Die Oviedo-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin. Der vollständige Titel lautet „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“. Das Ziel der Oviedo Konvention ist es, die Bedürfnisse des Menschen über das Interesse der Gesellschaft und der Wissenschaft zu stellen. Oviedo Convention and its Protocols – Human Rights and Biomedicine
Die Oviedo Konvention hat einige Zusatzprotokolle. Das Zusatzprotokoll über die Würde von Menschen mit psychischen Störungen ist eines der umstrittensten.
Warum ist der Zusatzprotokoll-Entwurf über die Würde von Menschen mit psychischen Störungen im Hinblick auf unfreiwillige Unterbringung und unfreiwillige Behandlung problematisch?
Der Entwurf zielt auf unfreiwillige Behandlung und Unterbringung in der Psychiatrie ab. Das heißt, es braucht nicht das Einverständnis der betreffenden Personen, die in die Psychiatrie eingewiesen werden sollen. Sie können also auch dazu sowie zu medikamentöser Behandlung gezwungen werden. (deutsche Übersetzung des Zusatzprotokoll-Entwurfs)
Hier würde also ein medizinisches Modell von Behinderung und eben kein modernes, menschenrechtliches Modell von Behinderung propagiert werden. Dies steht im Widerspruch zur UN-BRK (UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen). UN-Behindertenrechtskonvention – Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Fakultativprotokoll
Der Europarat diskutiert bereits seit dem Jahr 2014 diesen Entwurf, denn innerhalb des Europarats gibt es hierzu unterschiedliche Meinungen. Auch das EDF (Das Europäische Behindertenforum), Mental Health Europe argumentieren und lobbyieren bereits seit über 10 Jahren gegen diesen Entwurf, da er die Rechte von Menschen mit Behinderungen beschränkt. Hierzu wurde auch eine eigene Kampagne ins Leben gerufen. #WithdrawOviedo: Ending coercion in mental healthcare
Auch ein Zusammenschluss von Menschenrechtsexpert*innen (darunter auch Gerad Quinn – früherer UN-Sonderberichterstatter über die Rechte von Menschen mit Behinderungen) forderte den Europarat bereits im Jahr 2021 auf diesen Entwurf nicht anzunehmen: „Der Europarat hat jetzt die einmalige Gelegenheit, sich von altmodischen Zwangsansätzen in Bezug auf die psychische Gesundheit zu verabschieden und konkrete Schritte zur Förderung unterstützender psychiatrischer Dienste in der Gemeinschaft und zur Verwirklichung der Menschenrechte für alle ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderungen zu unternehmen. Wir fordern den Europarat auf, Teil der Zukunft zu sein.“ UN Rights experts call on Council of Europe to stop legislation for coercive mental health measures | OHCHR
Aufgrund der starken internationalen Kritik an diesem Entwurf wurde die Entscheidung darüber bis Ende 2024 ausgesetzt. Seit April 2025 wird der Entwurf wieder im Europarat und in seiner Parlamentarischen Versammlung (PACE) diskutiert.
Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats
Deshalb hat der Österreichische Behindertenrat in Absprache mit dem EDF eine Stellungnahme an alle österreichischen Abgeordneten des PACE-Ausschusses des Europarats, sowie des SOC-Ausschusses gesendet mit der Bitte, diesen Entwurf abzulehnen. (Brief an PACE-Vorsitzenden Martin Graf – Oviedo Zusatzprotokoll)
Der Europarat ist eine europäische Menschenrechtsorganisation. Er wurde nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Ziel gegründet, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Europa und darüber hinaus zu fördern. Seine Entscheidungen, Meinungen, Dokumente und Konventionen haben eine Vorbildwirkung. Umso schlimmer wäre die Annahme des aktuellen Zusatzprotokoll-Entwurfs.
von Gudrun Eigelsreiter