Präsentationen von Apps, Drohnen und Prothesen
Mit der Preisverleihung am 17. Oktober 2024 im Veranstaltungszentrum Catamaran in Wien wurde zum 13. Mal ein UNIKATE Ideenwettbewerb abgeschlossen. Die Präsentationen von assistiven Technologien machen neugierig auf eine nächste Runde UNIKATE, die bereits Ende November startet.
Im Rahmen von UNIKATE werden assistive Technologien entwickelt und gefördert, die zu mehr Selbstbestimmung und zur gleichberechtigten Teilhabe verhelfen sollen. Ein wichtiger Punkt am Weg zur Inklusion, wie Moderatorin Heidemarie Egger einleitend festhält. In Wortmeldungen der Projektpartner wird angesprochen warum UNIKATE aktuell ist, gebraucht wird und begeistert.
Filip Kisiel, Sprecher der UNIQA Privatstiftung erinnert daran wie Veränderungen, etwa ein Schlaganfall im eigenen Umfeld, die Sichtweise verändern und das Überwinden von Barrieren im eigenen Alltag Thema werden können. „Sichtweisen miteinander zu verbinden – zwischen denen, die es wirklich brauchen mit denen, die es entwickeln – gefällt mir persönlich besonders.“ Klaus Widl, Präsident des ÖBR, sieht ebenfalls die Art der Zusammenarbeit als zentrales Element. „Es werden maßgeschneiderte, technische Lösungen, nicht nur für, sondern gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen entwickelt, das macht es besonders.“
Dankbarkeit und Freude über neue Ideen
Corinna Heiss, Expertin mit Behinderungen und Obfrau des Amputiertenverbandes berichtet im Bühneninterview von Menschen, die vor 35 Jahren mit einem Holzbein versorgt wurden und heute mikroprozessgesteuerte Gelenke zur Verfügung haben. „Sie sagen, man kann besser und weiter gehen, man wird viel integrierter im Alltag und im sozialen Leben – weil mit einer mechanischen oder mit einer Holzprothese war vieles nicht möglich, was heute möglich ist. Wir sind im Beinprothesenbereich relativ wenig eingeschränkt, das verdanken wir technischen Innovationen.“ Corinna Heiss zeigt eine große Offenheit für weitere Entwicklungen: „Wir sind dankbar dafür, dass die Technik so große Fortschritte macht. … es freut uns, wenn es neue Ideen und Inputs gibt.“ Der Inkubator Workshop, der am Beginn jeder neuen Runde von UNIKATE steht, ist in besonders guter Erinnerung: „Es ist das Schöne, wenn man so einen Inkubator-Workshop hat, wo viele Leute mitarbeiten. Und man immer wieder Inputs bekommt, an die man selbst nicht denkt. … Es macht irrsinnig viel Spaß, da seine Erfahrungen auszutauschen.“
gesucht: Akkutechnologie
Einen konkreten Bedarf an Weiterentwicklungen sieht Corinna Heiss im Bereich der Akkutechnologie. Gelänge die Rückführung von Bewegungsenergie beim Gehen mit Prothesen, könnten Akkus kleiner und leichter gebaut werden. Dadurch würden längere Verwendungszeiten und weitere Verbesserungen beim Stiegen Steigen möglich. Auf das Interview mit Corinna Heiss folgen die Präsentationen der als UNIKAT ausgezeichneten Technologien.
INDEPENDO – ein digitales Kalendertagebuch
Eine inklusive Entwicklung, wird inklusiv präsentiert. Zur Präsentation kommen technische Entwicklerin und Co-Designerin auf die Bühne. Sie erklären: „Die INDEPENDO-App ist ein digitales Kalendertagebuch, aber im Vergleich zu Google, Outlook und anderen verwenden wir gar keinen bis ganz wenig Text. Das heißt, wir verwenden statt Text Symbole und Audio. Dadurch wird die App nutzbar für Menschen, die unterstützte Kommunikation nutzen.“ Es lassen sich Fotos hinzufügen oder Audioaufnahmen. Das Team wollte die App weiterentwickeln und für mehr Menschen nutzbar machen. Dazu gab es gemeinsame Designsessions. Co-Designerin: „Ich habe getestet, ob der Kalender gut ist, ob man die Bilder gut erkennt.“
Das Team wollte, dass die App für möglichst viele einzelne Personen nutzbar wird. Gleichzeitig ist es auch ein Unikat, weil versucht wurde eine Individualisierung zu ermöglichen. Es lassen sich Hintergrundfarben einstellen oder eine digitale oder analoge Uhr wählen, oder eigene Bilder als Icons hochladen.
