Abschließende Bemerkungen des UN-BRK Ausschuss zum kombinierten zweiten und dritten periodischen Bericht der Europäischen Union
I. Einleitung
1.) Der Ausschuss prüfte den zweiten und dritten periodischen Bericht der Europäischen Union auf seiner 770. und 772. Sitzung am 11. und 12. März 2025. Er nahm die vorliegenden abschließenden Bemerkungen auf seiner 780. Sitzung vom 18. März 2025 an.
2.) Der Ausschuss begrüßt den zweiten und dritten periodischen Bericht der Europäischen Union, die im Rahmen des vereinfachten Berichterstattungsverfahrens als Antwort auf den vor der Berichterstattung vom Ausschuss erstellten Fragenkatalog („list of issues“) vorgelegt wurden.
3.) Der Ausschuss würdigt den konstruktiven Dialog mit der Delegation des Vertragsstaats unter der Leitung von I.E. Frau Hadja Lahbib, Kommissarin für Gleichstellung, Vorsorge und Krisenmanagement bei der Europäischen Kommission. Der Ausschuss begrüßt auch die Beteiligung von Vertretern des Europäischen Parlaments, des Europäischen Bürgerbeauftragten und der Agentur für Grundrechte unter den Einrichtungen, die Mitglieder des Europäischen Parlaments sind.
Der Ausschuss begrüßt auch die Beteiligung von Vertreter*innen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Bürgerbeauftragten und der Agentur für Grundrechte unter den Einrichtungen, die gemäß Artikel 33 Absatz 2 des Konvents Mitglieder des unabhängigen Überwachungsmechanismus sind.
II. Positive Aspekte
4.) Der Ausschuss begrüßt die legislativen und politischen Maßnahmen, die die Europäische Union seit den letzten abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen des Ausschusses im Jahr 2015 ergriffen, hat, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern und das Übereinkommen umzusetzen, einschließlich der folgenden:
a) die Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im Jahr 2024 und die überarbeitete Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels;
b) die Verabschiedung der beiden Richtlinien über Normen für Gleichbehandlungsstellen im Jahr 2024;
c) die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Harmonisierung der Rechte von Menschen mit Autismus (2023/2728(RSP) vom 4.10.2023;
d) die Verordnung zur Einrichtung des Programms „Horizont Europa“ (2021–2027);
e) die Annahme des europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act) im April 2019;
f) die Verabschiedung der Richtlinie über den barrierefreien Webzugang im Jahr 2016;
g) die Annahme der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 im März 2021;
h) den neuen Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP III) zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung der Rolle der Frau in allen auswärtigen Politikbereichen der EU für den Zeitraum 2021-2025;
i) die Annahme der neuen Strategie für die Rechte des Kindes im Jahr 2021;
j) die Mitteilung der EU über die humanitäre Hilfe von 2021 und die operativen Leitlinien von 2019 zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in von der EU finanzierte humanitäre Hilfsmaßnahmen.
5.) Der Ausschuss begrüßt ferner, dass die Europäische Union im Jahr 2023 das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ratifiziert hat.
Hauptproblembereiche und Empfehlungen
Allgemeine Grundsätze und Verpflichtungen (Art. 1–4)
6. Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest,
a) dass die Umsetzung des Übereinkommens durch eine Rechtsprechung blockiert wird, wonach die Gültigkeit des abgeleiteten Unionsrechts nicht unmittelbar im Lichte des Übereinkommens beurteilt werden kann. Somit können die durch das Übereinkommen garantierten Rechte im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung entfalten;
b) dass auch nach dem konstruktiven Dialog mit der EU-Delegation eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, ob die EU die Auslegungen des Übereinkommens des Ausschusses, einschließlich jener, die in seinen Allgemeinen Bemerkungen vertreten werden, als maßgeblich akzeptiert.
c) dass die EU das Fakultativprotokoll des Übereinkommens nicht ratifiziert hat.
7. ) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) die Durchführung des Übereinkommens zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass das Übereinkommen unmittelbare Rechtswirkung entfaltet und dass die Gültigkeit des abgeleiteten EU-Rechts unmittelbar im Lichte des Übereinkommens beurteilt werden kann;
b) klarzustellen, dass er die Auslegungen des Übereinkommens durch den Ausschuss, einschließlich derjenigen, die in seinen Allgemeinen Bemerkungen vertreten werden, als maßgeblich akzeptiert;
c) Prüfung der Ratifikation des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen.
8. Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass
a) die Rechtsvorschriften, Strategien und Praktiken nicht systematisch im Lichte des Übereinkommens überprüft wurden, wie in den abschließenden Bemerkungen des vorangegangenen Ausschusses empfohlen, und dass Gesetzesentwürfe wie die Verordnung über den grenzüberschreitenden Schutz von Erwachsenen nicht mit den durch das Übereinkommen garantierten Rechten im Einklang stehen;
b) Während die Europäische Union im Jahr 2017 eine aktualisierte Übersicht über die für die Durchführung des Übereinkommens relevanten Rechtsakte erstellt hat, wurde eine förmliche Aktualisierung der Zuständigkeitserklärung nach Artikel 44 Absatz 2 und ihrer Liste der Rechtsakte im Anhang nicht vorgenommen, wie vom Ausschuss in seinen früheren abschließenden Bemerkungen empfohlen.
9. Der Ausschuss verweist auf seine früheren abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (CRPD/C/EU/CO/1, Abs. 9 und 17) und empfiehlt der Europäischen Union
(a) eine umfassende Überprüfung ihrer Rechtsvorschriften, Politiken und Praktiken vorzunehmen, um deren Vereinbarkeit mit dem Übereinkommen zu gewährleisten, und Mechanismen einzurichten, die sicherstellen, dass neue Rechtsvorschriften, Politiken und Praktiken mit dem Übereinkommen in Einklang stehen, unter anderem durch eine Überarbeitung ihrer Leitlinien für die Folgenabschätzung;
b) die Zuständigkeitserklärung nach Artikel 44 Absatz 2 und die Liste der Instrumente im Anhang aktualisieren und Instrumente aufnehmen, die sich zwar nicht auf Menschen mit Behinderungen beziehen, aber dennoch für ihre Rechte von Bedeutung sind;
(c) eine technische Zusammenarbeit mit dem Ausschuss nach Artikel 37 des Übereinkommens und mit dem Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Europa aufzunehmen, um seine Bemühungen zur Umsetzung der allgemeinen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zu erleichtern.
10. Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass das medizinische Modell der Behinderung nach wie vor besteht und dass es in den Mitgliedstaaten an Harmonisierung bei der Einschätzung von Behinderung mangelt.
11.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) sicherzustellen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten dem Menschenrechtsmodell für Behinderungen folgen und ihre Bewertung von Behinderung in allen Zuständigkeitsbereichen der EU harmonisieren, auch im Hinblick auf die Anerkennung des Behindertenstatus;
b) die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen eng konsultiert und aktiv in die Gestaltung der Einschätzung von Behinderung einbezogen werden und dass Mehrfachbewertungen für die betroffenen Personen keine unzumutbare Belastung darstellen;
c) in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedstaaten die Übertragbarkeit von Leistungen der sozialen Sicherheit von Menschen mit Behinderungen auf die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, unter anderem durch Ausweitung des Anwendungsbereichs der gegenseitigen Anerkennung des Behindertenstatus durch den Behindertenausweis.
12.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass die spezifischen Aktionen und Maßnahmen, die in der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 („Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen“) enthalten sind, im Jahr 2024 ausliefen und dass konkrete Pläne für die nächste Wahlperiode noch nicht verabschiedet wurden. Außerdem enthält sie nur begrenzte Maßnahmen, um die Situation Menschen mit Autismus zu verbessern, sowie von Menschen mit Zerebralparese und Menschen mit Demenz.
13.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, ein Verfahren zur Verabschiedung neuer spezifischer Aktionen, Maßnahmen und Zeitrahmen für die Umsetzung der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen für den Zeitraum 2025-2030 in enger Abstimmung und aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen einzurichten und die neuen spezifischen Aktionen, Maßnahmen und Zeitrahmen auf alle Menschen mit Behinderungen auszudehnen — Dazu gehören Menschen mit Zerebralparese, mit Autismus und mit Demenz.
14.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass es keine wirksamen Mechanismen gibt, die sicherstellen, dass die EU-Mitgliedstaaten die EU-Mittel in voller Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Rechten des Übereinkommens verteilen, und dass Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen nicht eng konsultiert und aktiv an der Ausarbeitung der Bedingungen für die Zuweisung dieser Mittel und der Verfahren zu ihrer Überwachung beteiligt werden.
15.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union bei der Zuweisung von EU-Mitteln durch ihre Mitgliedstaaten die uneingeschränkte Einhaltung des Übereinkommens verlangt und Überwachungsmechanismen in enger Abstimmung und aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen einrichtet.
16.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass
a) verschiedene Instrumente für die Beteiligung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen nicht repräsentativ für Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union sind und dass diese nicht umfassend informiert und barrierefrei zugänglich sowie nicht gesetzlich verankert sind und dass die Standpunkte der Organisationen nicht wirksam berücksichtigt werden;
b) Kinder mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen nicht eng in die Durchführung des Übereinkommens eingebunden sind und sich nicht aktiv daran beteiligen können;
c) dem Rat der Europäischen Union Mechanismen für eine enge Konsultation und aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen fehlen;
d) Jüngste Vorschläge und Leitlinien zur Finanzierung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung, Durchführung, Durchsetzung und Überwachung der Rechtsvorschriften und Politiken der Europäischen Union auf Organisationen von Menschen mit Behinderungen angewandt werden und ihre Möglichkeiten zur Interessenvertretung sowie ihre Bedeutung einzuschränken.
17. Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, neue Mechanismen für die enge Konsultation und aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über ihre Vertretungsorganisationen einzurichten und die bestehenden Mechanismen in allen Bereichen der Rechtsvorschriften, der Politik und der Programmplanung der EU, einschließlich des auswärtigen Handelns und des Rates der Europäischen Union, zu stärken, indem sie unter anderem durch ihre rechtliche Verankerung, ihre breite Repräsentation für Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union, die Gewährleistung ihrer Barrierefreiheit und die vollständige Unterrichtung aller Beteiligten, durch die Sicherstellung, dass die Ansichten von Menschen mit Behinderungen tatsächlich gehört und ernsthaft berücksichtigt werden, und durch die Bereitstellung ausreichender finanzieller Unterstützung für Organisationen von Menschen mit Behinderungen, um ihre Unabhängigkeit zu schützen und ihnen eine wirksame Teilhabe zu ermöglichen.
