Am 24. Februar 2025 fand im Palais des Nations, dem europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf, ein informelles, nicht-öffentliches Treffen mit dem UN-Frauenrechtsausschuss und Organisationen der Zivilgesellschaft zur Frauenrechtskonvention statt. Für den Österreichischen Behindertenrat nahmen Nicola Onome Sommer und Victoria Biber teil.
Vertreter*innen verschiedener Länder hatten jeweils zehn Minuten Zeit, um die zentralen Herausforderungen für Frauen und Mädchen in ihren Staaten darzulegen. Nicola Onome Sommer und Victoria Biber nutzten diese Gelegenheit, um die Situation von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Österreich zu thematisieren und diese Anliegen direkt an das Komitee heranzutragen.
Auf Grundlage der bisherigen schriftlichen Eingaben sowie der Inhalte dieses Austausches hat der UN-Ausschuss nun sogenannte „List of Issues“ veröffentlicht: einen Katalog an Fragen, den Österreich bis zum 2. März 2026 beantworten muss. Ziel sowohl der schriftlichen Eingaben als auch des persönlichen Austausches war es, möglichst viele der bestehenden Problematiken von Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Österreich in diesen Fragenkatalog einzubringen. Dieser Katalog bildet letztlich die Basis für die späteren UN-Handlungsempfehlungen, die im Rahmen der Staatenprüfung – voraussichtlich im Jahr 2026 – formuliert werden.
Im Folgenden werden wesentliche Punkte des Fragenkatalogs inhaltlich zusammengefasst, übersetzt und hervorgehoben:
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Allgemeines
Bitte stellen Sie Informationen und Statistiken, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter, Nationalität, Behinderung, ethnischer Zugehörigkeit, geografischer Lage und sozioökonomischem Hintergrund, über die aktuelle Situation von Frauen und Mädchen im Vertragsstaat zur Verfügung, um die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens zu ermöglichen.
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Zugang zum Recht
Bitte informieren Sie das Komitee über die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um sicherzustellen, dass Frauen – insbesondere ältere Frauen, Frauen und Mädchen mit Behinderungen, Frauen und Mädchen aus ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten sowie geflüchtete, asylsuchende und migrantische Frauen und Mädchen – wirksamen Zugang zur Justiz im gesamten Staatsgebiet haben. Dabei soll insbesondere dargelegt werden, inwieweit vertrauliche, effektive und geschlechtersensible Beschwerdemechanismen eingerichtet oder gestärkt wurden und welche Maßnahmen ergriffen wurden, um das Bewusstsein der betroffenen Frauen und Mädchen über ihre Rechte und die verfügbaren Rechtsmittel zu stärken.
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Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Bitte informieren Sie das Komitee ausführlich über die Maßnahmen zur Stärkung des Schutzes und der Unterstützung für Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben. Dazu gehört insbesondere die Ausweitung der Kapazitäten von Schutzeinrichtungen, die Sicherstellung, dass diese den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen und flächendeckend im gesamten Staatsgebiet verfügbar sind, sowie die Erhöhung der finanziellen Unterstützung und Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, die Schutz und Rehabilitation für Betroffene bieten.
Bitte beschreiben Sie zudem die umgesetzten Maßnahmen zur Bewältigung der gesundheitlichen Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen, insbesondere im Hinblick auf verpflichtende Schulungsprogramme für Gesundheitspersonal, die Ausweitung von Opferschutzgruppen, ein verbesserter Zugang zu Traumatherapie-Angeboten und spezifische Unterstützungsmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen. Dazu zählen Frauen und Mädchen mit Behinderungen, alleinerziehende Mütter, geflüchtete, asylsuchende und migrantische Frauen und Mädchen sowie LGBTIQ.
Bitte machen Sie Angaben zu den Überwachungsverfahren, die geschaffen wurden, um geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Abhängigkeitsverhältnissen aufzudecken, insbesondere in Fällen, in denen die Opfer den Missbrauch aus Angst vor dem Verlust ihrer Wohnung oder weil es ihnen aus anderen Gründen nicht möglich ist, diese zu melden.
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Partizipation von Frauen am politischen und öffentlichen Leben
Unter Hinweis auf die Empfehlung Nr. 40 (2024) über die gleichberechtigte und inklusive Vertretung von Frauen in Entscheidungsfindungssystemen bitten wir um Informationen über Maßnahmen zur Einführung gesetzlicher Quoten, um eine 50:50-Parität zwischen den Geschlechtern in Entscheidungsgremien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zu gewährleisten, und zwar sowohl in gewählten als auch in ernannten Positionen, insbesondere in der Kommunalverwaltung, in Führungspositionen, bei den Streitkräften, im Auswärtigen Dienst, in der Justiz und in Sportverbänden, sowie über Bemühungen, Gewerkschaften zu ermutigen, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.