INDEPENDO ist ein Projekt von Studierenden der TU Wien, das bis zur Serienreife entwickelt wurde. Die App ist mittlerweile auf dem Markt und erwerbbar.
Independo – Enabling everyday.
BodyFit – Fitnesscoach für sehbeeinträchtigte Personen
Schüler der HTL Donaustadt entwickelten BodyFit als Diplomarbeit im Rahmen des Projektes Smart Sports Assistance mit der Uni Wien und dem BBI. BodyFit soll sehbeeinträchtigten Personen ermöglichen eigenständig ein Fitnessstudio zu nutzen.
Das Sporthilfsassistenzsystem besteht aus einer mobilen App, die Funktionen eines menschlichen Fitnesstrainers übernimmt. Die mobile App spricht und gibt Feedback zum laufenden Workout. Ergänzend werden Geräte durch Hardware und Sensoren zu smarten Trainingsgeräten. So wurde am BBI die geführte Langhantel mit KI fähigen Sensoren ausgestattet. Aus Datenschutzgründen wurde ein eigener BodyFit Server entwickelt. Aktuell funktioniert der Prototyp an einem Gerät perfekt.
Nächste Schritte können sein, die Smart Watch Nutzung in BodyFit zu integrieren und damit das Messen von Herzrhythmus und Sauerstoff Blutsättigung zu erleichtern. Eine Erweiterung um Bilderkennung wiederum könnte helfen die sehbeeinträchtigte Person durch das gesamte Fitnessstudio zu führen und sie nicht erst am Fitnessgerät zu betreuen. Auch möglich wäre eine Entwicklung zur Ermöglichung KI generierter Trainingspläne.
Aus dem Publikum meldet sich Mathias Schmuckerschlag zu Wort: „Ist das ein Prototyp, oder kann man es irgendwann ausrollen? Absolut cool. Wäre ein Riesengewinn solche Dinge zu nutzen.“ Abschließend animiert die Moderatorin Heidemarie Egger zum Weitermachen: „Ich habe gemerkt … sehr viel konkretes Interesse. Vielleicht ist das der Start eines Start Ups?“
Life in Third Person – Drohnen zur Orientierung
Eine Drohne behält die Umgebung im Blick und warnt Personen vor Hindernissen. Das ist die Projektidee eines weiteren Teams der HTL Donaustadt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen erlauben die Nutzung von Drohnen unter 250 g Gewicht ohne Qualifikation und ermöglichen den Flug in der Nähe unbeteiligter Personen. Nichtsdestotrotz sprechen die HTL-Schüler selbst von ihrem Projekt als „eine Art Utopie“. Anwendungsfälle wären die Erkennung von visuell taktiler Leitstreifen, selbst wenn überdeckt sind, z.B. von Schnee oder Laub. Aber auch die Erkennung von Schlaglöchern, Baustellen, Personen, Autos und Gebäuden.
Mathias Schmuckerschlag regt aus dem Publikum an die App zur Steuerung der Drohne auch für vollblinde Personen mit Voiceover verfügbar zu machen und die Liste der Anwendungsfälle zu erweitern. Etwa um … Drohne, die Regenschirm hält. Drohne, die voran fliegt und turn by turn Navigation anbietet. Drohne, die einen Weg in einem Gebäude beschreibt. Daniele Marano würdigt die Projektidee aus dem Publikum: „Man muss auch Utopien und Visionen haben können, sonst würden wir zu keinen Neuigkeiten kommen.“
Arbeitsplatzausstattung – wenn Schüler beim Lehren helfen
Zur Präsentation des nächsten Projektes haben sich Schüler des TGM mit einer Professorin auf der Bühne eingefunden. Schüler haben den Arbeitsplatz ihrer Lehrerin so ausgestattet, dass ein Unterrichten trotz fortschreitender Sehbehinderung weiter möglich ist.
