Vor kurzem – am 1. Oktober 2025 – war der internationale Tag der älteren Menschen. Diesen Tag nahm das European Disability Forum zum Anlassm sich dem Thema älterer Menschen mit Behinderungen zu widmen:
Wie der Mangel an langfristiger Unterstützung das Leben älterer Menschen mit Behinderungen erschwert
Die Vereinten Nationen schätzen, dass 46 % der älteren Menschen (über 60 Jahre) weltweit mit einer Behinderung leben. Das bedeutet, dass fast die Hälfte der älteren Menschen weltweit Teil der Gemeinschaft der Menschen mit Behinderungen sind.
Auch wenn sie sich möglicherweise nicht selbst als Menschen mit Behinderungen wahrnehmen, sind sie mit vielen ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, die auch Menschen mit Behinderungen erleben.
Die öffentliche Debatte über ältere Menschen, Behinderungen und langfristige Unterstützung bleibt jedoch – trotz der schnell alternden Bevölkerung Europas – begrenzt.
Welche Überschneidungen gibt es zwischen älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen?
Ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen und diejenigen, die beiden Gruppen angehören, stoßen häufig auf:
- unbefriedigende Unterstützungsangebote;
- Mangel an Wahlmöglichkeiten und Autonomie;
- Barrieren für ein selbstbestimmtes Leben und für die Einbeziehung in die Gemeinschaft;
- hohe Kosten für Unterstützungsdienste;
- unzureichende Unterstützung für informelle Pflegepersonen, die in den meisten Fällen Frauen sind (Mütter, Schwestern, Tanten, Töchter, die ihre Familienangehörigen pflegen).
Langzeitunterstützung an der Schnittstelle von Alter und Behinderung
Wenn es um Unterstützung für ältere Menschen, einschließlich älterer Menschen mit Behinderungen geht, muss der Fokus auf Autonomie und Selbstbestimmung liegen.
Die Sicherstellung des Zugangs zu personalisierter, gemeindebasierter Unterstützung, wie zum Beispiel häuslicher Pflege und persönlicher Assistenz, ist entscheidend, um Autonomie zu wahren und um Institutionalisierung zu verhindern.
Probleme in der Langzeitunterstützung für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen
Wenn man sich mit Langzeitunterstützung beschäftigt, muss man sich auch der überschneidenden Bedürfnisse älterer Menschen und Menschen mit Behinderungen bewusst sein und sicherstellen, dass die Unterstützungssysteme zu Autonomie und Inklusion führen.
Wichtige Herausforderungen umfassen folgende Punkte
Inklusion in die Gemeinschaft und das Recht auf Wahl
Alle Personen, die Unterstützung erhalten, müssen das Recht haben, ihre Dienstleistungen auf Grundlage informierter Zustimmung auszuwählen. Informationen über verfügbare Dienstleistungen sollten barrierefrei zugänglich und leicht verständlich sein, insbesondere für diejenigen, die einen Großteil ihres Lebens ohne Wahlmöglichkeiten verbracht haben. Das Risiko der Institutionalisierung steigt, wenn personalisierte Dienstleistungen begrenzt oder sehr teuer sind. Die Ausweitung der Verfügbarkeit sowie Leistbarkeit von häuslicher und gemeindebasierter Unterstützung ist sehr wichtig.
Unerfüllte Bedürfnisse und die Verfügbarkeit von Dienstleistern
Eine der größten Herausforderungen in der Langzeitunterstützung ist die hohe Häufigkeit unerfüllter Unterstützungsbedürfnisse und die begrenzte Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Dienstleistungen bzw. Dienstleistern. Dieses Problem wird zunehmend dringlicher, da die Bevölkerung Europas altert. Der Zugang zu formeller Unterstützung bleibt ein drängendes Thema. Ungefähr 1 von 3 Personen, die Unterstützung benötigen, kann sie nicht erhalten, wobei Menschen mit niedrigem Einkommen meist die größten Benachteiligungen erfahren. Voraussetzung für die Bereitstellung von personenzentrierten, gemeindebasierten Dienstleistungen, die qualitativ hochwertig verfügbar sind, sind qualifizierte Pflegekräfte. Dieser Job muss attraktiv gestaltet werden, damit die Pflegekräfte auch weiterhin in diesem Arbeitsfeld tätig bleiben.
Warum es bei Pflege und Unterstützung auch um eine Geschlechterfrage geht
Langfristige Unterstützung betrifft Frauen stärker als Männer. Unter älteren Menschen mit Unterstützungsbedarf benötigen rund 37 % der Frauen über 65 Jahre langfristige Unterstützung, im Vergleich zu 23 % der Männer. Der Grund dafür ist, dass informelle Pflegepersonen überwiegend Frauen sind. Frauen geben oft ihren Beruf auf, um ihre Verwandten und Männer zu pflegen. Diese Pflegeleistung der Frauen ist unbezahlt. Das wirkt sich auch negativ auf ihre Pensionen (Altersarmut) und ihre Unabhängigkeit im höheren Alter aus. Ältere Frauen mit Behinderungen sind auch einem erhöhten Risiko sozialer Isolation und Institutionalisierung ausgesetzt, verstärkt durch diese systemischen Ungleichheiten.
Familien durch langfristige Unterstützung zusammenhalten
Mit zunehmendem Alter finden sich viele Menschen (hauptsächlich Frauen) unerwartet in der Rolle als informelle (also unbezahlte) Pflegeperson für eine/n (Ehe-)Partner*in, Geschwister oder Elternteil wieder, der oder die eine Behinderung entwickelt hat. Oft müssen sie diese Pflegeleistung 24 Stunden erfüllen, während sie gleichzeitig ihre eigene Gesundheit und ihr Altern kümmern. Ebenso können Menschen mit Behinderungen später Pflegepersonen für alternde Eltern werden. Diese doppelte Rolle ist eine große Belastung für das eigene Leben und Wohlbefinden. Damit Familien zusammenbleiben können, sind zugängliche und leistbare gemeindebasierte Dienstleistungen erforderlich, wie zum Beispiel Unterstützung zu Hause und persönliche Assistenz.
Service-Link
von Gudrun Eigelsreiter