Spezifische Rechte (Art. 5–30)
Gleichstellung und Nichtdiskriminierung (Art. 5)
18.) Der Ausschuss ist nach wie vor besorgt über
a) die Ankündigung der Europäischen Kommission, den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ungeachtet einer Behinderung, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Gleichbehandlungsrichtlinie) zurückzuziehen;
b) die Beschränkung der Antidiskriminierungsvorschriften für Menschen mit Behinderungen auf Beschäftigung und Berufsausbildung;
c) die sehr begrenzte ausdrückliche Anerkennung von Mehrfachdiskriminierung und sich überschneidender Diskriminierung aufgrund einer Behinderung und anderer Gründe.
19.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Ziffer 19) und seine Allgemeine Bemerkung Nr. 6 (2018) und empfiehlt der Europäischen Union,
a) nachhaltige Anstrengungen zu unternehmen, um die erforderliche politische Unterstützung für die Verabschiedung der Gleichbehandlungsrichtlinie zu gewinnen;
b) sicherzustellen, dass der Rechtsschutz gegen Diskriminierung, einschließlich der Verweigerung angemessener Vorkehrungen, alle Bereiche und Zuständigkeiten der Europäischen Union sowie alle Modalitäten des Handelns der Europäischen Union umfasst;
c) Verbesserung des ausdrücklichen Rechtsschutzes von Menschen mit Behinderungen vor mehrfacher und sich überschneidender Diskriminierung (Anm. Intersektionalität) in allen Lebensbereichen, einschließlich Diskriminierung aufgrund der Überschneidung von Behinderung und Alter, Geschlecht, LGBTIQ+-Status, Religion oder Weltanschauung, ethnischer Zugehörigkeit, Migrationssituation, nationaler Herkunft und wirtschaftlicher Lage.
Frauen mit Behinderungen (Art. 6)
20.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass
a) die Rechte von Frauen mit Behinderungen durch die Rechtsvorschriften und Maßnahmen der EU zur Gleichstellung der Geschlechter und zu Behinderung nicht ausreichend geschützt werden, insbesondere dass die Rechte von Frauen mit Behinderungen in der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter für den Zeitraum 2020-2025 und in der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030 nicht im Fokus stehen;
b) bei der Umsetzung des Aktionsplans GAP III für die Gleichstellung auf der Ebene der Mitgliedstaaten und im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU, Erfahrungen mit mehrfacher und intersektionaler Diskriminierung nicht systematisch berücksichtigt werden;
c) die Ansichten von Frauen und Mädchen mit Behinderungen nicht konsequent in die Politikentwicklung einbezogen wurden, selbst wenn sie konsultiert wurden;
d) eine Lücke bei den aufgeschlüsselten Daten über die Beteiligung von Frauen mit Behinderungen an Entscheidungspositionen im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich besteht, und dass es in der Datenerhebung über Inklusion und Intersektionalität im auswärtigen Handeln der EU einen Mangel gibt;
21.) Unter Hinweis auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 3 (2016) zu Frauen und Mädchen mit Behinderungen empfiehlt der Ausschuss der Europäischen Union,
a) durchgängige Berücksichtigung von Behinderung und Geschlecht in allen Rechtsvorschriften, politischen Rahmenwerken und Programmen und Ausweitung des Anwendungsbereichs der Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter auf das Recht von Frauen mit Behinderungen auf Arbeit und Beschäftigung sowie das Recht von Frauen und Mädchen mit Behinderungen auf politische Teilhabe, einen angemessenen Lebensstandard, Gesundheit und Bildung;
b) Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen und den nationalen Programmen der Mitgliedstaaten zur Förderung von Frauen und Mädchen, um die mehrfache und intersektionale Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen wirksam zu bekämpfen, sowie Sicherstellung, dass die gesamte internationale Zusammenarbeit behinderten- und geschlechtergerecht ist und Frauen und Mädchen mit Behinderungen in Einrichtungen geschützt werden; sowie Frauen mit Behinderungen, die Angehörige ethnischer Minderheiten oder in Migrationssituationen sind;
c) eine enge Konsultation und aktive Beteiligung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen an der Vorbereitung und Durchführung der EU-Politiken und -Programme zu gewährleisten;
d) Verbesserung der aufgeschlüsselten Datenerhebung über die Teilhabe von Frauen und Mädchen mit Behinderungen am politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich sowie über Inklusion und Intersektionalität im auswärtigen Handeln der EU in den Partnerländern und enge Abstimmung und aktive Einbeziehung ihrer Vertretungsorganisationen in der EU und in den Partnerländern in die Entwicklung von Datenerhebungssystemen, die ihre unterschiedlichen Lebenserfahrungen erfassen.
Kinder mit Behinderungen (Art. 7)
22.) Der Ausschuss ist besorgt über
a) Heimunterbringung, Gewalt und Ausgrenzung von Kindern mit Behinderungen in allen EU-Mitgliedstaaten sowie unzureichende durchgängige Berücksichtigung der Rechte von Kindern mit Behinderungen in den EU-Rechtsvorschriften und in den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts;
b) die begrenzte Verfügbarkeit von aufgeschlüsselten Daten über die Situation von Kindern mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, Kinder mit Autismus, Kindern in Einrichtungen und in Migrationssituationen;
23.) Unter Hinweis auf seine gemeinsame Erklärung mit dem Ausschuss für die Rechte des Kindes und dem Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen empfiehlt der Ausschuss der Europäischen Union,
a) die Rechte von Kindern mit Behinderungen in allen Rechtsvorschriften, Strategien und Projekten im Bereich der Kinderrechte konsequent durchgängig zu berücksichtigen und wirksame Maßnahmen gegen die Institutionalisierung in ihrem internen sowie externen Handeln und bei der Umsetzung der Kinderrechtsstrategie, der Europäischen Kindergarantie für schutzbedürftige Kinder und der Empfehlung der Kommission von 2024 zur Entwicklung und Stärkung integrierter Kinderschutzsysteme zum Wohl des Kindes einführen;
b) verstärkte Erhebung aufgeschlüsselter Daten über Kinder mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, die in Einrichtungen leben, und in Migrationssituationen, als Grundlage für gesetzliche, politische und finanzielle Maßnahmen, die sich mit mehreren und intersektionaler Diskriminierung gegen Kinder mit Behinderungen auseinandersetzen.
Bewusstseinsbildung (Art. 8)
24.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest: a) den Mangel an Rechtsschutz gegen Hassreden und Hassverbrechen aufgrund von Behinderungen. (b) Stigmatisierung, ableistische Einstellungen, schädliche Stereotypen und Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Autismus; (c) diskriminierende eugenische Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen bei der pränatalen medizinischen Diagnose von Behinderungen, die insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen und Menschen mit Autismus betreffen.
25.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, in enger Abstimmung und aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über ihre Vertretungsorganisationen
a) die bestehenden Anstrengungen zur Bekämpfung von Hetze gegen Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, in marginalisierten Gruppen und in Migrationssituationen, fortzusetzen und die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Hassverbrechen auf Menschen mit Behinderungen auszuweiten sowie umzusetzen;
b) eine ausreichend ausgestattete Strategie zur Sensibilisierung für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen und Menschen mit Autismus, verabschieden, die die Würde von Menschen mit Behinderungen und ihren Beitrag zur Gesellschaft hervorhebt; und berät und bezieht Organisationen von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Organisationen von Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialer Behinderung und Organisationen von Menschen mit Autismus, eng mit ein;
c) nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen, um Stigmatisierung, Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Behinderungen sowie Diskriminierung bei der pränatalen Diagnose von Behinderungen entgegenzuwirken und Menschen mit Behinderungen, Eltern von Kindern mit Behinderungen angemessene Unterstützung bei der bei der Erziehung von Kindern in der Gemeinschaft zu bieten.
Barrierefreiheit (Art. 9)
24.) Der Ausschuss ist besorgt über
a) den begrenzten Geltungsbereich des europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit, der die bauliche Umwelt nur als freiwillige Klausel für die Mitgliedstaaten umfasst, nicht für wesentliche Produkte wie Haushaltsgeräte gilt und die Barrierefreiheit von Informationen nicht ausreichend berücksichtigt;
b) die Verzögerungen bei der Umsetzung des europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit durch die Mitgliedstaaten, einschließlich Ausnahmen bei den Antragsfristen, die es ermöglichen, dass die Notrufnummer 112 bis 2027 und einige Selbstbedienungsterminals bis 2045 barrierefrei zugänglich bleiben;
c) In der Verordnung (EU) 2024/1670 über die transeuropäischen Netze (TEN-V) mangelt es an Klarheit bei der Durchführung, es fehlen Verweise auf den europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit und es wird keine Konsultation von Sachverständigen vorgeschrieben und die Barrierefreiheit nicht in ihre Überwachung integriert;
d) die eingeschränkte Einhaltung der Richtlinie über den barrierefreien Zugang zum Internet durch die Mitgliedstaaten, den Ausschluss von Extranets und Intranets aus ihrem Geltungsbereich und die darin enthaltene Opt-out-Regelung für Websites und mobile Anwendungen von Schulen, Kindergärten oder Kindergärten;
e) die Lücken bei den Barrierefreiheitsanforderungen in den digitalen Rechtsvorschriften, wie z. B. im Gesetz über digitale Dienste, in dem Barrierefreiheit als freiwilliges bewährtes Verfahren betrachtet wird, oder in den allgemeinen Zielen des Strategieprogramms für die digitale Dekade 2030, in denen die Barrierefreiheit nicht ausreichend berücksichtigt wird;
27.) Unter Hinweis auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 2 (2014) zur Barrierefreiheit empfiehlt der Ausschuss der Europäischen Union, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und in enger Abstimmung und aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen
a) Rechtsvorschriften zu erlassen, um die Barrierefreiheit der gebauten Umwelt, der Produkte und der Informationen zu gewährleisten;
b) Beschleunigung der Umsetzung von Barrierefreiheitsnormen in den Mitgliedstaaten;
c) Änderung der Verordnung (EU) 2024/1670, um Maßnahmen zur Umsetzung vorzusehen und Barrierefreiheit in die Überwachung einzubeziehen;
d) Sicherstellung, dass alle Mitgliedstaaten die Richtlinie über den barrierefreien Zugang zum Internet einhalten, Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Intranet und Extranet und Streichung von Artikel 1 Absatz 5;
e) Barrierefreiheitsanforderungen in alle digitalen Rechtsvorschriften aufnehmen;
f) Schulung des Personals in Bezug auf Barrierefreiheit und Methoden zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen und Verabschiedung transparenter Strategien für die physische und digitale Barrierefreiheit mit Fahrplänen für alle Gebäude, Dienste, Geräte und digitalen Plattformen.