Der mobile Arbeitsplatz besteht aus einem Tisch, der mit Rollen versehen im Schulgebäude von Klasse zu Klasse bewegt werden kann. Ausgestattet ist der Arbeitsplatz mit einer Lampe, die nicht spiegelt oder blendet, mit wählbarer Lichtfarbe. Befestigt wird die Lampe am Tisch über eine Magnetfolie. Ein Lesegerät ermöglicht das Heranzoomen um das 100 fache. Sei es von Schriftstücken, die am Tisch liegen. Sei es das entfernte Tafelbild. Kabelwanne und Kabeltrommel stellen eine Stromversorgung am Tisch bis zu 10 m Entfernung von einer Steckdose sicher. Der Tisch ist höhenverstellbar. Der Monitor mit Touch Screen Funktion ist auf einem Schwenkarm montiert. Bei den sich von Klasse zu Klasse unterscheidenden Lichtverhältnissen kann so immer die optimale Position des Monitors gewählt werden. Bluetooth für Mouse und Tastatur hilft, um Kabeln zu vermeiden. Mittlerweile ist geplant mit den erprobten Ausstattungselementen auch einen Schüler zu unterstützen, der schlecht sieht.
Eine launige Stimme zum Projekt aus dem Publikum: „Ich finde es voll super, wenn Schüler den Lehrern helfen, sie zu beurteilen.“
Bionic Arm – mit Gedanken bewegen
Das zweiköpfige Team der HTL- Braunau hat weder vom Roten Kreuz noch vom Bundesheer frei bekommen zur Teilnahme an der Preisverleihung. In Vertretung spricht Paul Panek/TU Wien zum Projekt. Danach wird eine Videogrußbotschaft der Schüler gezeigt.
Das Team hat eine Unterarmprothese entwickelt und dabei einen innovativen Ansatz verwendet. Basierend auf biomedizinischer Sensorik, mit Gehirnsignalen oder mit Muskelspannung. Auf der anderen Seite wurde eine Kamera verwendet, die Objekterkennung durchführte. Je nachdem, welches Objekt sie erkannte, wurde der Vorgang mit der Armprothese unterstützt. Die vom Team entwickelte Unterarmprothese wird somit ausschließlich durch Gedanken (Gehirnaktivitäten) und Bilderkennung gesteuert.
Zur Auszeichnung von BionicArm als Unikat hat beigetragen, dass die Entwicklung kostengünstig und nachbaubar ist. Damit würden Handprothesen, die derzeit von 30 000 bis 50 000 Euro kosten, besser leistbar. Da in Österreich zwar 70 000 beinamputierte Personen leben, aber nur 80 Personen mit einer Handamputation, liegt der absolute Schwerpunkt der Entwicklungen bei Beinprothesen. Entsprechend bedeutsam sind Initiativen zu Fortschritten bei Handamputationen.
Digitaler Klingelball – besser hör- und sichtbar
Das Projekt der HTL-Rennweg wird von 3 Schülern auf der Bühne vorgestellt und von 2 weiteren Teammitgliedern aus Afrika und Südamerika, wo sie ein freiwilliges soziales Jahr leisten, per Stream mitverfolgt. Die Entwicklung des digitalen Klingelballes erfolgte im Rahmen des Projektes Smart Sports Assistance mit der Uni Wien und dem BBI.
Blinde und sehbehinderte Menschen verwenden zum Ballspiel einen Klingelball. Dieser enthält Glöckchen und ist für die Spieler*innen durch den Klang lokalisierbar. Bei langsamen Bewegungen ist der Ball bereits kaum mehr hörbar und bei Stillstand ist der Klingelball für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen nicht mehr auffindbar. Dadurch ist immer eine sehende Person zur Unterstützung notwendig.