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Bildung
Bitte informieren Sie das Komitee über Maßnahmen zur Sicherstellung eines inklusiven und barrierefreien Bildungssystems, insbesondere im Hinblick auf die Mehrfachdiskriminierung, die Frauen und Mädchen mit Behinderungen erfahren. Geben Sie im Detail bekannt, welche Schritte zur Verhinderung hoher Abbruchquoten von Frauen mit Behinderungen an Universitäten, zur Beseitigung von Geschlechterstereotypen in Lehrmaterialien sowie zur Sicherstellung einer umfassenden Bildung im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit für Frauen und Mädchen mit Behinderungen gesetzt wurden.
[…]Darüber hinaus sollen Reformen im dualen Bildungssystem dargelegt werden, die verhindern, dass Kinder mit Behinderungen automatisch in Sonderschulen eingestuft werden. Abschließend wird um Informationen zu Schritten gebeten, die zur Entwicklung barrierefreier technischer Ressourcen und Bildungsprogramme für Mädchen mit Behinderungen unternommen wurden.
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Arbeit
Bitte informieren Sie das Komitee über die ergriffenen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Beschäftigte in geschützten Werkstätten durch ein unabhängiges Sozialversicherungssystem abgesichert sind, angemessene Löhne erhalten und dem Arbeitsrecht unterliegen.
Darüber hinaus wird um Auskunft über Schritte gebeten, die unternommen wurden, um die Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen aus benachteiligten Gruppen zu verbessern, insbesondere für Frauen mit Behinderungen, Roma-Frauen, Frauen aus anderen ethnischen und religiösen Minderheiten sowie geflüchtete, asylsuchende und migrantische Frauen.
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Gesundheit
Bitte informieren Sie das Komitee über Maßnahmen zur Integration einer verpflichtenden, altersgerechten Bildung zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten in schulische Lehrpläne sowie zur Sicherstellung, dass für jede medizinische Behandlung ohne Ausnahme eine freie und informierte Einwilligung eingeholt wird und bei Bedarf unterstützende Entscheidungsfindungsdienste zur Verfügung stehen.
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Frauen und Mädchen mit Behinderung
Bitte geben Sie Informationen zu Maßnahmen, die sicherstellen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt haben, eigenständige Entscheidungen über ihre Wohnsituation treffen können und Zugang zu Unterstützungsangeboten für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt erhalten. Bitte erläutern Sie, wie Frauen und Mädchen mit Behinderungen in alle Gleichstellungspolitiken und -programme einbezogen werden, einschließlich etwaiger befristeter Sondermaßnahmen zur Verbesserung ihrer Situation. Bitte geben Sie Informationen zu Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Behinderungen zu adressieren, einschließlich Schritte zur Entwicklung von beruflicher Ausbildung und Unterstützungsangeboten für Frauen und Mädchen mit Behinderungen.
Darüber hinaus skizzieren Sie bitte den Fortschritt bei der Umsetzung einer landesweiten De-Institutionalisierungsstrategie mit klaren Zielen, Fristen und Finanzierungsplänen, insbesondere im Hinblick auf Frauen und Mädchen mit Lernschwierigkeiten in Einrichtungen, und beschreiben Sie Maßnahmen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten persönlichen Assistenz in allen Lebensbereichen.
Bitte erläutern Sie zudem Maßnahmen zur Sicherstellung eines barrierefreien Zugangs zu Gesundheitsdiensten, einschließlich unterstützter Entscheidungsfindung bei medizinischen Eingriffen, sowie Maßnahmen zum Schutz der reproduktiven Rechte und zur Verhinderung von Zwangsbehandlungen. Bitte beschreiben Sie konkrete Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe von Frauen und Mädchen mit Behinderungen am Sport, einschließlich Schritte zur Beseitigung diskriminierender Stereotype und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Vorteile sportlicher Betätigung.
Bitte erläutern Sie außerdem Schritte zur Unterstützung von Frauen mit Behinderungen bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf Familienleben, einschließlich der Bereitstellung von Unterstützungsangeboten zur Elternschaft sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Stereotypen über ihre Erziehungskompetenz.
Resümee
Die Veröffentlichung der „List of Issues“ stellt einen wichtigen Fortschritt und ersten Erfolg dar, da zahlreiche Themen aus dem vom Österreichischen Behindertenrat eingebrachten Schattenbericht sowie aus dem informellen Austausch aufgegriffen wurden.
Vor allem, dass erstmals einer von 21 Themenbereichen „Frauen und Mädchen mit Behinderungen“ lautet, bedeutet eine enorme Aufwertung dieses Themas.
Dieser Katalog wird die Grundlage für die kommende Staatenprüfung und Handlungsempfehlungen bilden. Der Österreichische Behindertenrat wird die weiteren Entwicklungen sorgfältig beobachten und darauf hinwirken, dass die angesprochenen Anliegen in konkrete Maßnahmen und Verbesserungen umgesetzt werden.
Service Link
Link zu dem Original auf Englisch: tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=CEDAW%2FC%2FAUT%2FQPR%2F10&Lang=en