Recht auf Leben (Art. 10)
28.) Der Ausschuss ist besorgt über
a) Todesfälle von Menschen mit Behinderungen in institutionellen Einrichtungen, die finanzielle Unterstützung aus EU-Mitteln erhielten, auch während der COVID-19-Pandemie, ohne ausreichende Präventionsmaßnahmen und Rechtsbehelfsmechanismen;
b) diskriminierende medizinische Protokolle und höhere Sterblichkeitsraten von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, insbesondere während der COVID-19-Pandemie und in Situationen bewaffneter Konflikte in Nachbarländern.
29.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in der zweiten Hälfte der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen konkrete Initiativen und Maßnahmen zu ergreifen, um den Tod von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen zu verhindern, unter anderem durch
i) Entwicklung von Standards für die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Prävention und Untersuchung von Todesfällen in Einrichtungen, die EU-Mittel erhalten haben, Bereitstellung von Mitteln zum Ausbau der Kapazitäten der Mitgliedstaaten in diesem Bereich und Ausrichtung anderer Strategien in den Bereichen Gesundheit und Langzeitpflege auf dieses Ziel;
ii) die Forderung nach einer gründlichen Untersuchung der Gewalt gegen und des Todes von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, die von der EU finanziert werden, und die Einbeziehung der Datenerhebung über Todesfälle von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen, die in den Zuständigkeitsbereich von Eurostat fallen;
iii) Anwendung des Rahmens für die Rechenschaftspflicht, einschließlich der Aussetzung der Finanzierung und der Wiedereinziehung von Mitteln, auf Einrichtungen, in denen Todesfälle hätten verhindert werden können;
b) Entwicklung nichtdiskriminierender medizinischer Leitlinien und Standards, die einen gleichberechtigten Zugang zu lebensrettenden Behandlungen, insbesondere bei gesundheitlichen Notlagen, gewährleisten, und Angleichung der EU-Politik und -Standards zwischen den Mitgliedstaaten.
Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen (Art. 11)
30.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest:
(a) dass verbindliche Anforderungen und Überwachungsmechanismen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in humanitären Maßnahmen, im Katastrophenschutz, in der Katastrophenvorsorge und im Klimawandel fehlen.
(b) dass Behindertenorganisationen nur unzureichend dabei unterstützt, eng konsultiert und aktiv in die Umsetzung politischer Maßnahmen in den Bereichen humanitäre Hilfe, Katastrophenschutz, Katastrophenvorsorge und Klimawandel eingebunden werden.
31.) Unter Hinweis auf seine früheren abschließenden Bemerkungen (Absätze 33 und 35), den Sendai-Rahmen für Katastrophenvorsorge 2015–2030, die IASC Leitlinien zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in humanitären Maßnahmen und die UNBRK Ausschuss Leitlinien zur Deinstitutionalisierung, auch in Notfällen, empfiehlt der Ausschuss, dass die Europäische Union, in enger Konsultation und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre repräsentativen Organisationen:
(a) Sicherstellt, dass die Gesetzgebungs-, Politik- und Umsetzungsrahmen der EU für humanitäre Hilfe, Katastrophenvorsorge, Zivilschutz und Klimawandel die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen gewährleistet, die Mechanismen zur Berichterstattung, zum Kapazitätsaufbau und zur Überwachung verbessert und Indikatoren zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen sowie zu den Grundsätzen und Rechten des Übereinkommens integriert;
(b) Behindertengerechte Maßnahmen zur Verhinderung vermeidbarer Todesfälle in Notfällen sowie eine enge Konsultation und aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen an Entscheidungsprozessen fördert und Maßnahmen im Falle humanitärer Notfälle, Pandemien und anderer Katastrophen überwacht sowie an globalen, regionalen und nationalen Verhandlungen zum Klimawandel und Unterstützung der offiziellen Anerkennung von Organisationen von Menschen mit Behinderungen als Teil einer „disability consituency“ (Anm. Gruppe für und von Menschen mit Behinderungen) im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen.
Gleiche Anerkennung vor dem Recht (Art. 12)
32.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest:
(a) dass Maßnahmen im Rahmen seiner Zuständigkeiten fehlen, um auf die Abschaffung von Vormundschaftsregelungen und Einschränkungen der Rechtsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedstaaten hinzuwirken und Menschen mit Behinderungen bei der Ausübung ihrer Rechtsfähigkeit zu unterstützen;
(b) dass die Europäische Union in Erwägung zieht, ihre Mitgliedstaaten zu ermächtigen, das Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen zu ratifizieren, um so die grenzüberschreitende Anerkennung u.a. von Regelungen für Ersatzentscheidungen zu ermöglichen
(c) dass es für Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union nach wie vor Hindernisse gibt, wenn es darum geht, ihr Eigentum und ihre finanziellen Angelegenheiten zu regeln und gleichberechtigten Zugang zu Bankdarlehen, Hypotheken und anderen Formen von Finanzkrediten zu erhalten, auch in grenzüberschreitenden Situationen.
33.) Unter Hinweis auf seine allgemeine Bemerkung Nr. 1 (2014) zur gleichen Anerkennung vor dem Gesetz empfiehlt der Ausschuss, dass die Europäische Union in enger Absprache und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über die sie vertretenden Organisationen:
(a) die Mitgliedstaaten auffordert, Systeme der ersetzenden Entscheidungsfindung durch Systeme der unterstützten Entscheidungsfindung zu ersetzen, die den Willen und die Präferenzen von Menschen mit Behinderungen respektieren, und Beamten, Familien und Dienstleistern Schulungen zur unterstützten Entscheidungsfindung anzubieten;
(b) Einstellung der Bemühungen, die EU-Mitgliedstaaten zu ermächtigen, dem Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen beizutreten oder Vertragspartei zu bleiben; Verzicht auf die vorgeschlagene Verordnung KOM/2023/280 endg. und Verzicht auf den vorgeschlagenen Beschluss KOM(2023) 281 endg./2 des Rates;
(c) Ausarbeitung von Rechtsvorschriften zur Beseitigung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bei der Kontrolle ihres Eigentums und ihrer finanziellen Angelegenheiten, einschließlich des Zugangs zu Bankdienstleistungen.
Zugang zum Recht (Art. 13)
34.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass:
(a) Der Entzug der Rechtsfähigkeit das Recht von Menschen mit Behinderungen auf effektiven und gleichberechtigten Zugang zum Recht verletzt, wovon insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen betroffen sind;
(b) Online-Plattformen und digitale Hilfsmittel im Justizbereich der Europäischen Union für Menschen mit Behinderungen weitgehend nicht barrierefrei sind.
35.) Der Ausschuss verweist auf die Internationalen Grundsätze und Leitlinien für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Justiz aus dem Jahr 2020 sowie auf seine früheren Abschließenden Beobachtungen und Empfehlungen (Ziffer 39) und empfiehlt der Europäischen Union, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten:
(a) ihre Rechtsvorschriften über den Zugang zum Recht zu überprüfen und das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Rechtsfähigkeit in allen Gerichtsverfahren zu gewährleisten, indem sie unter anderem sicherstellt, dass Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrem Willen und ihren Präferenzen direkt an allen Phasen der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren teilnehmen können, und indem sie Rechtsbehelfe für Verstöße gegen ihr Recht auf Zugang zum Recht einführt;
(b) Zusätzliche Kriterien und Verfahren für die Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen und verfahrensrechtlichen Vorkehr anzunehmen
35.) Der Ausschuss verweist auf die Internationalen Grundsätze und Leitlinien für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Justiz aus dem Jahr 2020 sowie auf seine früheren Abschließenden Beobachtungen und Empfehlungen (Ziffer 39) und empfiehlt der Europäischen Union, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten
(a) ihre Rechtsvorschriften über den Zugang zur Justiz zu überprüfen und das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Rechtsfähigkeit in allen Gerichtsverfahren zu gewährleisten, indem sie unter anderem sicherstellt, dass Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrem Willen und ihren Präferenzen direkt an allen Phasen der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren teilnehmen können, und indem sie Rechtsbehelfe für Verstöße gegen ihr Recht auf Zugang zur Justiz einführt;
(b) zusätzliche Kriterien und Verfahren für die Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen in allen Gerichtsverfahren festzulegen, die einen Dialog mit den betroffenen Menschen mit Behinderungen zur Ermittlung ihrer Bedürfnisse und positive Maßnahmen zur Beseitigung von physischen, kommunikativen und einstellungsbedingten Barrieren sowie eine nicht erschöpfende Liste der verfügbaren verfahrensrechtlichen Vorkehrungen umfassen, einschließlich der Bereitstellung von Rechtsdokumenten und Informationen über Verfahren in Leichter Sprache, Braille-Schrift, unterstützenden und alternativen Kommunikationsmitteln und -arten;
(c) den Aufbau von Kapazitäten im Justizsektor und in der öffentlichen Verwaltung in Bezug auf das Übereinkommen und das darin verankerte Recht auf Zugang zum Recht zu verstärken und bewährte Verfahren in den Mitgliedstaaten, wie den Einsatz von Vermittler*innen und/oder Moderator*innen, zu berücksichtigen
(e) die Gesetze über Gerichtsverfahren zu ändern, um alle Rechte von Menschen mit Behinderungen auf ein faires Verfahren zu gewährleisten, einschließlich der Unschuldsvermutung, des Rechts, bei Strafverfahren anwesend zu sein, des Rechts auf Zugang zu einem Dolmetscher, auf einen Rechtsanwalt und auf Prozesskostenhilfe, unabhängig vom Status ihrer Geschäftsfähigkeit;
(f) Sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen in die Digitalisierung der Justiz einbezogen werden.
Freiheit und Sicherheit der Person (Art. 14)
Der Ausschuss ist besorgt über:
36.) (a) das Fehlen von Maßnahmen der Europäischen Union im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zur Abschaffung der unfreiwilligen Festhaltung von Menschen mit Behinderungen in den Mitgliedstaaten, einschließlich in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen, sowie über das erhöhte Risiko für Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, Menschen mit Autismus, Kinder, ältere Menschen und Migrant*innen mit Behinderungen, festgehalten werden;
(b) das Fehlen einer wirksamen Überwachung der Festhaltung von Menschen mit Behinderungen, auch in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen, und der Bereitstellung der erforderlichen Unterstützungsmaßnahmen.
