Kundgebung vor dem Parlament: Lebensrealitäten und Rechte taubblinder und hörsehbeeinträchtigter Menschen oft übersehen
Am 26. September 2025 lädt die ÖHTB-Beratungsstelle für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen um 15.00 Uhr zur öffentlichen Kundgebung vor dem Österreichischen Parlament ein.
Die Initiator*innen möchten auf dringende politische Versäumnisse aufmerksam machen und durch entsprechende gesetzliche Verbesserung taubblinde und hörsehbehinderte Menschen aus der Isolation holen. Zu den wichtigsten Anliegen zählt die österreichweit einheitliche Anerkennung und Finanzierung der Taubblindenassistenz (TBA).
Die Kundgebung ´mit Beginn um 15.00 Uhr findet nicht zufällig am Tag der Sprachen statt, erschwert die Kombination aus Hör- und Sehverlust bzw. -beeinträchtigung die Kommunikationsfähigkeit in besonderem Maße. Das „Lormen“ (Tastalphabet), die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS), taktile Gebärden sowie haptische Zeichen und Berührungen sind mögliche Formen der Verständigung, doch wie viele Nicht-Betroffene beherrschen diese? Damit gehen weitere enorme Einschränkungen in den Bereichen Orientierung & Mobilität, Erhalt & Weitergabe von Informationen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Hand in Hand.
Taubblindheit – also die gleichzeitige massive Einschränkung des Hör- und Sehvermögens – ist nicht als Addition zweier Sinnesbeeinträchtigungen, sondern eigene, spezielle Form der Behinderung zu verstehen. Die Einschränkung des einen Sinnes kann nicht mehr durch den anderen kompensiert werden. Dadurch sind betroffene Menschen auf spezialisierte Assistenz angewiesen.
Taubblindheit bzw. Hörsehbeeinträchtigung tritt in unterschiedlichen Formen auf
Manche Menschen sind von Geburt an taubblind, andere verlieren ihr Hör- und Sehvermögen im Laufe des Lebens – sei es durch Krankheit, Unfall oder im Alter. Aus diesem Grund ist Taubblindheit nicht als seltene Erkrankung zu betrachten.
Geburtstaubblindheit ist tatsächlich wenig verbreitet, doch in einer immer älter werdenden Gesellschaft nimmt die altersbedingte Taubblindheit zu. Auch diese größte Gruppe taubblinder und hörsehbeeinträchtigter Menschen wird in Zukunft vermehrt Taubblindenassistent*innen benötigen.
Unabhängig von der Ursache gilt: Die Auswirkungen auf das tägliche Leben sind gravierend.
„Für viele Betroffene ist Taubblindenassistenz die einzige Brücke zur Welt. Sie ermöglicht Kommunikation, Mobilität, Information und Teilhabe – ein Menschenrecht, das bisher nicht ausreichend garantiert wird“, betont Barbara Latzelsberger, Leiterin der ÖHTB-Beratungsstelle.
Fehlende Anerkennung – fehlende Finanzierung
Derzeit fehlt es in Österreich an einer bundesweit einheitlichen Anerkennung von Taubblindenassistenz als Berufsbild (samt professionalisierter Qualifizierung) wie auch an der gesetzlich klar geregelten Finanzierung. Abhängig von Wohnort, Pflegestufe und von der Unterstützung durch Familie und Fachkräfte müssen Betroffene deshalb immer noch individuelle Lösungen finden, wenn sie Assistenz im Privatbereich oder am Arbeitsplatz brauchen.
Unter diesen Voraussetzungen ist ein gesicherter Zugang zu spezialisierter Taubblindenassistenz nicht gegeben. Bestehende Regelungen und Unterstützungsangebote sind unzureichend, lückenhaft, regional unterschiedlich und müssen mühsam individuell erkämpft werden.
Kundgebung als Zeichen für Inklusion statt Isolation Betroffener
Mit der Veranstaltung soll ein starkes öffentliches Zeichen gesetzt werden – für mehr Sichtbarkeit, für gerechte gesetzliche Rahmenbedingungen und für die unverzichtbare Rolle der Taubblindenassistenz im Leben betroffener Menschen.
Die ÖHTB-Beratungsstelle möchte im Rahmen der Kundgebung daran erinnern, dass seit Jahren im Nationalen Aktionsplan die Umsetzung eines bundesweit einheitlichen und bedarfsgerechten Angebots von Persönlicher Assistenz unabhängig von der Art der Behinderung und des Wohnorts vorgesehen ist.
Taubblinde und hörsehbeeinträchtigte Menschen brauchen
- eine einheitliche Regelung der Persönlichen Assistenz samt Aufnahme der Taubblindenassistenz (TBA)
- weniger bürokratische Hürden, die insbesondere ohne TBA nicht überwunden werden können
- rasche finanzielle Unterstützung für TBA
- geschulte Taubblindenassistent*innen
- einen Pool an Taubblindenassistent*innen (im Alltag, beim Arzt, für Reisen)
Pilotprojekt: 17 Taubblindenassistent*innen schließen Qualifizierung ab
Aufgrund zu weniger umfassend ausgebildeter Fachkräfte und eines fehlenden Qualifizierungsangebots (wie z.B. in Deutschland bereits vorhanden) startete die ÖHTB-Beratungsstelle – unterstützt durch den Jubiläumsfonds von LICHT INS DUNKEL – 2023 das Projekt „Brücken bauen“.
Neben dem Konzept zur Etablierung von Taubblindenassistenz in Österreich und einer Bedarfserhebung lag der Schwerpunkt auf der Ausbildung neuer Taubblindenassistent*innen. Wichtig ist, dass diese vor Beginn ihrer Tätigkeit eine Qualifizierung absolvieren, um den speziellen Bedarfen wie den unterschiedlichen Formen der Kommunikation gerecht zu werden.
Im Herbst 2025 stehen nach erfolgreichem Abschluss 17 Taubblindenassistent*innen zur Verfügung. Mit entsprechender Anerkennung und Finanzierung von Taubblindenassistenz könnte ein wichtiger Schritt für ein verbessertes Unterstützungsangebot erfolgen.