Der neue digitale Klingelball soll durchgehend besser hörbar und besser zu sehen sein. Eingestellt werden Lautstärke und Frequenz der Töne- und das Licht der LED-Lampen über eine Klingelball App. Noch ist der Prototyp hart. In den nächsten Schritten soll der digitale Klingelball als Luftball gebaut und dadurch weicher werden.
Interview mit Paul Panek und Katharina Werner / TU Wien
Katharina Werner zu ihren ersten Eindrücken von UNIKATE: „Es war ein spannender Prozess zu sehen, wie sich das entwickelt hat, von den ersten Anfängen, die gekommen sind. Auf einer Seite die Idee kurz zusammengefasst. Dann als nächsten Schritt der Inkubator Workshop, wo die einzelnen Teams die Idee genauer erklärt haben und das erste Feedback bekommen haben von Personen mit Behinderungen. Bis hin zu individuellen Workshops, die wir online geführt haben, mit der Teilnahme von Menschen mit Behinderungen.“
Paul Panek nutzt das Interview, um Dank auszusprechen: „Vielen Dank an alle Experten und Expertinnen mit Behinderung, die mitmachen und uns unterstützen, beim Inkubator Workshop und die einzelnen Projektteams beraten haben.“
Angesprochen auf den Slogan der Technischen Universität Wien „Technik für Menschen“ nennt Paul Panek Unikate „ein super Beispiel für unser Mission Statement auf der TU.“ …
„Bei assistiven Technologien versuchen wir auch den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. … Bei neuen Technologien, wie der KI ist es wichtig, zu schauen: Wie wollen wir als Gesellschaft diese neuen Möglichkeiten eigentlich nutzen? Was wollen wir und was nicht? Was sollen wir besser vermeiden, um als Gesellschaft zu profitieren von den Möglichkeiten und die Gefahren zu umschiffen?“
Katharina Werner berichtet über die Unterstützung der Universität „bei Erprobungen und nachher bei der Umsetzung einer Idee in ein Produkt.“ Ein Innovationszentrum an der TU stellt Kontakte zu Mentor*innen her, die die Entwicklung weiter begleiten, sowie zur Wirtschaft.
Keynote von Arnold Baca
Zentrumsleiter für Sportwissenschaft und Universitätssport der Universität Wien, zu Sparkling Science 2.0
Es besteht der Wunsch blinde und sehbehinderte Kinder zu unterstützen Sport zu betreiben. Dies erfolgt im Rahmen der Sparkling Science Initiative, wo Schüler*innen eingebunden werden. Projektziele sind die Entwicklung von Assistenzsystemen, sowie nachhaltige Nutzungskonzepte und die Verankerung der Assistenzsysteme in der Ausbildung.
„Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine Sensibilisierungsbox zu entwickeln, wo verschiedene Materialien zusammengefasst werden, auch Bauanleitungen für die Systeme, die entwickelt wurden. Das heißt, eine Weiterverwendung und Weiterentwicklung der Systeme soll gewährleistet sein.“
An der nachhaltigen Umsetzung soll im nächsten Jahr, im letzten Jahr des Projektes, gearbeitet werden. Entstehen sollen eine „Checkliste Barrierefreiheit im Bewegungs- und Sportunterricht“ und „Spielideen zu den entwickelten Assistenzsystemen“.
Es ist geplant die Baupläne für die entsprechenden Systeme auf der Projekt HP zu veröffentlichen. „Wir wollen, dass die Systeme verwendet werden,“ schließt Arnold Baca seine Keynote.
Es folgen die Urkundenüberreichung an die 6 Teams, Gruppenfotos und weitere Diskussionen und Tests von Prototypen. Danach klingt die UNIKATE Preisverleihung aus bei Snacks und Getränken.
Text: Emil Benesch, Fotos: Lukas Ilgner