Der Österreichische Behindertenrat ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung der 1,4 Mio. Menschen mit Behinderungen in Österreich. In ihm sind über 85 Mitgliedsorganisationen organisiert. Auf Grund der Vielfalt der Mitgliedsorganisationen verfügt der Österreichische Behindertenrat über eine einzigartige Expertise zu allen Fragen, welche Menschen mit Behinderungen betreffen.
Der Österreichische Behindertenrat dankt für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Schon lange wird vom Österreichischen Behindertenrat kritisiert, dass Menschen mit Behinderungen, die Sozialhilfe beziehen möchten, verpflichtet sind, Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern geltend zu machen. Viele von ihnen erlangen nämlich niemals die Selbsterhaltungsfähigkeit nach § 231 ABGB, womit die Eltern ein Leben lang für sie unterhaltspflichtig bleiben.
Der bisherige Zwang seitens der Behörden, im Zuge der Beantragung der Sozialhilfe die Eltern auf Unterhalt zu klagen, hat in der Vergangenheit Menschen mit Behinderungen, insbesondere Menschen mit psycho-sozialen Behinderungen, vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt.
Einerseits ist für ein selbstbestimmtes Leben eine finanzielle Absicherung nötig. Andererseits geht das Klagen der Eltern (meist) mit familiären und emotionalen Konflikten einher, die Menschen mit Behinderungen in eine entwürdigende Situation bringen können. Aus dieser Gemengelage heraus sehen Menschen mit Behinderungen häufig davon ab im Zuge der Beantragung der Sozialhilfe die Eltern auf Unterhalt zu klagen und verzichten damit auf ihre finanzielle Absicherung für ein selbstbestimmtes Leben.
Dementsprechend wird ausdrücklich begrüßt, dass mit der vorliegenden Novelle festgeschrieben werden soll, dass Menschen mit Behinderungen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, für das Beziehen der Sozialhilfe die gesetzlichen Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern nicht mehr (mittels Klage) geltend machen müssen.
Um eine treffsichere Lösung zu erarbeiten, ist jedoch der nachstehende Änderungsvorschlag zu berücksichtigen.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 8 Abs 4 NÖ SAG
Hier ist geplant festzuschreiben, dass die Verfolgung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen durch Personen, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, die arbeitsunfähig sind und über einen Behindertenpass verfügen, als unzumutbar gilt.
Die Ausnahme dieser Personengruppe von der Rechtsverfolgungspflicht wird ausdrücklich begrüßt.
Jedoch ist zu bedenken, dass nicht alle Menschen mit Behinderungen (die älter als 25 Jahre sind) einen Behindertenpass besitzen, weil sie sich z.B. aufgrund der damit einhergehenden Stigmatisierung bewusst gegen die Beantragung entscheiden.
Auch steht der Besitz eines Behindertenpasses in keinem Zusammenhang mit der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit nach dem AGBG, die erst zu einer unbefristeten Unterhaltsverpflichtung der Eltern führt.
Dementsprechend fordert der Österreichische Behindertenrat, dass im Gesetzestext lediglich auf die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die Ausnahme von der Rechtsverfolgungspflicht abgestellt wird und der Passus zum Behindertenpass aus dem Begutachtungsentwurf gestrichen wird.
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Mag. Bernhard Bruckner
Service-Link
Stellungnahme zur Änderung des NÖ Sozialhilfe-Ausführungsgesetzes (PDF)