Der von der Gesundheit Österreich (GÖG) erstellte und vom Gesundheitsministerium am 14. Jänner veröffentlichte Gender-Gesundheitsbericht 2024 bietet einen umfassenden Überblick über die sexuelle und reproduktive Gesundheit aus einer gendersensiblen Perspektive. Acht Seiten des Berichts widmen sich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Menschen mit Behinderungen.
Der Gender-Gesundheitsbericht 2024 beleuchtet neben den klassischen Aspekten sexuellen Gesundheit auch soziale, kulturelle und sozioökonomische Determinanten, die die sexuelle und reproduktive Gesundheit beeinflussen. Das zentrale Anliegen des Gendergesundheitsbericht ist, eine gendersensible Perspektive in das gesamte Gesundheitssystem zu integrieren und so auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Geschlechter, einschließlich sexueller und geschlechtlicher Minderheiten, einzugehen.
„Sexuelle und reproduktive Gesundheit betrifft alle Personen in jeder Lebensphase. Jede Zielgruppe hat andere Bedürfnisse, die sich nach Geschlecht, sozialem Status, Bildung, Beruf und Herkunft verändern. 72 Prozent der Jugendlichen würden gern mehr über sexuelle und reproduktive Gesundheit lernen. Das spiegelt den Bedarf an flächendeckender sexueller Bildung wider – in jedem Alter“, betonte Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch. Der Bericht stellt eine weiterführende und vertiefte Auseinandersetzung dar, die an den Frauengesundheitsbericht 2022 anknüpft und den Schwerpunkt sexuelle Gesundheit in einem größeren strukturellen Kontext betrachtet.
Chancengerechtigkeit und fairer Zugang
Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in verschiedenen Lebensphasen, der sexuellen Bildung, der Verhütung, der Körper- und Selbstwahrnehmung sowie der gelebten Sexualität.
Sexuelle und reproduktive Gesundheit sowie das Recht auf selbstbestimmte Entscheidungen sind zentrale Anliegen der Chancengerechtigkeit. So haben Sexarbeiter*innen, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen und Menschen mit Pflegebedürftigkeit oft erschwerten Zugang zu Informationen und medizinischen Angeboten. Der Bericht untersucht anhand dieser vier spezifischen Gruppen die strukturellen und gesellschaftlichen Barrieren, die den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und damit die Möglichkeit eines selbstbestimmten Umgangs mit der eigenen Sexualität einschränken. Dabei wird die mangelnde Berücksichtigung sexueller und reproduktiver Gesundheit in der Forschung und Praxis hervorgehoben.
Menschen mit Behinderungen: Chancengerechtigkeit in Zusammenhang mit sexueller und reproduktiver Selbstbestimmung
Der Gender-Gesundheitsbericht 2024 fordert eine verstärkte Berücksichtigung der sexuellen Gesundheit von Menschen mit Behinderungen. Hier gebe es nahezu keine Daten in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit, so der von der Gesundheit Österreich (GÖG) erstellte und vom Gesundheitsministerium publizierte Bericht.
Die von Österreich im Jahr 2008 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) schreibt fest, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf den gleichen Umfang, die gleiche Qualität und kostenlose oder erschwingliche Gesundheitsversorgung und -programme im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit wie andere Menschen auch haben. Österreich verpflichtete sich mit der Ratifizierung der UN-BRK, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die dieses Recht gewährleisten.
