Bericht des Expertengremiums des Europarats: Österreichs Fortschritte im Schutz vor Gewalt – Besondere Berücksichtigung von Frauen mit Behinderungen erforderlich
Der am 10. September 2024 veröffentlichte Bericht des Expertengremiums des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO) lobt die Fortschritte Österreichs bei der Umsetzung der „Istanbul-Konvention“.
Die „Istanbul-Konvention“, offiziell bekannt als „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, ist ein internationaler Vertrag, der 2011 in Istanbul unterzeichnet wurde. Sie ist das erste rechtsverbindliche Instrument, das einen umfassenden Ansatz zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bietet. Österreich hat die Istanbul-Konvention am 11. Mai 2011 unterzeichnet und ist am 1. Februar 2014 in Kraft getreten.
GREVIO besteht aus unabhängigen Expert*innen, die die Einhaltung der Konvention in den Mitgliedsstaaten des Europarats prüfen, bewerten und Empfehlungen aussprechen. Ihre Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass die Länder die gesetzlichen und praktischen Verpflichtungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erfüllen.
Der Bericht des Expertengremiums fordert verstärkte Maßnahmen, insbesondere im Bereich Familienrecht und zum Schutz von Frauen mit Behinderungen.
Lob für Gesetzesänderungen und Schutzmaßnahmen
GREVIO bekräftigt die positiven Entwicklungen in Österreich, darunter die Anpassung der Gesetzgebung an die „Istanbul-Konvention“ und die Einführung des Gewaltschutzgesetzes im Jahr 2019. Dieses Gesetz hat Sicherheitsvorkehrungen wie die verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Täter*innen eingeführt.
Erforderliche Verbesserungen im Familienrecht
Trotz Fortschritten sieht GREVIO dringenden Handlungsbedarf im Familienrechtskontext. Insbesondere werden Frauen und Kinder, die von Gewalt betroffen sind, in familienrechtlichen Verfahren nicht ausreichend geschützt. Es wird gefordert, dass Familienrichter*innen besser geschult werden, um die Sicherheit von Gewaltopfern und deren Kindern bei Entscheidungen über Obsorge- und Besuchsrechte zu berücksichtigen. Zudem sollten Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen systematisch über Schutzmaßnahmen wie Betretungs- und Annäherungsverbote informiert werden.
Forderungen zur Verbesserung der Unterstützung für Frauen mit Behinderungen
In dem aktuellen Bericht von GREVIO wird auf die spezifischen Herausforderungen hingewiesen, mit denen Frauen mit Behinderungen konfrontiert sind. Es wird festgestellt, dass der Zugang zu Frauenhäusern für Frauen mit Behinderungen oft schwierig ist, da viele Unterkünfte nicht rollstuhlgerecht und generell nicht barrierefrei sind. Zudem wird bemängelt, dass Frauenhäuser selten Frauen mit Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen aufnehmen, und dass spezialisierte Einrichtungen hierfür fehlen.
Außerdem fordert GREVIO, dass Frauen, die Gewaltopfer und gleichzeitig intersektionaler Diskriminierung ausgesetzt sind, besondere Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen erhalten müssen. Frauen mit körperlichen Behinderungen muss ein barrierefreier Zugang zu Gerichtsgebäuden sichergestellt werden. Für Frauen mit Lernschwierigkeiten ist es wichtig, dass Informationen, Anweisungen und Befragungen in leicht verständlicher Sprache bereitgestellt werden und während der Verhandlungen Pausen angeboten werden. GREVIO empfiehlt daher, dass die österreichischen Behörden sicherstellen, dass alle Schutzmaßnahmen während der Ermittlungen und Gerichtsverfahren für alle Gewaltarten gemäß der Istanbul-Konvention ordnungsgemäß umgesetzt werden, wobei besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen gelegt werden sollte.
Empfohlene Maßnahmen für die Zukunft
GREVIO fordert die Entwicklung eines umfassenden Aktionsplans zur Bekämpfung aller Gewaltformen gemäß der „Istanbul-Konvention“. Zudem sollen Programme zur Beseitigung von Geschlechterstereotypen und Vorurteilen gestärkt werden. Auch die Teilnahme an Gewaltpräventionsprogrammen für Täter*innen sollte erweitert werden.
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von Victoria Biber