Stellungnahme des Österreichischen Behindertenrats zum Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktservicegesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 2021 geändert werden
Der Österreichische Behindertenrat ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung der 1,4 Mio. Menschen mit Behinderungen in Österreich. In ihm sind über 85 Mitgliedsorganisationen organisiert. Auf Grund der Vielfalt der Mitgliedsorganisationen verfügt der Österreichische Behindertenrat über eine einzigartige Expertise zu allen Fragen, welche Menschen mit Behinderungen betreffen.
Der Österreichische Behindertenrat dankt für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Grundsätzlich wird begrüßt, dass das neue Modell der Weiterbildungszeit insbesondere weniger qualifizierten Personen zugutekommen soll, um durch die Weiterbildung bessere Chancen am Arbeitsmarkt zu erlangen und eine nachhaltigere Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten.
Menschen mit Behinderungen sind nämlich in dieser Gruppe überproportional häufig vertreten, die Neugestaltung bietet deswegen eine große Chance für sie.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 39e AMSG iVm § 1 Abs 6 AMPFG
Nunmehr soll die Geldleistung während der Weiterbildungszeit vom AMS in Form einer Weiterbildungsbeihilfe geleistet werden. Da die Geldleistung als Beihilfe konzipiert ist, besteht kein Rechtsanspruch darauf. Darüber hinaus sind die Mittel für diese Beihilfe jährlich mit € 150 Mio. gedeckelt.
Das AMS muss seine Entscheidung über die Gewährung bzw. Nichtgewährung der Weiterbildungsbeihilfe also nicht begründen. Auch kann gegen eine Ablehnung kein Rechtsmittel seitens der antragstellenden Person ergriffen werden. Aufgrund der Deckelung der Mittel ist sogar das Fehlen von finanziellen Mitteln ein möglicher Grund für die Ablehnung des Antrags seitens des AMS.
Damit werden Personen, die um eine Weiterbildungsbeihilfe ansuchen, in die Rolle eines*einer Bittsteller*in versetzt und es kann dazu kommen, dass für arbeitsmarkpolitisch sinnvolle Weiterbildungen keine Beihilfe gewährt wird.
Dementsprechend fordert der Österreichische Behindertenrat, dass den antragstellenden Personen ein Rechtsanspruch auf die Geldleistung vom AMS während der Weiterbildungszeit eingeräumt wird, soweit die Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist und die Arbeitsmarktchancen der Person dadurch erhöht werden.
Zu 37e Abs 3 und 4 AMSG
Hier ist festgeschrieben, dass das Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme mindestens 20 Wochenstunden umfassen muss bzw. man bei einem Studium pro Semester mindestens 20 ECTS-Punkte als Leistungsnachweis erbringen muss.
Dieses Ausmaß ist für manche Menschen mit Behinderungen zu hoch. Um ihnen trotzdem eine Höherqualifizierung im Rahmen einer Weiterbildungszeit zu ermöglichen, ist es notwendig das Wochenstundenausmaß bzw. die notwendigen ECTS-Punkte auf das für Personen mit Betreuungspflichten für Kinder unter sieben Jahren vorgesehene Ausmaß zu senken.
Dementsprechend fordert der Österreichische Behindertenrat, dass in § 37e Abs 3 und 4 die Mindest-Wochenstunden bzw. Mindest-ECTS-Punkte für Menschen mit Behinderungen auf 16 Stunden bzw. ECTS-Punkte herabgesetzt werden.
Zu 37e Abs 7 AMSG
Grundsätzlich wird eine (verpflichtende) Bildungsberatung vor der Weiterbildungsmaßnahme als positiv gesehen. Damit Menschen mit Behinderungen jedoch tatsächlich davon profitieren, muss diese barrierefrei ausgestaltet sein.
Dementsprechend fordert der Österreichische Behindertenrat, dass entweder im AMSG oder den Erläuterungen festgeschrieben wird, dass die Angebote für die Bildungsberatung barrierefrei sein müssen.
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Mag. Bernhard Bruckner