Der Nationale Aktionsplan Behinderung 2022–2030 (NAP) bezieht sich mit folgenden Maßnahmen auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und konkretisiert die UN-BRK insbesondere in Bezug auf die sexuelle Gesundheit von Frauen – die sexuelle Gesundheit von Männern wird nicht angesprochen:
- „Förderung umfassender und gemeindenaher Beratung von Menschen mit Behinderungen nach dem Prinzip der Peer-Beratung durch Menschen mit Behinderungen, auch für LGBTIQA+-Personen mit Behinderungen“
- „Das Recht auf Selbstbestimmung soll in allen Lebensbereichen von Frauen mit Behinderungen gewährleistet sein, unter anderem auch in Bezug auf selbstbestimmte Sexualität.“
- „Es sollen professionelle Strukturen geschaffen werden, die es Frauen ermöglichen, mit Peers über schwierige Alltagssituationen, Sexualität und Gewalterfahrungen zu sprechen. In diesem Zusammenhang sollen Netzwerke, Interessens- und Selbstvertretungen von Frauen mit Behinderungen gestärkt werden.“
- „Frauen mit Behinderungen sollen unterstützt werden, körperliche und sexuelle Übergriffe von sich aus zu erkennen, zu benennen und zu melden.“
- „Forschungen sollen sich mit den Lebensbedingungen und dem Wohlbefinden von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzen, insbesondere auch in Bezug auf Sexualität.“
Eine Arbeitsgruppe zum NAP erarbeitete für Frauen mit Behinderungen noch weiterführende Maßnahmen, um eine selbstbestimmte Sexualität sicherzustellen. Mädchen und Frauen mit Behinderungen erhalten häufig ohne Aufklärung und Zustimmung eine hormonelle Verhütung. Zudem wird Personen mit Behinderungen häufig das Recht auf Elternschaft abgesprochen. Beratungsstellen und gute Gesundheitsinformationen zu Sexualität gibt es nur wenige. Meist befinden sich diese im urbanen Raum.
Daten zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Menschen mit Behinderungen für Österreich fehlen gänzlich, daher werden in dem Bericht Studien aus Deutschland herangezogen und ergänzend internationale Studienergebnisse beleuchtet.
Reproduktive Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen
Bis heute ist es in vielen Ländern der EU gängige Praxis, dass an Frauen mit Behinderungen Zwangsterilisationen durchgeführt werden oder ohne Einwilligung Verhütungsmittel verabreicht werden. Derzeit dürfen nach österreichischer Rechtslage Sterilisationen ohne das Wissen und die Einwilligung der Betroffenen nur nach einem Gutachten und einem Gerichtsbeschluss durchgeführt werden. Neben Sterilisationen werden auch Abtreibungen häufiger ohne Aufklärung und Zustimmung durchgeführt.
Beim Verhütungsverhalten zeigt sich, dass etwas mehr Mädchen Verhütungsmittel nutzen als gleichaltrige junge Männer. Das häufigste Verhütungsmittel ist das Kondom, gefolgt von der Pille und der Drei-Monats-Spritze. Mehr Männer als Frauen geben laut einer Studie mit jungen Erwachsenen an, dass der erste Geschlechtsverkehr schön war und gleichzeitig mehr Frauen, dass er unangenehm war. 90 Prozent haben beim ersten Sex ein Verhütungsmittel benutzt, das Kondom liegt dabei an erster Stelle. Allgemein wird die Verhütungsentscheidung stark von elterlichen und ärztlichen Empfehlungen beeinflusst. Die Verhütung sehen Frauen längerfristig stringenter als Männer, d. h. sie achten stärker darauf und fühlen sich dafür verantwortlich, Schwangerschaften zu verhüten.
Laut einer Befragung von pro familia besteht bei 32 Prozent der Teilnehmer*innen ein Kinderwunsch, und nur knapp 5 Prozent haben Kinder. Es wurde sehr häufig der Wunsch nach mehr Informationen und Aufklärung zu Kinderwunsch, Familienplanung und Elternschaft genannt. Ein weiteres Thema für Menschen mit Behinderungen ist, wie Beziehungspersonen gefunden werden können. Das ist auch das Ergebnis einer systematischen Übersichtsarbeit, nach der Menschen mit intellektuellen Behinderungen einen ernsthaften Kinderwunsch haben, der aufgrund des gesellschaftlichen Kontextes jedoch unterdrückt wird.