37.) Unter Hinweis auf die Leitlinien zum Recht auf Freiheit und Sicherheit von Menschen mit Behinderungen und seine Leitlinien zur Deinstitutionalisierung, auch in Notfällen, empfiehlt der Ausschuss, dass die Europäische Union im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen ergreift, um:
(a) die unfreiwillige Festhaltung von Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, Menschen mit Autismus, Kindern, älteren Menschen und Migrant*innen mit Behinderungen, aufgrund ihrer Behinderung, und Schaffung von Anreizen für die Mitgliedstaaten zur Beendigung aller Festhaltungen aufgrund von Behinderungen, ob de jure oder de facto, sowie Finanzierung von Forschungsarbeiten zur Entwicklung gemeindenaher Dienste;
(b) die Situation von Menschen mit Behinderungen, denen die Freiheit entzogen wurde, an allen Orten der Freiheitsentziehung wirksam zu überwachen.
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen von Oviedo des Europarats
38.) Der Ausschuss ist besorgt über die Zurückhaltung der Europäischen Union, den Mitgliedstaaten zu raten, den Entwurf des Zusatzprotokolls zum Oviedo-Übereinkommen nicht weiterzuverfolgen. Der Ausschuss weist erneut darauf hin, dass der Entwurf des Zusatzprotokolls die unfreiwillige Unterbringung und Behandlung von Menschen mit Behinderungen legitimieren und zur Zersplitterung des internationalen Rechts beitragen würde, was zu tiefen Widersprüchen zwischen dem Übereinkommen und dem Recht des Europarats führen würde.
39.) Der Ausschuss erinnert daran, dass alle EU-Mitgliedstaaten Mitglieder des Europarats und Vertragsparteien der UN-BRK sind, und verweist ferner auf seine Leitlinien zum Recht auf Freiheit und Sicherheit von Menschen mit Behinderungen, seine Leitlinien zur Deinstitutionalisierung, auch in Notfällen, seine Offenen Briefe zum Entwurf des Fakultativprotokolls zum Oviedo-Übereinkommen über Bioethik, die 2021 und 2025 veröffentlicht werden, und seine Erklärung, in der die Vertragsstaaten aufgefordert werden, den Entwurf des Zusatzprotokolls zum Oviedo-Übereinkommen abzulehnen (2018), und empfiehlt der Europäischen Union
(a) Auf der Grundlage der von der Europäischen Union und dem Europarat am 11. Mai 2007 unterzeichneten Absichtserklärung und in ihrer Eigenschaft als Vertragsstaat des Übereinkommens die Mitgliedstaaten aufzufordern, aus dem Entwurf des Zusatzprotokolls zum Oviedo-Übereinkommen auszutreten;
(b) einen gemeinsamen Standpunkt mit den Mitgliedstaaten und dem Europarat zu entwickeln, um einen zwangsfreien Rahmen für die psychische Gesundheit zu schaffen, und zwar in enger Absprache und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre repräsentativen Organisationen.
Freiheit von Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Art. 15)
40.) Der Ausschuss ist besorgt über:
(a) Zwangsbehandlung von Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen und von Kindern mit Autismus in Einrichtungen in allen Mitgliedstaaten, einschließlich der Anwendung von körperlichen und pharmakologischen Zwangsmaßnahmen, Einzelhaft, erzwungener Elektrokrampftherapie und anderer Zwangspraktiken;
(b) EU-Finanzierung von Forschung, die de facto nicht voraussetzt, dass die beteiligten Menschen mit Behinderungen die notwendige Unterstützung erhalten, um ihre persönliche, freie und vollständig informierte Zustimmung zu geben;
(c) das Fehlen von Mechanismen zur Verhinderung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung von Menschen mit Behinderungen im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU.
41.) Unter Hinweis auf seine Leitlinien zur Deinstitutionalisierung, auch in Notsituationen, empfiehlt der Ausschuss, dass die Europäische Union in enger Absprache mit den Menschen mit Behinderungen und unter deren aktiver Beteiligung über die sie vertretenden Organisationen:
(a) Initiativen und konkrete Maßnahmen als Teil der zweiten Hälfte der Strategie für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln, um die EU-Politik und die Standards für die psychiatrische Behandlung von Menschen mit Behinderungen mit dem Übereinkommen in Einklang zu bringen, und ein absolutes Verbot aller erzwungenen psychiatrischen Eingriffe zu erlassen;
(b) Sicherstellen, dass von der EU finanzierte Forschungsarbeiten, an denen Menschen mit Behinderungen beteiligt sind, keine Ersatzentscheidungen zulassen und ausdrücklich deren persönliche, freie und vollständig informierte Zustimmung verlangen. Verabschiedung von Leitlinien für die Erteilung einer solchen Zustimmung, auch von gehörlosen Menschen und Menschen mit Lernschwierigkeiten;
(c) Einrichtung von Mechanismen zur Verhinderung von Zwangsbehandlung von Menschen mit Behinderungen, die Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe darstellen kann.
Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch (Art. 16)
42.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass:
(a) Menschen mit Behinderungen einem erhöhten Risiko von Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind, insbesondere Frauen, ältere Menschen, LGBTIQ+ Menschen und Kinder mit Behinderungen sowie Menschen mit Behinderungen, die in geschlossenen Einrichtungen leben;
(b) Die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen verbietet nicht ausdrücklich Vergewaltigung, Zwangssterilisation und sexuelle Belästigung sowie andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt;
(c) Der Zugang zu spezialisierten Diensten für Menschen mit Behinderungen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt wurden ist unzureichend, und es gibt keine spezifischen Schutzmechanismen für gehörlose Frauen und Mädchen, die Dienste in Anspruch nehmen oder Missbrauch melden;
(d) Es gibt keine systematische Überwachung der institutionellen Rahmenbedingungen
43.) Unter Hinweis auf seine Erklärung vom 24. November 2021 zur Beseitigung der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen empfiehlt der Ausschuss der Europäischen Union
(a) Vergewaltigung, Zwangssterilisation und sexuelle Belästigung sowie andere Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen ausdrücklich zu verbieten;
(b) sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen eng konsultiert und aktiv an der Umsetzung und Überwachung der Strategie für die Rechte des Kindes, der Istanbul-Konvention, der Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels beteiligt werden;
(c) Bekämpfung von Gewalt und Missbrauch von Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen in institutionellen Einrichtungen, einschließlich psychiatrischer Einrichtungen, und Bereitstellung von Mitteln für die Einrichtung einer unabhängigen Überwachung solcher Einrichtungen.
Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17)
44.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, einschließlich Frauen und Kinder mit Behinderungen, schädlichen, invasiven und irreversiblen Behandlungsformen ausgesetzt sind, einschließlich Zwangssterilisation, Abtreibung und Verhütung.
45.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, keiner unfreiwilligen schädlichen, invasiven und irreversiblen Behandlung wie Zwangssterilisation, Abtreibung und Empfängnisverhütung ausgesetzt werden und dass jede Form der Behandlung von Menschen mit Behinderungen auf ihrer persönlichen, freien und vollständig informierten Zustimmung beruht.
Freizügigkeit und Staatsangehörigkeit (Art. 18)
46.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass:
(a) Der Europäische Behindertenausweis und der Parkausweis keine Leistungen der sozialen Sicherheit oder des Sozialschutzes umfassen, die für einen langfristigen Umzug unerlässlich sind, und die Mitgliedstaaten verfügen über einen großen Ermessensspielraum bei der Definition der Anspruchsvoraussetzungen und des Behindertenstatus;
(b) Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Autismus und Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, stoßen auf besondere Hindernisse beim Zugang zu Bewertungsverfahren zur Anerkennung von Behinderungen, wenn sie von einem Mitgliedstaat in einen anderen ziehen;
(c) Der Neue Pakt zu Migration und Asyl (2024) geht nicht ausreichend auf die Situation von Menschen mit Behinderungen ein, und die Migrations- und Asylverfahren unterwerfen Menschen mit Behinderungen einer rein medizinischen Bewertung und enthalten keine klaren Verfahren für die Durchführung von Bewertungen;
(d) Der begrenzte Schutz von Menschen mit Behinderungen in Migrationssituationen vor Inhaftierung, Verweigerung des Zugangs zum Hoheitsgebiet und Pushbacks.
47.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren Abschließenden Beobachtungen und Empfehlungen (Ziffer 49) und empfiehlt der Europäischen Union:
(a) den Geltungsbereich des Europäischen Behindertenausweises auf langfristige Umzüge auszudehnen und Leistungen der sozialen Sicherheit oder des Sozialschutzes übertragbar zu machen, indem sie unter anderem die gemeinsame Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Bereitstellung von Unterstützungsleistungen für EU-Bürger, die für einen längeren Aufenthalt oder dauerhaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen ziehen, festlegt und die gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus sicherstellt;
(b) Sicherstellen, dass die Verfahren zur Beurteilung von Behinderungen für alle Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit Autismus, barrierefrei zugänglich sind, und die Beurteilungsverfahren an das Menschenrechtsmodell für Behinderungen und das Recht auf Freizügigkeit anpassen;
(c) Leitlinien und Standards für verfahrensmäßige und angemessene Vorkehrungen sowie für Bewertungsverfahren für Menschen mit Behinderungen in Migrationssituationen bereitstellen;
(d) sicherstellen, dass bei der Umsetzung des Neuen Pakts zu Migration und Asyl die Rechte von Menschen mit Behinderungen geachtet werden, und die Politik und die Standards der Mitgliedstaaten angleichen, um Inhaftierungen, Zurückschiebungen und die Verweigerung des Zugangs zum Hoheitsgebiet für Menschen mit Behinderungen in Migrationsangelegenheiten zu verhindern;
(e) Entwicklung von Aufnahmemodalitäten für Migrant*innen mit Behinderungen, die nicht zu deren Inhaftierung führen, und Suche nach technischer Zusammenarbeit mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, um Inhaftierung im Zusammenhang mit Migration zu verhindern.
Selbstbestimmtes Leben und Inklusion in der Gemeinschaft (Art. 19)
48.) Der Ausschuss ist besorgt, dass:
(a) Die Auslegung des Übereinkommens über die Zulässigkeit kleiner Gruppenheime durch die EU von der Auslegung des Ausschusses abzuweichen scheint, und die Leitlinien für die Mitgliedstaaten keine Abhilfe für die Heimunterbringung beinhalten;
(b) EU-Mittel für den Bau und die Instandhaltung von institutionellen Einrichtungen, einschließlich kleiner Gruppenheime, in den Mitgliedstaaten verwendet wurden und werden;
(c) Menschen mit Behinderungen bei der Durchführung von Projekten, die unter EU-Recht fallen und/oder mit EU-Mitteln finanziert werden, zwischen verschiedenen Gemeinschaftseinrichtungen hin- und hergeschoben werden;
(d) Die derzeitigen Systeme zur Überwachung der Verwendung von EU-Mitteln durch die Mitgliedstaaten nicht wirksam die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gewährleisten, und der Zugang von Organisationen von Menschen mit Behinderungen zu gerichtlichen Aufsichtsverfahren stark eingeschränkt ist;
(e) Die Politiken und Investitionen nicht ausreichend auf die Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen in der Gemeinschaft ausgerichtet sind.
