der Österreichische Behindertenrat wird diese Gelegenheit nutzen und erneut einen Bericht einreichen, um sicherzustellen, dass die Interessen und Rechte von Menschen mit Behinderungen gebührend berücksichtigt werden. Es ist eine Chance, auf bestehende Missstände aufmerksam zu machen und konkrete Verbesserungen einzufordern.
Service-Links
List of Issues: List Of Issues CCPR (PDF)
Mehr zum Schattenbericht: Schattenbericht zu bürgerlichen und politischen Rechten (CCPR-Bericht) – Österreichischer Behindertenrat
Von Victoria Biber