Mehr als 400 eingereichte Objekte stärken die Sichtbarkeit der Geschichte von Menschen mit Behinderungen und erweitern die Sammlung deutlich.
Das Haus der Geschichte Österreich startete im April 2024 gemeinsam mit dem Sozialministerium das Disability History Project. Ziel des Projekts ist es, die Geschichte und Perspektiven von Menschen mit Behinderungen stärker im kulturellen Erbe Österreichs zu verankern. Auf den Sammlungsaufruf wurden dem Museum mehr als 400 Objekte angeboten. Am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen gab Sozialministerin Korinna Schumann die Verlängerung des Projekts bis 2027 bekannt. Am 6. Dezember 2025 findet von 14:00 bis 18:00 Uhr im Haus der Geschichte Österreich der Disability History Aktionstag statt. Dabei werden neue Objekte in der Hauptausstellung vorgestellt.
Die Sammlung des Hauses wuchs im vergangenen Jahr deutlich. Die neuen Objekte zur Geschichte von Menschen mit Behinderungen sollen zukünftige Ausstellungen und Vermittlungsprojekte bereichern. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auch in den kommenden zwei Jahren finanziert.

Sozialministerin Korinna Schumann erklärte, dass das Disability History Project die bisher oft unsichtbare Geschichte von Menschen mit Behinderungen sichtbar mache. Die Beteiligung der Community und die weit übertroffenen Projektziele würden zeigen, wie groß der Bedarf an Anerkennung, Aufarbeitung und Bewusstseinsbildung sei. Durch die Fortführung des Projekts bis 2027 sollen Forschung und Inklusion gestärkt sowie die Geschichte von Menschen mit Behinderungen dauerhaft in der österreichischen Zeitgeschichte verankert werden.
Ursprünglich war geplant, zumindest 30 Objekte zu politischem Engagement und Aktivismus von Menschen mit Behinderungen seit 1848 zu sammeln. Der Sammlungsaufruf wurde von der Web-Ausstellung „Selbst bestimmt“ begleitet. Diese macht persönliche Geschichten und Errungenschaften online sichtbar und erleichtert die Teilnahme am Projekt. In der Web-Ausstellung sind bereits mehr als 100 Objekte und Geschichten zu sehen. Die meisten dieser Objekte wurden auch für die Sammlung angeboten. Insgesamt wurden dem Museum über 400 Objekte übergeben, die nun schrittweise bearbeitet werden.

Monika Sommer, Gründungsdirektorin des Hauses der Geschichte Österreich, erklärte, dass durch die Neuzugänge bisher bestehende Lücken in der Repräsentation österreichischer Geschichte geschlossen werden konnten. Die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen seien nun dauerhaft Teil des kulturellen Erbes. Bei der Pressekonferenz stellte Sommer eine Reihe von Objekten vor, darunter einen Tagungsband zur ersten Integrationsklasse Österreichs, Zeichnungen und Figuren der Künstlerin Anna Magdalena Weiss sowie das Skelett Klusi, das bei Protesten für barrierefreien und leistbaren Wohnraum in Salzburg eingesetzt wurde. Sommer betonte, dass die Fortsetzung des Projekts dessen Erfolg unterstreiche und die gewonnenen Erkenntnisse weiter in die Museumsarbeit einfließen würden.

Die Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Magdlener vom Verein CCC*** beschrieb bei der Pressekonferenz, dass die Sammlung marginalisierte Stimmen hörbar mache und Einfluss darauf habe, wie über Menschen mit Behinderungen gesprochen werde. Ihrer Ansicht nach sei Disability History notwendig, da Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft weiterhin unterdrückt, benachteiligt und diskriminiert würden. Magdlener ist Teil der Fokusgruppe, die das Projekt begleitet. Selbstvertreter*innen, Aktivist*innen, Forscher*innen sowie Community-Archivar*innen entscheiden gemeinsam mit dem Museum über neue Objekte. Dadurch soll eine große Vielfalt von Behinderungen in den Neuzugängen repräsentiert sein.
Parallel zur Sammlung führte Kuratorin Vanessa Tautter Oral History-Interviews durch. Dabei wurde ein Trauma-informierter Ansatz gewählt, um den Schenker*innen einen sensiblen Rahmen zu bieten und ihnen zu ermöglichen, ihre Geschichte in eigenen Worten zu erzählen.

Franz Groschan, Präsident des KOBV, Vizepräsident des Österreichschen Behindertenrats, Mitglied der Fokusgruppe sowie des Publikumforums des Hauses der Geschichte Österreich, erklärte, dass die Aufarbeitung und Sichtbarmachung der Vergangenheit dabei helfe, die Zukunft auszurichten. Zu verstehen, was bereits erreicht worden sei und welche Herausforderungen noch bevorstehen, motiviere dazu, gemeinsame Ziele zu verfolgen. Er hob hervor, dass das durch das Disability History Project entstehende Verständnis auch bei Menschen ohne Behinderungen wichtig für diesen Prozess sei.