49.) Unter Hinweis auf seine Allgemeine Bemerkung Nr. 5 (2017) über ein selbstbestimmtes Leben und die Inklusion in die Gemeinschaft, seine Leitlinien zur Deinstitutionalisierung, auch in Notfällen, und den Bericht des Sonderberichterstatters für die Rechte von Menschen mit Behinderungen über die Umwandlung von Diensten für Menschen mit Behinderungen empfiehlt der Ausschuss, dass die Europäische Union in enger Absprache und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen:
(a) sicherstellt, dass die EU-Gesetzgebung, -Politik, -Programme und -Leitlinien zu selbstbestimmten Leben in vollem Einklang mit den Anforderungen des Übereinkommens stehen, wie in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 5 (2017) des Ausschusses dargelegt, und den Vermerk des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission vom 29. Juni 2018 (Ares[2018]2249997) aufzuheben;
(b) sicherzustellen, dass keine EU-Mittel, einschließlich der Fazilität für Konjunkturbelebung und Widerstandsfähigkeit und des Instruments für Nachbarschaftspolitik, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit, für den Bau oder die Instandhaltung institutioneller Einrichtungen, einschließlich kleiner Gruppenheime, verwendet werden, und den mehrjährigen Finanzrahmen entsprechend zu gestalten;
(c) sicherzustellen, dass die kohäsionspolitischen Rechtsvorschriften für die Zeit nach 2027 die Verwendung von EU-Mitteln für den Bau und die Instandhaltung von institutionellen Einrichtungen, einschließlich kleiner Gruppenheime, ausdrücklich verbieten, dass die Strategie für Menschen mit Behinderungen 2021-2030 und ihre Aktionspläne für den Zeitraum 2025-2030 den in der Allgemeinen Bemerkung Nr. 5 des Ausschusses genannten Verpflichtungen entsprechen und dass die Europäische Union eine Folgenabschätzung früherer Finanzierungen in enger Konsultation und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre repräsentativen Organisationen durchführt und veröffentlicht;
(d) die Bekanntmachung der Kommission über die Leitlinien für ein selbstbestimmtes Leben im Rahmen der EU-Finanzierung zu ändern, um klarzustellen, dass kleine Gruppenheime nicht mit dem Übereinkommen übereinstimmen, und um Menschen mit Behinderungen, die in Heimen lebten oder leben, Wiedergutmachung und Entschädigung zu gewähren
(e) Anerkennung der Heimunterbringung als eine Form der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen;
(f) die Überwachungs- und Beschwerdemechanismen für die Zuweisung von EU-Mitteln zu stärken, indem sie die Unabhängigkeit der Überwachungsausschüsse auf nationaler Ebene stärkt, die Überwachung der Zuweisung von EU-Mitteln für behindertenspezifische Zwecke durch nationale Menschenrechtsinstitutionen, Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen sicherstellt, einen wirksamen Zugang zu Gerichten für Menschen mit Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen gegen die Zuweisung von EU-Mitteln durch Mitgliedstaaten, die gegen das Übereinkommen verstoßen, gewährleistet und ihre Befugnisse, wie z. B. Vertragsverletzungsverfahren, gegen Mitgliedstaaten, die diese Maßnahmen nicht umsetzen, nutzt
(g) eindeutige Definitionen von gemeindenahen Diensten, einschließlich persönlicher Assistenz, anzunehmen, um die Ausrichtung von Investitionen zu verbessern, und aufgeschlüsselte Daten über die erbrachten Dienste und die Menschen mit Behinderungen, die sie in Anspruch nehmen, zu erheben und zu veröffentlichen; Investitionen für die Entwicklung von barrierefrei zugänglichem und erschwinglichem Wohnraum für Menschen mit Behinderungen, persönlicher Assistenz, Zentren für unabhängiges Leben, Peer-Unterstützung und anderen Arten von individueller Unterstützung unter Berücksichtigung des Willens und der Präferenzen von Menschen mit Behinderungen Vorrang einzuräumen.
Persönliche Mobilität (Art. 20)
50.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass:
(a) Menschen mit Behinderungen aufgrund von Voranmeldepflichten und Mobilitätshindernissen bei allen Verkehrsträgern nicht unabhängig und spontan reisen können;
(b) Die Verordnung TSI-PRM erlaubt die Benutzung nicht barrierefreier Züge und geht nicht auf die Schnittstelle zwischen Bahnsteig und Zug ein;
(c) Die Fahrgastrechteverordnung verweigert die Beförderung aus „Sicherheitsgründen“ und sieht keine Entschädigung vor, wenn die Hilfeleistung ausbleibt oder die Beförderung verweigert wird; im Luftverkehr ist die Entschädigung begrenzt;
(d) Viele Verkehrsunternehmen lassen die Verwendung von Mobilitätshilfen in Bussen und Zügen nicht zu;
(e) Nur 250 Bushaltestellen in der EU sind für die Bereitstellung von Hilfeleistungen ausgewiesen, und es fehlen Informationen über die Häufigkeit und den Inhalt von Schulungen für das Personal von Bussen und Reisebussen.
51.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren Abschließenden Beobachtungen und Empfehlungen (Ziffer 53) und empfiehlt der Europäischen Union:
(a) die Vorschriften über die Fahrgastrechte für alle Verkehrsträger zu überarbeiten, um die Anforderungen an die Voranmeldung zu beseitigen und spontanes Reisen zu gewährleisten;
(b) umfassende Anforderungen an die Barrierefreiheit von Bahnhöfen und Fahrzeugen in die bevorstehende Überarbeitung der TSI PRM aufzunehmen, um ein unabhängiges Einsteigen zu gewährleisten und Ausnahmen für Doppelstockzüge und Restaurantwagen zu streichen;
(c) die Verweigerung der Beförderung aus behinderungsbedingten Gründen zu verbieten und Entschädigungsmechanismen für Verstöße einzurichten; die volle Haftung der Luftfahrtunternehmen für beschädigte oder verlorene Mobilitätshilfen sicherzustellen und die Verweigerung der Beförderung im Luftverkehr zu verhindern;
(d) Entwicklung harmonisierter Normen für die Barrierefreiheit aller Verkehrsmittel, einschließlich des Nahverkehrs, um die Barrierefreiheit und die Unterbringung von Mobilitätshilfen zu gewährleisten;
e) Erhöhung der Anzahl von Bushaltestellen mit Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und Schulung von Fahrern und Personal, das Bushaltestellen bedient, im Hinblick auf die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen.
Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen (Art. 21)
52.) Der Ausschuss ist besorgt, dass:
(a) Viele Menschen mit Behinderungen haben keinen gleichberechtigten Zugang zu Information und Kommunikation haben, da nur begrenzt barrierefrei zugängliche Formate zur Verfügung stehen und nationale Gebärdensprachen (NSL) nicht als Teil der Mehrsprachigkeit in der EU betrachtet werden;
(b) Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste enthält keine Zeit- und Zielvorgaben für die Umsetzung und gewährleistet nicht die Barrierefreiheit von Video-Sharing-Plattformen, sozialen Medien und den audiovisuellen Bereichen von Nachrichten-Websites;
(c) Die Websites und sozialen Medien der EU-Institutionen, einschließlich des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates, entsprechen nicht den Leitlinien für den barrierefreien Zugang zum Internet;
(d) Die Fragmentierung der unterstützenden Technologien in der EU mit unterschiedlichen Zertifizierungssystemen und Bereitstellungsmodellen schafft Hindernisse für den Zugang und die Auswahl.
53.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren Abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Ziff. 55) und empfiehlt der Europäischen Union:
(a) die Geschäftsordnung der EU-Institutionen so zu ändern, dass sie die Rechte von gehörlosen Menschen widerspiegelt; die 29 nationalen Sprachen der EU als Amtssprachen der EU anzuerkennen und die Verfügbarkeit von Informationen im Leichter-Lesen-Format zu erhöhen;
(b) Festlegung von Zeitvorgaben und harmonisierten EU-weiten Kriterien für die Barrierefreiheit audiovisueller Medien in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, einschließlich quantitativer und qualitativer Ziele;
(c) Sicherstellung der Anwendung von Normen für die Barrierefreiheit im Internet auf allen Websites und Online-Plattformen der EU-Institutionen im Einklang mit dem Aktionsplan für Barrierefreiheit im Internet und der Richtlinie über Barrierefreiheit im Internet;
(d) Gewährleistung der Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von unterstützenden Technologien für Menschen mit Behinderungen in der gesamten EU.
Achtung der Privatsphäre (Art. 22)
54.) Der Ausschuss ist besorgt über:
(a) Risiken für den Schutz der Privatsphäre durch neu entstehende Technologien, einschließlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz und automatisierter Entscheidungsfindung, Datenpraktiken im Zusammenhang mit unterstützenden Technologien, die sensible behinderungsbezogene Informationen offenlegen können, und die Einschränkung des vollständigen Zugangs zu wichtigen Funktionen von unterstützenden Geräten, wenn die Erlaubnis zur Datenerhebung nicht erteilt wird;
(b) Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen können ihre Zustimmung zur Datenverarbeitung aufgrund von Ersatzentscheidungsregelungen nicht wirksam erteilen oder verweigern.
55.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union
(a) sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen klare und barrierefrei zugängliche Informationen über ihre Datenrechte erhalten, dass die Datenerhebung auf das für den jeweiligen Zweck erforderliche Maß beschränkt wird und dass unabhängig von Entscheidungen über die Weitergabe von Daten weiterhin unterstützende Technologien zur Verfügung stehen;
(b) Änderung der Rechtsvorschriften, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen ein wirksames Recht haben, der Datenverarbeitung zuzustimmen oder zu widersprechen, und ihre Gesundheitsdaten kontrollieren können, und Bereitstellung benutzerfreundlicher, zugänglicher Schnittstellen, die es ermöglichen, die gemeinsame Nutzung von Daten abzulehnen.
Achtung der Wohnung und der Familie (Art. 23)
56.) Der Ausschuss ist besorgt, dass:
(a) Die EU-Pflegestrategie und die beiden begleitenden Verordnungen die Mitgliedstaaten nicht dazu ermutigen, Menschen mit Behinderungen selbstbestimmte Dienstleistungen in ihrem Zuhause und in der Gemeinschaft anzubieten;
(b) Während der COVID-19-Pandemie waren Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen häufig von ihren Familien getrennt;
(c) Keine der im Rahmen des Europäischen Semester Prozesses aufgeworfenen Fragen in Bezug auf das Zuhause und die Familie von Menschen mit Behinderungen wurde in den länderspezifischen Empfehlungen aufgegriffen.
