Österreichischer Behindertenrat begrüßt Richtlinie zur Harmonisierung Persönlicher Assistenz. Jetzt braucht es eine rasche Ausweitung auf ganz Österreich!
Zahlreiche Menschen mit Behinderungen sind auf die Unterstützung durch Persönliche Assistent*innen angewiesen. Sie benötigen deren Dienstleistung, um selbstbestimmt ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen bzw. ihren Alltag bewältigen zu können. Doch in welchem Ausmaß Menschen mit Behinderungen Persönliche Assistenz erhalten, hängt maßgeblich von deren Wohnort ab.
Darüber hinaus fordert der Österreichische Behindertenrat eine bundesweite, bedarfsgerechte Zurverfügungstellung von Persönlicher Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen, die diese brauchen. Zudem muss der Bezieher*innenkreises auf Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychosozialen Behinderungen ausgedehnt werden. Ein wichtiger Punkt ist weiters die sozialrechtliche Absicherung Persönlicher Assistent*innen durch solide Angestelltenverhältnisse.
Der Österreichische Behindertenrat fordert alle Bundesländer auf, sich schnellstmöglich auf Basis der Richtlinien dem Pilotprojekt Persönliche Assistenz anzuschließen, damit endlich nicht mehr die Postleizahl bestimmt, welche Leistungen Menschen mit Behinderungen in Österreich erhalten.
Förderrichtlinie Pilotprojekt Persönliche Assistenz
Die am 25. März 2023 veröffentlichte Förderrichtlinie zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz in Freizeit und Beruf ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung von Artikel 19 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) und damit der Gewährleistung eines selbstbestimmten Lebens. Die wichtigsten Eckpfeiler dieser Richtlinie sind die Ausweitung des Kreises anspruchsberechtigter Personen – unabhängig von der Art der Behinderung, die Etablierung von One-Stop-Shops zur vereinfachten Abrechnung und das Vorsehen von Angestelltenverhältnissen. Dafür bezahlt der Bund den Bundesländern 50 % der Kosten und stellt in Summe 100 Mio. Euro bereit.
Das Sozialministerium möchte eine gemeinsame Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen in Freizeit und Beruf schaffen. Die entsprechende Förderrichtlinie setzte Sozialminister Johannes Rauch am 25. März 2023 in Kraft. Dafür stehen insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Start in der Pilotregion Salzburg, Tirol und Vorarlberg ist ab dem Sommer 2023 zu erwarten. „Wir verbessern für tausende Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen”, zeigt sich Sozialminister Johannes Rauch erfreut. “Ziel ist, dass sich rasch weitere Bundesländer an der Vereinheitlichung beteiligen.“
Die Zuständigkeit für die Persönliche Assistenz ist zwischen dem Bund und den Bundesländern aufgeteilt. Mehr als 2.000 Personen nehmen die Persönliche Assistenz für Freizeitgestaltung gemäß den Vorschriften der Länder in Anspruch, rund 600 eine Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz nach den Vorgaben des Bundes. Mit der Förderrichtlinie schafft das Sozialministerium die Voraussetzung, die unterschiedlichen Systeme der neun Bundesländer und des Bundes zu vereinheitlichen. Der Kreis der Anspruchsberechtigten wird erweitert, die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Persönlichen Assistent*innen sichergestellt. Jene Bundesländer, die ihr Angebot anhand der neuen Förderrichtlinie zur Verfügung stellen, erhalten vom Sozialministerium bis zu 50 Prozent der Kosten erstattet.
Start in Pilotregion Salzburg, Tirol und Vorarlberg
Das Sozialministerium setzt mit der Richtlinie für die Gewährung von Förderungen nach § 33 des Bundesbehindertengesetzes zur Harmonisierung der Persönlichen Assisten einen zentralen Punkt des Regierungsprogramms für Menschen mit Behinderungen um. Die Kriterien wurden vom Sozialministerium zusammen mit den Bundesländern Tirol, Salzburg und Vorarlberg erarbeitet. Die Behindertenverbände – allen voran Vertreter*innen des Österreichischen Behindertenrats – waren in die Erarbeitung einbezogen.
Ab sofort können die Bundesländer ihre Anträge beim Sozialministerium stellen. Im Sommer startet voraussichtlich in Salzburg, Tirol und Vorarlberg das Pilotprojekt. Zeitgleich läuft ein Evaluierungsprozess, um die Erfahrungen aus der Praxis einzuarbeiten. Ziel ist, dass auch alle anderen Bundesländer die neue Förderung in Anspruch nehmen und die Persönliche Assistenz damit bundesweit für alle Lebensbereiche vereinheitlicht wird. Gespräche laufen bereits.
„Menschen mit Behinderungen sind ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft. Für die Unterstützung in Freizeit und Beruf waren bisher meist zwei verschiedene Assistent:innen nötig, es gab unterschiedliche Voraussetzungen. Das ändern wir jetzt. Für viele Menschen mit Behinderungen wird das den Alltag wesentlich erleichtern“, freut sich Sozialminister Johannes Rauch. Er hofft auf eine rasche Ausweitung des Pilotprojekts: „Der Start in drei Bundesländern ist sinnvoll, um die neuen Richtlinien in der Praxis zu testen. Selbstverständlich haben auch alle anderen Bundesländer die Möglichkeit, sich am Projekt zu beteiligen. Wir haben das Budget für eine bundesweite Umsetzung gesichert.”
„Das Pilotprojekt Persönliche Assistenz und die 100 Millionen Euro für die Umsetzung lassen eine österreichweit einheitliche, bedarfsgerechte Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen in sämtlichen Lebensbereichen in greifbare Nähe rücken. Nun liegt es an den Ländern, auf den Zug aufzuspringen, damit in absehbarer Zeit auch Menschen außerhalb der Pilotregion einheitliche Leistungen vorfinden”, erklärt Klaus Widl, Präsident des Österreichischen Behindertenrates.
Kreis Anspruchsberechtigter erweitert
Die Kriterien der Förderrichtlinie schaffen erstmals einheitliche Rahmenbedingungen für alle Lebensbereiche. Vereinheitlicht werden die Definition der Persönlichen Assistenz, Kriterien und die Vorgehensweise für die Bedarfsfeststellung, Serviceleistungen, Leistungserbringung sowie die Evaluierung und Qualitätssicherung.
Zudem wird eine Erweiterung der anspruchsberechtigten Personen um Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen angestrebt. Bislang ist das Angebot der Länder meist auf Menschen mit körperlichen Behinderungen, die Pflegegeld beziehen, beschränkt. Mit der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Absicherung sollen die Arbeitsbedingungen für Persönliche Assistent*innen verbessert werden. Das soll dazu beitragen, mehr Menschen für diesen Beruf zu gewinnen.
Die Förderrichtlinie sieht zudem eine gemeinsame Anlaufstelle im Sinne des One-Stop-Shop-Prinzips für die Persönliche Assistenz vor. Diese soll gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen nur einen Antrag stellen und nur mit einer Stelle abrechnen müssen, egal welche Art der Persönlichen Assistenz (Arbeitsplatz oder sonstiges) sie beziehen. Assistenzwerber*innen können künftig auch die gleichen Personen als Assistent*innen in allen Lebensbereichen beschäftigen.