Sexuelle Beziehungen und Begehren von Menschen mit Behinderungen
In einer Metasynthese wird gezeigt, dass sexuelle Beziehungen als wichtige Ressource gesehen werden, aber auch mit Sorge besetzt sind. Zwei Studien in der Metasynthese führen an, dass Menschen mit Behinderungen der Überzeugung sind, dass sexuelle Beziehungen für Männer lustvoll sind, für Frauen nicht. Laut einer deutschen Umfrage masturbieren Burschen mit Behinderungen (in den letzten 12 Monaten) deutlich häufiger als Mädchen. Mehr Mädchen als Burschen hatten bereits homoerotische oder -sexuelle Kontakte. Burschen werden tendenziell früher sexuell aktiv als Mädchen, häufig passiert es bei Burschen in fixen Partnerschaften, wobei mehr Mädchen bereits geküsst haben, umgekehrt ist es beim Genitalpetting. Eines der wichtigsten Bedürfnisse von Frauen mit Lernschwierigkeiten, um eine sichere sexuelle Beziehung zu führen, war die Suche nach einer festen Partnerschaft.
Menschen mit Behinderungen berichten zudem, dass sexuelle Aktivitäten häufig versteckt werden müssen (insbesondere in institutioneller Betreuung). Beziehungen werden von Eltern und Fachkräften in Institutionen kontrolliert und reguliert. Dabei werden sexuelle Beziehungen von Frauen mit Behinderungen stärker reguliert als jene von Männern mit Behinderungen. In einer anderen Studie zeigt sich, dass vor allem Eltern von Töchtern davon ausgehen, dass ihre Töchter mit Lernschwierigkeiten keine sexuellen Begehren oder Gedanken haben, weshalb sie mit ihnen nicht über sexuelle Gesundheit sprechen.
Laut einer Studie mit jungen Erwachsenen, die mit einer Körper- oder Sinnesbehinderung bzw. chronischen Erkrankung leben, spielt das Internet als Partner*innenbörse bei männlichen Befragten eine größere Rolle als bei weiblichen. Das eigene Körpergefühl und -bild wird von weiblichen Befragten schlechter bewertet als von männlichen. Sex mit einer anderen Person wirkt sich insgesamt positiv auf Körpergefühl und -bild aus. Der Anteil der Burschen und Mädchen mit Petting-Erfahrung ist annähernd gleich hoch. Sex mit anderen Personen haben mehr Frauen als Männer. Masturbation spielt bei befragten Männern – insbesondere mit psychischen Erkrankungen und weniger bei Menschen mit Lernschwierigkeiten – eine zentrale Rolle. Mangelndes Selbstvertrauen und Versagensängste sind Gründe, sexuell nicht aktiv zu sein. Eine weitere Studie aus Deutschland zeigt, dass 21 Prozent der Männer angeben, starke oder sehr starke Beeinträchtigungen im Sexualleben zu haben, bei den Frauen sind es 11 Prozent, wobei 10 Prozent der Männer bzw. 14 Prozent der Frauen keine Angaben machten. 20 Prozent der Frauen in Paarbeziehungen berichten von sexuellen Einschränkungen. Bei den Männern sind es 13 Prozent.
Sexualbegleitung bzw. -assistenz ist ein weiteres relevantes Thema, wenn es um sexuelles Begehren und Lust von Menschen mit Behinderungen geht. Laut einer Erhebung von pro familia haben insgesamt 109 Personen Sexualbegleitung in Anspruch genommen, 71 wissen es nicht. Ergebnisse zu Geschlechterunterschieden liegen nicht vor. Barrieren für eine Sexualbegleitung sind Stigmatisierung sowie hohe Kosten. Zudem gibt es keine flächendeckenden Angebote und kaum männliche Sexualbegleiter. Der Zugang ist daher in vielerlei Hinsicht erschwert. Studien gibt es für Österreich nicht. Sexualbegleitung ist in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. Weitere Informationen zur Rechtslage bei Sexualbegleitung-assistenz in Österreich können im Gesundheitsportal eingesehen werden. Einzelne Vereine bieten in Österreich einen Lehrgang für Sexualassistenz an. Eine Förderung für Sexualassistenz für Menschen mit Behinderungen gibt es in Österreich, im Gegensatz zu den Niederlanden, nicht.
Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt bei Menschen mit Behinderungen
Eine Studie zeigt, dass trans Personen mit intellektuellen Behinderungen Mehrfachdiskriminierung erleben, und berichtet davon, dass in der Gesellschaft das Bild besteht, dass Menschen mit Beeinträchtigungen binär und heterosexuell sind. Laut der Studie fehlt es an gezielten Informationen und Unterstützungsstrukturen für LGBTIQ+-Personen mit Behinderungen, die notwendig sind, da sie andere Bedarfe und Bedürfnisse haben als Personen, die keiner sexuellen oder geschlechtlichen Minderheit zugehörig sind. Eine starke Benachteiligung wird auch in einem Literaturreview zu Erfahrungen von Erwachsenen mit Behinderungen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender identifizieren, berichtet, was sich negativ auf den Selbstwert und das allgemeine Wohlbefinden auswirkt. Eine Erhebung aus Deutschland hat auch nach der sexuellen Orientierung gefragt und berichtet von folgenden Ergebnissen in diesem Zusammenhang: 10 Prozent der jungen Erwachsenen sind bi- oder homosexuell, doppelt so häufig sind es Mädchen (insb. mit Gewalterfahrungen) als Burschen. D. h. Mädchen mit Gewalterfahrungen sind häufiger bi- oder homosexuell.
Gynäkologische Versorgung von Menschen mit Behinderungen
47,7 Prozent der in einer weiteren Studie befragten jugendlichen Teilnehmerinnen mit Körper-, Hör- und Sehbehinderungen suchten eine*n Gynäkolog*in auf. Bei den Mädchen mit einer körperlichen Behinderung war der Anteil der Personen, die eine*n Gynäkolog*in aufgesucht haben, am geringsten. Der häufigste Grund war Verhütung, gefolgt von Menstruations- und Unterleibsbeschwerden; das deckt sich mit den Anlässen von Mädchen und jungen Frauen ohne Behinderung. Gynäkologische Untersuchungen werden oft als nicht notwendig erachtet, der Zugang zu Informationen zu Verhütung, sexuell übertragbaren Krankheiten und zum eigenen Körper ist eingeschränkt. Eine Studie zeigt, dass in 75 Prozent der Fälle von jungen Frauen mit Behinderungen der erste gynäkologische Besuch in Begleitung stattfand, am häufigsten in Begleitung der Mutter (aufgrund baulicher oder kommunikativer Barrieren). Häufigster Anlass ist die allgemeine gynäkologische Vorsorge und die Verhütungsberatung. Für 29 Prozent war der erste Besuch positiver als gedacht, 43 Prozent (jede vierte Frau) empfanden ihn hingegen als unangenehm (insbesondere Frauen mit Körper, Hör- oder Sprachbehinderungen).
Sexuelle Bildung bei Menschen mit Behinderungen
Bislang zeigen Studien, dass Menschen mit Behinderungen weniger Informationen zur Sexualität bereitgestellt werden als Menschen ohne Behinderung. Bedarfe und Bedürfnisse (z. B. Informationsbedürfnisse, Kinderwunsch, Wunsch nach Beziehungen) decken sich mit denen von Personen ohne Behinderungen, dennoch stellt die Abhängigkeit von einer Betreuung/Begleitung in Bezug auf sexuelle Informationen eine besondere Barriere dar. Ein großes Defizit verorten internationale Studien im Bereich sexueller Bildung entlang aller Lebensphasen und für alle Geschlechter bei Menschen mit Behinderungen, wobei trans- und intergeschlechtliche Personen sowie Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung häufiger Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sind. Die Mehrfachdiskriminierung für Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen ist darin begründet, dass es kaum Zugang zu Informationen gibt, die an ihr kognitives Level angepasst sind. Die sexuelle Bildung von Menschen mit Behinderungen ist zudem risikoorientiert, was Ängste vor STI oder Schwangerschaft schürt (insbesondere bei Mädchen und Frauen). Schwierig ist es für Menschen mit Behinderungen, über nicht heteronormative sexuelle Orientierungen zu sprechen, da hier Angst vor Diskriminierung besteht. Ein Scoping Review zeigt, dass es einen großen Bedarf an guter Gesundheitsinformation, Beratungsstellen sowie Ausbildungen für Fachkräfte im Gesundheits-, Pflege-, Sozial- und Bildungsbereich zum Themenkomplex Sexualität und Behinderungen gibt.