57.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union:
(a) Leitlinien erstellt und die Mitgliedstaaten zu ermutigen, Menschen mit Behinderungen selbstbestimmte Dienstleistungen in ihrem Zuhause und in ihrer Gemeinschaft anzubieten, und die Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen eng zu konsultieren und aktiv in die Umsetzung einzubeziehen;
(b) die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, die Trennung von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen von ihren Familien in Notfällen zu verhindern;
(c) die Unterstützung für Menschen mit Behinderungen im nächsten Zyklus des Europäischen Semesters zu verstärkt.
Bildung (Art. 24)
58.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass:
(a) Viele Mitgliedstaaten die Bildung von Kindern mit Behinderungen trennt; Kinder mit Behinderungen haben Schwierigkeiten beim Zugang zu regulären Schulen, weil es an qualifiziertem Lehrpersonal und pädagogischem Hilfspersonal, angemessenen Vorkehrungen, barrierefrei zugänglichen Schulgebäuden, standardisierten Lehrplänen, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Schüler*innen mit Behinderungen nicht gerecht werden, und Vorurteilen ihnen gegenüber mangelt;
(b) Die EU-Verordnung über künstliche Intelligenz den Einsatz von KI für die Entscheidungsfindung im Bildungsbereich erlaubt, trotz des Risikos zu diskriminieren;
(c) Das Programm Erasmus+ behinderungsbedingte Ausgaben nicht vollständig abdeckt.
59.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren Abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Rn. 61) und seine Allgemeine Bemerkung Nr. 4 (2016) und empfiehlt der Europäischen Union:
(a) die Mitgliedstaaten zu ermutigen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, hochwertige inklusive Bildung über den gesamten Bildungszyklus hinweg anzubieten, und sie in ihren jeweiligen Bemühungen zu unterstützen;
(b) sicherzustellen, dass der Einsatz von KI für die Entscheidungsfindung im Bildungswesen Menschen mit Behinderungen nicht diskriminiert, wie in den 2022 veröffentlichten ethischen Leitlinien der Europäischen Kommission zur Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) und Daten im Unterricht und beim Lernen für pädagogisches Personal erwähnt;
(c) Sicherzustellen, dass die Umsetzung des Aktionsplans für digitale Bildung die Barrierefreiheit für Studierende mit Behinderungen gewährleistet;
(d) Sicherzustellen, dass das Programm Erasmus+ alle behinderungsbedingten Ausgaben abdeckt.
Gesundheit (Art. 25)
- Der Ausschuss ist besorgt über:
(a) Das Fehlen eines ausdrücklichen rechtlichen Schutzes gegen Diskriminierung aufgrund von Behinderung im Gesundheitswesen und die Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen mit systemischen Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung konfrontiert sind, weil Gesundheitsdienstleister gesundheitliche Probleme ignorieren oder automatisch einer Behinderung zuschreiben, keine angemessenen Vorkehrungen getroffen werden, keine barrierefreien Materialien und Verfahren zur Verfügung stehen und das Personal des Gesundheitswesens unzureichend geschult ist.
(b) Lücken beim Zugang zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, einschließlich des Mangels an barrierefreien Informationen durch die nationalen Kontaktstellen, der fehlenden Erstattung von behinderungsbedingten Kosten und der Anforderungen von Personen mit eingeschränkter Mobilität in der Richtlinie 2011/24/EU.61.
61.) Der Ausschuss verweist auf seine frühere Abschließende Bemerkung und Empfehlung (Ziff. 63) und empfiehlt, dass die Europäische Union:
(a) umfassende Standards für die Barrierefreiheit in allen Gesundheitssystemen festlegt und die Mitgliedstaaten zu verpflichten, leicht verständliches medizinisches Material, barrierefreie Verwaltungsprozesse und Kommunikationsschulungen für Angehörige der Gesundheitsberufe zu entwickeln, um Menschen mit Lernschwierigkeiten zu unterstützen;
(b) die Finanzierung des EU4Health-Programms zur Beseitigung gesundheitlicher Ungleichheiten für Menschen mit Behinderungen wiederherstellt;
(c) die Richtlinie über die Patientenmobilität zu überarbeiten, um den gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung für Menschen mit Behinderungen in grenzüberschreitenden Situationen zu gewährleisten;
(d) die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Leitlinien zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung zu unterstützen.
Vermittlung von Fähigkeiten und Rehabilitation (Art. 26)
62.) Der Ausschuss ist besorgt, dass:
(a) es in der EU fehlt an speziellen Strategien für die Bereitstellung von Habilitations- und Rehabilitationsdiensten fehlt, deren Einbeziehung in die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und an Finanzierungsmechanismen;
(b) Die Verfügbarkeit, Leistbarkeit und Qualität von Habilitationsdiensten für Menschen mit Behinderungen sehr ungleich bleibt;
(c) Haushaltsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten verschärfen den Mangel an Rehabilitationsdiensten verschärfen und die finanzielle Belastung für Menschen mit Behinderungen erhöhen, sowie der Zugang zu Habilitationsprogrammen ist nicht ausreichend auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.
63.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union:
(a) die Haushaltsmittel für Habilitations- und Rehabilitationsdienste aufzustocken, Leitlinien für evidenz- und rechtsbasierte Interventionen zu entwickeln und Rehabilitationsdienste in die Richtlinie zur Patientenmobilität aufzunehmen;
(b) die Mitgliedstaaten finanziell zu unterstützen und bewährte Verfahren auszutauschen, um den Zugang zu Habilitation und Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen zu verbessern, und einen Aktionsplan für leistbare und barrierefreie Rehabilitation über die gesamte Lebensspanne im Einklang mit der WHO-Agenda Rehabilitation 2030 zu verabschieden;
(c) eine obligatorische Ausbildung zu spezifischen und evidenzbasierten Habilitationsstrategien für Menschen mit Autismus zu fördern und Qualitätsbewertungssysteme für Habilitationsdienste zu verabschieden, die sich auf Inklusion, Partizipation und die Lebensqualität der Nutzer konzentrieren.
Arbeit und Beschäftigung (Art. 27)
64.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass:
(a) Praktiken der getrennten Beschäftigung (siehe Allgemeine Bemerkung Nr. 8 [2022], Abs. 14) in allen Mitgliedstaaten bestehen und die Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen zur Förderung der getrennten Beschäftigung einsetzen.
(b) In den Mitgliedstaaten gibt es nach wie vor Ungleichheiten bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, die auf das Fehlen angemessener Vorkehrungen, die Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen, Vorurteile und die Unvereinbarkeit von Behindertenleistungen mit bezahlter Arbeit zurückzuführen sind;
(c) Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte ist die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Bereich Arbeit und Beschäftigung immer noch weit verbreitet, einschließlich niedrigerer Löhne, Teilzeit- oder Niedriglohnjobs, geringerer Beteiligung an Vollzeitbeschäftigung, wovon insbesondere Frauen mit Behinderungen, Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen und Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf betroffen sind.
65.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union:
(a) Rechtsvorschriften aufzuheben, die eine öffentliche Finanzierung segregierter Beschäftigungsformen für Menschen mit Behinderungen zu unterstützen, wie etwa von Heimen und anderen segregierten Einrichtungen, zulassen, die Richtlinien 2014/23/EU und 2014/24/EU zu ändern, um die Möglichkeit der Vergabe öffentlicher Aufträge an solche Einrichtungen zu streichen, Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe f der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 651/2014) aufzuheben und staatliche Beihilfen für segregierte Beschäftigung zu verbieten;
(b) die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um die Umsetzung des Beschäftigungspakets für Menschen mit Behinderungen unterstützen, das auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen auf dem offenen Arbeitsmarkt abzielt, den Zugang zu Arbeit und Beschäftigung verbessert, segregierte Werkstätten schließt, das Bewusstsein für das Recht auf Arbeit und Beschäftigung aller Menschen mit Behinderungen schärft, gleiche Entlohnung und gleiche Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderungen sowie angemessene Vorkehrungen gewährleistet, Übergangsmaßnahmen vorsieht und disaggregierte Daten über Menschen mit Behinderungen in segregierten Beschäftigungsverhältnissen erhebt
(c) die Bemühungen zur Bekämpfung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen im Bereich der Beschäftigung, einschließlich Frauen und Menschen mit Lernschwierigkeiten und/oder psychosozialen Behinderungen, fortzusetzen und zu verstärken, unter anderem durch die Durchsetzung der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung in allen Mitgliedstaaten und die Stärkung der Gleichbehandlungsstellen, wie in der Richtlinie 2024/1499 vorgesehen, sowie durch die Gewährleistung des gleichen Zugangs zu Mindestlöhnen wie andere.
Angemessener Lebensstandard und sozialer Schutz (Art. 28)
66.) Der Ausschuss nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis:
(a) Das hohe Maß an Armut und sozialer Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Frauen mit Behinderungen, Menschen mit Autismus und Menschen mit Behinderungen, die einen hohen Unterstützungsbedarf haben;
(b) die im Vergleich zur Gesamtbevölkerung höheren Wohnkosten für Menschen mit Behinderungen und die hohen Kosten für Anpassungen an die Barrierefreiheit.
67.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, in enger Konsultation und unter aktiver Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre vertretenden Organisationen:
(a) Mittelzuweisungen im EU-Sozialfonds vorzusehen, um die Mittel für die soziale Eingliederung und die Bekämpfung der Armut von Menschen mit Behinderungen aufzustocken, und sicherzustellen, dass die Investitionen des Sozialfonds strukturelle Ungleichheiten und die intersektionelle Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen, Menschen mit Autismus und Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf berücksichtigen;
(b) während der zweiten Laufzeit der Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen den Mitgliedstaaten Leitlinien für konkrete Maßnahmen zur Verbesserung ihrer rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für den Sozialschutz, einschließlich der Deckung behinderungsbedingter Ausgaben von Menschen mit Behinderungen, an die Hand zu geben und sicherzustellen, dass die Systeme für Sozialschutz und soziale Eingliederung auf Rechten basieren und geschlechtsspezifisch ausgerichtet sind;
(c) die Finanzierung von barrierefrei zugänglichem und erschwinglichem Wohnraum für Menschen mit Behinderungen durch den EU-Fonds für regionale Entwicklung im Rahmen der Überarbeitung der EU-Finanzierungsvorschriften für den Zeitraum 2028-2034 zu priorisieren und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Verfügbarkeit von leistbarem und barrierefrei zugänglichem Wohnraum für Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Europäischen Plans für leistbaren Wohnraum anzunehmen.
Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29)
68.) Der Ausschuss ist besorgt über:
(a) Hindernisse für die uneingeschränkte Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am öffentlichen und politischen Leben, einschließlich der Verweigerung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Europawahlen, nicht barrierefreie Wahlverfahren und das Fehlen barrierefrei zugänglicher Informationen;
(b) Hindernisse für den Zugang zum Europäischen Parlament, zur Europäischen Kommission und zu anderen EU-Gebäuden, einschließlich der europäischen Delegationen innerhalb und außerhalb Europas.
69.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union:
(a) das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum EU-Parlament für alle Bürger*innen mit Behinderungen unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit zu gewährleistet und angemessene Vorkehrungen sowie barrierefrei zugängliche Wahlmethoden und Informationen bereitstellt, einschließlich Leichter-Lesen-Formate und barrierefreie Wahlmethoden für blinde, gehörlose und schwerhörige Personen;
(b) alle Gebäude und Einrichtungen der EU innerhalb und außerhalb Europas barrierefrei zugänglich zu machen.
Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (Art. 30)
70.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass:
(a) Die Durchführungsrichtlinie des Vertrags von Marrakesch es den Mitgliedstaaten erlaubt, von gemeinnützigen Organisationen, die barrierefreie Formate schaffen, eine Entschädigung zu verlangen;
(b) Kulturelle Aufführungsorte, Stätten von historischer Bedeutung, Tourismus-, Erholungs-, Freizeit- und Sporteinrichtungen sind häufig barrierefrei zugänglich sind;
(c) Viele Menschen mit Behinderungen in Heimen am Rande der Städte leben oder in ländlichen Gebieten, wodurch ihre Möglichkeiten zur Teilnahme am kulturellen Leben, an Freizeitaktivitäten und am Sport einschränkt sind;
(d) Die kulturelle und sprachliche Identität von gehörlosen Personen nicht ausreichend gewürdigt wird.
71.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union
(a) Artikel 3 Absatz 6 in der EU-Richtlinie zur Umsetzung des Vertrags von Marrakesch zu streichen;
(b) die Barrierefreiheit zu einer obligatorischen Bedingung für die EU-Finanzierung von Kultur, Freizeit und Sport zu machen;
(c) Unterstützung von Deinstitutionalisierungsprozessen, um eine bessere Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am kulturellen Leben, an Erholung, Freizeit und Sport zu gewährleisten;
(d) Einbeziehung und Förderung der Gehörlosenkultur als Teil der kulturellen und sprachlichen Landschaft in der EU.
Spezifische Verpflichtungen (Art. 31–33)
Statistik und Datensammlung (Art. 31)
72.) Der Ausschuss begrüßt die Einrichtung der Behindertendatenbank durch Eurostat, stellt jedoch mit Besorgnis fest:
a) dass nach Art der Behinderung aufgeschlüsselten Daten fehlen, wodurch die Ermittlung von Unterstützungsmaßnahmen und eine vergleichende Datenanalyse verhindert werden;
b) von Menschen mit Behinderungen, die in Einrichtungen leben nicht bei der Datenerhebung berücksichtigt werden;
(c) es an Daten mangelt, die nach LGBTQI+-Identität, Geschlecht, Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Lebensstandard und Alter aufgeschlüsselt sind.
73.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) die Verwendung des Kurzkatalogs der Washington Group auszuweiten und seine Daten nach Art der Behinderung in Schlüsselbereichen des Lebens aufzuschlüsseln und Barrieren und mögliche Unterstützungsmaßnahmen einzubeziehen;
b) Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen in ihre Datenerhebung einzubeziehen, wie dies in Pilotstudien vorgesehen ist, die 2027 beginnen sollen;
c) die Aufschlüsselung der Datenerhebung über Menschen mit Behinderungen nach LGBTIQ+-Identität, Geschlecht, Ethnie, Lebensstandard und Alter.
Internationale Zusammenarbeit (Art. 32)
74.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest:
a) dass es keinen umfassenden Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen im auswärtigen Handeln der EU gibt, was zu Inkohärenz in den mit EU-Mitteln eingerichteten externen Politikbereichen und Programmen für Menschen mit Behinderungen und zu einer uneinheitlichen Umsetzung der bestehenden externen Politikbereiche in Bezug auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen führt;
b) dass trotz erheblicher Fortschritte der Schwerpunkt auf der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Projekten der öffentlichen Entwicklungshilfe der Europäischen Kommission nach wie vor begrenzt ist;
c) dass es keinen gesetzlich verankerten Rahmen für eine enge Konsultation und aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen durch ihre Vertretungsorganisationen am auswärtigen Handeln der EU gibt, sowie über das Fehlen einer solchen Konsultation und Beteiligung an Konsultationen auf Länderebene;
c) dass die Verfahren für die Beantragung von Finanzmitteln für Organisationen von Menschen mit Behinderungen im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU komplex sind;
d) dass die Organe der Europäischen Union trotz der Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau nach wie vor über begrenzte institutionelle Kapazitäten verfügen, um Programme für die internationale Zusammenarbeit zu konzipieren und durchzuführen, die Menschen mit Behinderungen einbeziehen.
75.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Ziffer 75) und empfiehlt der Europäischen Union,
a) einen umfassenden Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen zu entwickeln und umzusetzen und die Koordinierung der bestehenden Politikbereiche im Rahmen des auswärtigen Handelns der EU zu verbessern, um das Übereinkommen in allen internationalen Hilfsprogrammen und im Rahmen der Verhandlungen der Konferenz der Vereinten Nationen über Entwicklungsfinanzierung umzusetzen;
b) die öffentlichen Entwicklungshilfeprogramme für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen im Einklang mit dem OECD-DAC-Marker für Menschen mit Behinderungen weiter aufstocken und sicherstellen, dass der nächste mehrjährige Finanzrahmen für das auswärtige Handeln der EU der UN-BRK vereinbar ist, die Inklusion von Menschen mit Behinderungen fördert und einen intersektionalen Ansatz verfolgt;
c) einen gesetzlich verankerten Mechanismus für eine enge Konsultation und aktive Beteiligung von Menschen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen am auswärtigen Handeln der EU einzurichten und sicherzustellen, dass diese Konsultation und Beteiligung insbesondere bei Konsultationen auf Länderebene, einschließlich Konsultationen über den Klimawandel, den ökologischen Wandel und einzelne Projekte, an der Gestaltung und Umsetzung internationaler Kooperationsabkommen und -programme und insbesondere bei der Umsetzung und Überwachung der Agenda 2030 zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung abdeckt;
d) Sicherstellung, dass alle Finanzmittel, Politiken und Programme der Europäischen Union im Zusammenhang mit der internationalen Zusammenarbeit und der nachhaltigen Entwicklung, einschließlich aller Initiativen von Team Europa und Global Gateway, den Grundsätzen der Barrierefreiheit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen entsprechen;
e) Fortsetzung und Stärkung der systematischen Schulung von EU-Bediensteten und Partnern, die EU-finanzierte Programme durchführen, und Entwicklung praktischer Leitlinien zum Thema Behinderung
Innerstaatliche Durchführung und Überwachung (Art. 33)
76.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass einige Organe der Europäischen Union, einschließlich des Rates der Europäischen Union, noch keine Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen und Koordinierungsmechanismen für die Umsetzung des Übereinkommens benannt haben.
77.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Ziffer 77) und empfiehlt, dass die Europäische Union in allen ihren Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen, auch im Rat der Europäischen Union, Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen benennt, die Koordinierung innerhalb des Rates bei der Umsetzung des Übereinkommens verbessert, einen interinstitutionellen Koordinierungsmechanismus einrichtet und die öffentliche Verfügbarkeit von Informationen über Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen sicherstellt.
78.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest:
a) dass der unabhängige Überwachungsrahmen nicht mit den Pariser Prinzipien vereinbar ist, da es unter anderem an einer spezifischen Rechtsgrundlage, einem spezifischen und weit gefassten Mandat und zweckgebundenen Mitteln mangelt, und dass Organisationen von Menschen mit Behinderungen keinen rechtzeitigen Zugang zu Informationen haben, um sich wirksam an der Arbeit des Überwachungsmechanismus beteiligen zu können;
(b) Das Fehlen von Mechanismen zur Durchsetzung der Empfehlungen des/der Europäischen Bürgerbeauftragten zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen.
79.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) eine Rechtsgrundlage für einen unabhängigen Überwachungsmechanismus zu schaffen, der mit den Pariser Grundsätzen im Einklang steht, das Europäische Parlament auf eine beratende Rolle zu beschränken, den Mechanismus mit einem umfassenden Mandat auszustatten, das die Überprüfung aller bestehenden und vorgeschlagenen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen umfasst und alle Rechte aus dem Übereinkommen abdeckt, Verfahren einzuführen, nach denen andere EU-Einrichtungen die Ergebnisse des Verfahrens zur Kenntnis nehmen, zweckgebundene Finanzmittel bereitstellen und den rechtlichen Status von Organisationen von Menschen mit Behinderungen im Überwachungsmechanismus, ihren Zugang zu Informationen und ihre Beteiligungsformen klären können;
b) Einrichtung eines Mechanismus für die Umsetzung der Empfehlungen des Europäischen Bürgerbeauftragten.
D. Einhaltung des Übereinkommens durch die Organe der Europäischen Union (als öffentliche Verwaltungen)
Allgemeine Verpflichtungen (Art. 1-4)
80.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen in der Europäischen Union und ihre Angehörigen mit Behinderungen aufgrund von Neubewertungsanforderungen nach festgelegten Zeiträumen und der Einstufung von Behinderungen durch den Arbeitgeber mit Verzögerungen bei der Anerkennung des Behindertenstatus durch die Mitgliedstaaten konfrontiert sind.
81.) Der Ausschuss empfiehlt den Organen der Europäischen Union, die Definition von Behinderung mit dem Übereinkommen in Einklang zu bringen, die Harmonisierung der Verfahren für die Beurteilung von Behinderungen durch die Mitgliedstaaten zu unterstützen, um die Diskriminierung von Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen im Arbeitsumfeld zu ermitteln und zu beseitigen, vergebliche Neubewertungen von Behinderungen zu verhindern, die Vertraulichkeit von Informationen zu gewährleisten und das Recht zu gewährleisten, Entscheidungen über die Zuerkennung des Behindertenstatus anzufechten.
