Der 5. Bildungskongress der Gehörlosenverbände aus Österreich, Deutschland und der Schweiz fand am 12. und 13. September 2025 in Wien statt. Die Veranstaltung mit dem Titel „Gebärden.Sprache.Bildung – Gebärdensprache stärken, Bildung verbessern“ widmete sich der Gebärdensprache im Bildungssystem und in der Gesellschaft. 300 Personen nahmen an dem DACH-Bildungskongress teil, auf dem Programm standen 40 Vorträge und Diskussionen.
Wissenschaftler*innen, Lehrer*innen, Community-Mitglieder und Expert*innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz hielten Vorträge und tauschten sich bei Diskussionen und in Workshops aus. Die Themen reichten von rechtlichen Regeln der Gebärdensprache über deren Rolle in Schulen bis zur Verbesserung von Lehrer*innen-Ausbildung, Lehrmaterialien und Unterrichtsmethoden. Am Kongress der deutschsprachigen Länder nahm auch Joseph J. Murray, Präsident des Weltverbandes der Gehörlosen (WFD), teil.

Helene Jarmer, Präsidentin des ÖGLB, erklärte: „In Lautsprache können Inhalte gehörlosen Kindern oft nicht umfassend vermittelt werden. Über Gebärdensprachen erreichen sie jedoch auf visuellem Weg das gleiche Bildungsniveau wie hörende Kinder.“
Für ÖGLB-Generalsekretär Lukas Huber ist Gebärdensprache nicht nur Kommunikation, sondern Identität und Heimat. „Wenn wir über Bildung sprechen, geht es nicht nur um Schulbücher, sondern darum, dass Kinder von klein auf das Gefühl haben: Meine Sprache zählt, meine Kultur zählt. Und das verändert ein ganzes Leben“, verdeutlicht Huber.
Inklusion und Bildungsgerechtigkeit
Den Abschluss des ersten Kongresstages bildete eine Diskussion zum Thema „Inklusion und Bildungsgerechtigkeit“. Auf dem Podium diskutierte Felix Steigmann für den Österreichischen Behindertenrat mit Bundesbehindertenanwältin Christine Steger und Katta Spiel für den Unabhängigen Monitoringausschuss.
Bezugnehmend auf die Positionen des Österreichischen Behindertenrats als Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung in Österreich verwies Steigmann auf die Bedeutung von Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) als Bildungssprache vom Kindergarten an. Zudem brauche es ÖGS als vollwertige Unterrichtssprache, um einen bilingualen Unterricht und damit eine gleichberechtigte Teilhabe an inklusivem Unterricht für gehörlose Schüler*innen gewährleisten zu können.
Ganz grundsätzlich sind bei der Entwicklung und Umsetzung bildungspolitischer Maßnahmen für gehörlose Schüler*innen immer die Gehörlosencommunity bzw. deren Organisationen im Sinne der UN-Behindertenrewchtskonvention vollumfassend einzubeziehen, so der Leiter des Kompetenzteams Bildung des Österreichischen Behindertenrats.

Abschlusserklärung
Zum Abschluss des Kongresses verabschiedeten die Gehörlosenverbände aus Österreich, Deutschland und der Schweiz eine gemeinsame Erklärung. Sie schlossen sich der internationalen Resolution des 24. Internationalen Kongresses zur Bildung gehörloser und hörbehinderter Menschen (ICED) in Rom an und ergänzten diese um zentrale Anliegen für Österreich, Deutschland und die Schweiz.
Die Verbände verurteilen die Beschlüsse des Mailänder Kongresses von 1880, die zur Ausgrenzung der Gebärdensprachen und zu schwerwiegenden Nachteilen für Generationen gehörloser und hörbehinderter Menschen führten. Sprachdeprivation – also das Vorenthalten einer Sprache in den entscheidenden frühen Entwicklungsjahren – und der Ausschluss aus Bildung und Gesellschaft werden als gravierende Menschenrechtsverletzungen angesehen.
Da viele gehörlose und hörbehinderte Kinder in hörenden Familien aufwachsen, haben sie der Abschlusserklärung zufolge keinen selbstverständlichen Zugang zu Gebärdensprachen und zur Gehörlosenkultur. Gebärdensprachen seien jedoch für gehörlose und hörbehinderte Menschen die natürliche Sprache – ihre vorgängige Anerkennung sei unverzichtbar und es müsse den individuellen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Ein gesellschaftliches und politisches Umdenken sei den Unterzeichner*innen zufolge dringend nötig, welches sich in Gesetzgebung, Bildung und in der Ausbildung aller relevanten Berufsgruppen widerspiegeln müsse.
In der Abschlusserklärung fordern Helene Jarmer (Präsidentin ÖGLB), Ralph Raule (Präsident DGB) und Marinus Spiller (Präsident SGB-FSS) u.a. die konsequente gesellschaftliche, politische und rechtliche Umsetzung des Paradigmenwechsels „Weg vom Defizitmodell, hin zur Anerkennung gehörloser Menschen als sprachliche und kulturelle Minderheit und als Sprecher*innen einer eigenständigen Minderheitensprache – im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention – mit allen daraus folgenden Rechten und Pflichten“.
Der nächste DACH-Kongress findet 2028 in der Schweiz statt.