Eine Studie mit jungen Erwachsenen zeigt: Je höher der Grad der Behinderung ist, desto seltener wurden Jugendliche von der Mutter aufgeklärt, sondern eher von Peers. Väter als Vertrauenspersonen spielen vor allem bei Männern mit körperlichen Behinderungen eine wichtige Rolle. Bei Frauen ist der Vater keine zentrale Vertrauensperson in Bezug auf sexuelle Gesundheit. Das Internet ist eine zentrale Aufklärungsplattform – unabhängig vom Geschlecht. Mehr als ein Drittel äußert Informationsbedarf – insbesondere zu sexuellen Funktionsstörungen, Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch, STI und sexuellen Praktiken. Unangenehm sind vor allem für Mädchen folgende Themen: sexueller Missbrauch, Sexarbeit, Pornografie, Schwangerschaftsabbruch, Masturbation. Eine Haushaltsbefragung in Deutschland zeigt, dass 18 Prozent der Männer mit Behinderungen und 21 Prozent der Frauen mit Behinderungen ihnen nahestehende oder vertraute Personen haben, um über sexuelle Probleme und Erfahrungen zu sprechen.
Ein weiterer Aspekt sexueller Bildung ist das Sprechen über sexuelle Gesundheit. Burschen mit Behinderungen haben allgemein weniger Probleme, über Sexualität zu sprechen, als Mädchen mit Behinderungen. Bei rund 65 Prozent der Mädchen sind beste Freund*innen die wichtigsten Vertrauenspersonen, um über Sexualität zu sprechen, bei Burschen sind sie es in etwas geringerem Ausmaß. Nach den besten Freund*innen folgt die Mutter, das gilt für Mädchen und Burschen. Der Vater spielt bei rund 8 Prozent der befragten Mädchen eine Rolle und bei rund einem Viertel der Burschen. Dasselbe trifft für Personen ohne Behinderungen zu. Eine Befragung im Rahmen des Projekts Behinderung, Sexualität und Partnerschaft von pro familia Baden-Württemberg e.V. in Kooperation mit Lebenshilfe Baden-Württemberg e.V. bestätigt jedoch, dass die größte Barriere für selbstbestimmte Sexualität und Reproduktion Angehörige darstellen, die wenig bis gar nicht über sexuelle Gesundheit sprechen oder auch Möglichkeiten zur Aufklärung durch Externe unterbinden.
Hoher Informationsbedarf besteht sowohl bei Mitarbeiter*innen von Betreuungseinrichtungen als auch bei Klient*innen. Es zeigt sich, dass nur 45 Prozent der Einrichtungen Leitlinien zum Thema Umgang mit Sexualität und Behinderung haben. 22 befragte Mitarbeiter*innen geben an, dass geschlechtsspezifische Angebotsformate innerhalb der Einrichtung durchgeführt werden („Paarberatung, Aufklärung, Männergruppe, Frauengruppe, Schulungen und Konzepte zur Prävention und Umgang mit sexuellen Übergriffen“).
Sexualisierte Gewalt bei Menschen mit Behinderungen
Menschen mit Behinderungen haben ein höheres Risiko, sexualisierter Gewalt ausgesetzt zu sein sowie von ungeplanter Schwangerschaft oder sexuell übertragbaren Krankheit betroffen zu sein. Mädchen sind dem Gesundheitsbericht zufolge doppelt so häufig von sexualisierter Gewalt betroffen als Burschen mit Behinderungen. Der oder die Täter*in stammt meist aus dem persönlichen sozialen Umfeld. Eine andere Studie mit jungen Erwachsenen mit Behinderungen zeigt, dass 43 Prozent der Frauen und 8 Prozent der Männer von sexualisierter Gewalt betroffen waren. Die Studien aus Deutschland zeigen damit, dass Mädchen und Frauen stärker von sexualisierter Gewalt betroffen sind als Burschen und Männer.
Service-Link
Gender-Gesundheitsbericht 2024. Sexuelle und reproduktive Gesundheit (PDF)
Quelle: Gender-Gesundheitsbericht 2024. Sexuelle und reproduktive Gesundheit