82.) Der Ausschuss stellt mit Besorgnis fest, dass es den EU-Organen an einer umfassenden Strategie für die Umsetzung des Übereinkommens für Bedienstete mit Behinderungen, Besucher*innen und Teilnehmer*innen mit Behinderungen an den Tätigkeiten der EU-Organe mangelt und dass nicht alle Organe über zufriedenstellende Konsultationsmechanismen für Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen verfügen
83.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union,
a) eine umfassende, institutionenübergreifende Strategie für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen anzunehmen, einschließlich Ziele für die Weiterentwicklung des Statuts und der Politik zur Umsetzung der Rechte von Arbeitnehmern mit Behinderungen sowie von Besucher*innen und Teilnehmer*innen mit Behinderungen an EU-Tätigkeiten;
b) sicherzustellen, dass alle EU-Stellen über Mechanismen und Standards verfügen, um Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen über ihre Vertretungsorganisationen eng zu konsultieren und aktiv in alle legislativen und politischen Prozesse in Bezug auf das Personal einzubeziehen.
Gleichheit und Nichtdiskriminierung (Art. 5)
84.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass in einigen EU-Organen angemessene Vorkehrungen verweigert werden, je nachdem, wie der zuständige Vorgesetzte das Übereinkommen versteht.
85.) Der Ausschuss verweist auf seine früheren abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen (Ziffer 79) und empfiehlt der Europäischen Union, einen Rechts- und Politikrahmen zu schaffen, der für alle EU-Organe in Bezug auf die Pflicht zur Bereitstellung angemessener Vorkehrungen unabhängig von der Art der Dienstleistung oder dem Einsatzort gilt.
Bewusstseinsbildung (Art. 8)
86.) Der Ausschuss ist besorgt über das mangelnde Bewusstsein für Behinderungen und die mangelnde Schulungspflicht für alle EU-Bediensteten.
87.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, in allen EU-Organen Sensibilisierungsprogramme für die Konvention und das Menschenrechtsmodell von Menschen mit Behinderungen einzurichten und Schulungen anzubieten, an denen Menschen mit Behinderungen als Ausbilder*innen mit praktischer Erfahrung beteiligt sind.
Barrierefreiheit (Art. 9)
88.) Der Ausschuss ist besorgt über das Fehlen von Barrierefreiheitsstandards in den EU-Organen, über die Hindernisse für Mitarbeiter*innen mit Behinderungen beim Zugang zu digitalen Informationen und Instrumenten sowie über die Nichtberücksichtigung der Barrierefreiheit in einigen Vergabeverfahren oder ihre Aufnahme als rein nichtfunktionale Anforderung.
89. Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union Barrierefreiheitsnormen für alle Organe der Europäischen Union auch in Drittländern annimmt, um die Barrierefreiheit für Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen sowie für Besucher*innen und Teilnehmer*innen mit Behinderungen bei Tätigkeiten der EU-Organe zu gewährleisten, und die Barrierefreiheit systematisch als funktionale Anforderung in Vergabeverfahren, auch im IKT-Bereich, anzuwenden.
Selbstbestimmtes Leben und Inklusion in die Gemeinschaft (Art. 19)
90.) Der Ausschuss ist besorgt über den Mangel an Unterstützung und Mittelzuweisungen für Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen, die außerhalb ihres Herkunftslandes leben.
91.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, Arbeitnehmer*innen mit Behinderungen außerhalb ihres Herkunftslandes zu unterstützen und nationale Invaliditätsbescheinigungen für die Krankenversicherung und für die Unterstützung im Rahmen der EU-Sonderhaushaltslinien anzuerkennen.
Recht der freien Meinungsäußerung und Zugang zu Informationen (Art. 21)
92.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass die Richtlinie über den barrierefreien Zugang zum Internet für die Europäische Union nicht gilt und dass die digitalen Plattformen der EU-Organe daher für Menschen mit Behinderungen nach wie vor weitgehend nicht barrierefrei zugänglich sind.
93.) Der Ausschuss empfiehlt, dass die Europäische Union die von ihr von den Mitgliedstaaten geforderten Barrierefreiheitsstandards anwendet und umfassende Barrierefreiheitsmaßnahmen auf allen Plattformen umsetzt, einschließlich obligatorischer Untertitel, Dolmetschen in Gebärdensprache, Audiodeskription für alle Webstreams und audiovisuellen Inhalte unabhängig vom Thema sowie leicht lesbare Versionen wichtiger Informationen.
Bildung (Art. 24)
94.) Der Ausschuss ist besorgt über die Schwierigkeiten von Schüler*innen mit Behinderungen, Zugang zu den Europäischen Schulen der EU-Organe zu erhalten, die auf Diskriminierung, mangelnder Barrierefreiheit, die Verweigerung angemessener Vorkehrungen und das Fehlen einer Alternative zum Europäischen Abitur zurückzuführen sind.
95.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass alle Europäischen Schulen für Schüler*innen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich sind, dass sie alle erforderlichen angemessenen Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen zu vermeiden und dass alternative Abschlüsse zum Europäischen Abitur geschaffen werden.
Gesundheit (Art. 25)
96.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem (GKSS) der EU eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung darstellt, da es keine umfassende Deckung für behinderungsbedingte Gesundheitskosten bietet, auf Behinderungen das Kriterium der „schweren Krankheit“ anwendet, Erstattungen mit übermäßigen Verzögerungen bearbeitet und anscheinend personell unterbesetzt ist.
97.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, das GKSS zu überarbeiten, um eine umfassende Deckung der behinderungsbedingten Gesundheitskosten und deren rasche Erstattung zu gewährleisten, die Kriterien für „schwere Krankheiten“ aus der Bewertung der behinderungsbedingten Kosten zu streichen, ausreichend Personal bereitzustellen und die Empfehlungen der Europäischen Bürgerbeauftragten zur Personalschulung und zur Einrichtung eines umfassenden Sozialschutzsystems umzusetzen.
Arbeit und Beschäftigung (Art. 27)
98.) Der Ausschuss ist besorgt über den Mangel an Daten über die Zahl der von der Europäischen Union beschäftigten Menschen mit Behinderungen, über die fehlende Übertragbarkeit angemessener Vorkehrungen und über die Anwendung unnötig komplexer Neubewertungsverfahren.
99.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, unter strikter Einhaltung der Regeln und Grundsätze des Datenschutzes Daten über die Zahl der von ihr beschäftigten Menschen mit Behinderungen zu erheben, dafür zu sorgen, dass angemessene Vorkehrungen übertragbar sind, und unnötig komplizierte Neubewertungsverfahren abzuschaffen.
Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben (Art. 29)
100.) Der Ausschuss ist besorgt darüber, dass die Instrumente für die Teilhabe in der Europäischen Union für Menschen mit Behinderungen weitgehend nicht barrierefrei bleiben.
101.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, dafür zu sorgen, dass alle ihre Instrumente und Plattformen für die Öffentlichkeitsbeteiligung, einschließlich des Petitionsportals des Europäischen Parlaments und der Plattform der Konferenz über die Zukunft Europas, den Barrierefreiheitsstandards entsprechen.
Statistik und Datenerhebung (Art. 31)
102.) Der Ausschuss ist besorgt über den Mangel an Informationen über die Zahl der in den EU-Institutionen beschäftigten Menschen mit Behinderungen und über den Mangel an öffentlichen Informationen über Diskriminierung.
103.) Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, Daten über Behinderungen in ihren Institutionen zu sammeln und zu analysieren, um die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu ermitteln.
E. Zusammenarbeit und technische Unterstützung (Art. 37)
104.) Nach Artikel 37 des Übereinkommens kann der Ausschuss der Europäischen Union bei allen Fragen, die über das Sekretariat an die Ausschussmitglieder gerichtet werden, technische Unterstützung gewähren. Der Vertragsstaat kann auch die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen mit Büros in der Region um technische Unterstützung bitten.
IV. Folgemaßnahmen
Verbreitung von Informationen
105.) Der Ausschuss unterstreicht die Bedeutung aller in den vorliegenden abschließenden Beobachtungen enthaltenen Empfehlungen. Was die dringend zu ergreifenden Maßnahmen betrifft, so möchte der Ausschuss die Aufmerksamkeit der Europäischen Union auf die Empfehlungen in den Ziffern 27 (Barrierefreiheit), 49 (Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft) und 32 (Internationale Zusammenarbeit) lenken.
106.) Der Ausschuss fordert die Europäische Union auf, die Empfehlungen des Ausschusses in den vorliegenden abschließenden Bemerkungen umzusetzen. Der Ausschuss empfiehlt der Europäischen Union, die vorliegenden Schlussbemerkungen zur Prüfung und Umsetzung an ihre Organe, Einrichtungen, Agenturen und Mitgliedstaaten sowie an Beamte in den zuständigen Abteilungen der Europäischen Kommission, an Angehörige einschlägiger Berufsgruppen, wie z. B. Angehörige der Erziehungs-, Medizin- und Rechtsberufe, und an die Medien weiterzuleiten und dabei moderne soziale Kommunikationsstrategien zu nutzen.
107.) Der Ausschuss ermutigt den Vertragsstaat nachdrücklich, Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere Organisationen von Menschen mit Behinderungen, in die Ausarbeitung seines periodischen Berichts einzubeziehen.
108.) Der Ausschuss ersucht den Vertragsstaat, die vorliegenden Abschließenden Beobachtungen umfassend zu verbreiten, unter anderem an Nichtregierungsorganisationen und Organisationen von Menschen mit Behinderungen sowie an Menschen mit Behinderungen selbst und ihre Familienangehörigen, und zwar in Landes- und Minderheitensprachen, einschließlich der Gebärdensprache, und in barrierefrei zugänglichen Formaten, einschließlich Leichter Lesen Format und sie auf der staatlichen Website zum Thema Menschenrechte barrierefrei zugänglich zu machen.
Nächster periodischer Bericht
109.) Der kombinierte vierte und fünfte Bericht ist am 23. November 2032 im Rahmen des vereinfachten Berichtsverfahrens fällig. Der Ausschuss wird das genaue Fälligkeitsdatum für die kombinierten periodischen Berichte der Europäischen Union im Einklang mit einem künftigen klaren und geregelten Zeitplan für die Berichterstattung der Vertragsstaaten (siehe A/RES/79/165, Absatz 6) und nach der Annahme einer Liste von Themen und Fragen vor der Berichterstattung für den Vertragsstaat festlegen und mitteilen. Die kombinierten periodischen Berichte sollten den gesamten Zeitraum bis zum Zeitpunkt ihrer Vorlage abdecken.
Service-Link
Concluding observations on the combined 2nd and 3rd periodic reports of the European Union: Committee on the Rights of Persons with Disabilities
UN Committee on the Rights of Persons with Disabilities (32nd sess.: 2025 : Geneva)
Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter